Infotafeln für Flüchtlinge in Rüsselsheim: Bilder weisen in der Fremde den Weg
Von CHARLOTTE MARTIN Mit Blaulicht rasende Autos, kehrende Männer und ein Psst-Finger vor dem Mund: In Rüsselsheim bekommen Flüchtlinge mit professionellen Illustrationen eine erste Orientierungshilfe.
Flüchtlingshilfe und künstlerische Gestaltung paaren sich in beispielhafter Weise, wenn jetzt für die Flüchtlingsunterkünfte Bildtafeln geschaffen werden. Der Kunstverein unter Leitung von Karl-Heinz Becker hat den Impuls einer engagierten Flüchtlingshelferin aufgegriffen und an den Illustrator Bengt Fosshag herangetragen: Edith Röhr, die mittlerweile die Koordination im Netzwerk der Flüchtlingshilfe übernommen hat, schlug vor einem Jahr beim Illustration-Workshop im Stadtmuseum vor, Piktogramme zu entwerfen, die den Zufluchtsuchenden erste Hilfestellung zur Orientierung geben könnten. Gemeinsam mit dem Illustrator Roman Köller von Kultur 123 machte sich Bengt Fosshag an die Entwürfe.
Lebendige Gestik
Nun wurden die ersten Bildtafeln im neuen Flüchtlingshaus am Sommerdamm vorgestellt: Notrufnummern werden durch rasende Autos mit Blaulicht, Putzdienste durch Besen schwingende Männer, Ruhezeiten durch das Gesicht mit Finger vor dem Mund („Psst!“) angezeigt. In Anwesenheit von Sozial- und Kulturdezernent Dennis Grieser (Grüne) sowie dem hessischen Integrationsstaatssekretär Jo Dreiseitel (SPD) erläuterte Bengt Fosshag: „Was wir hier heute sehen, ist die Pilottafel. Wir wollten einheitliche Tafeln für alle Unterkünfte schaffen, die zugleich einen ästhetischen Anspruch erfüllen, wenn sie dann in den Gemeinschaftsräumen der Häuser hängen.“
Er habe keine Strichmännchen oder leblos funktionale Pfeile gestalten wollen, betonte Fosshag. „Die Hinweise sollten menschliches Gesicht und lebendige Gestik haben.“ Fosshags kleine „Hausordnung“, die in Zusammenarbeit des hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und der Rüsselsheimer Verkehrs-Sicherungs-Geräte-GmbH professionell umgesetzt wurde, fand Lob bei allen Beteiligten.
Geglückter Baustein
Die Wirkung und Verständlichkeit der symbolhaften, einfach und klar strukturierten Zeichnungen sei gemeinsam mit Flüchtlingen geprüft und nachgebessert worden, merkte Christian Mayer, Leiter der Stabsstelle Asyl an. Jo Dreiseitel war begeistert: „Diese Bildtafeln nicht nur in Rüsselsheim, sondern hessenweit bekannt zu machen und zu nutzen, wäre großartig und würde die Vorreiterrolle Rüsselsheims als einer Stadt besonderer kultureller und kreativer Vielfalt unterstreichen“, sagte er.
Bislang seien die Tafeln nicht nur in Hessen, sondern bundesweit einmalig. Dreiseitel unterstrich: „80 000 Menschen wurden seit 2016 menschenwürdig untergebracht. Aber ein Dach über dem Kopf reicht nicht. Es gilt, von der Willkommenskultur zur Integrationskultur überzugehen.“ Dabei seien die ästhetisch hochwertigen, gut verständlichen Bildtafeln ein weiterer, geglückter Baustein.