?Das Training kann auch Überwindung kosten!?
Den goldenen Marathon-Herbst müssen Sie wegen Ihrer Probleme mit den Achillesfersen ausfallen lassen, Herr Flügel. Wie geht es Ihnen damit und was macht die Verletzung?
Das ist natürlich eine sehr unangenehme Situation für mich, denn eigentlich hatte ich mir für den Mainova Frankfurt Marathon sehr viel vorgenommen. Ich wollte meine Bestzeit steigern und mich damit für die Marathon EM 2018 in Berlin qualifizieren. Das ist jetzt leider auf das Frühjahr vertagt. Glücklicherweise bin ich aber auf dem Weg der Besserung und vorsichtig optimistisch, dass ich im November wieder voll ins Training einsteigen kann. Das wären dann genau sechs Monate, die ich ohne richtiges Training auskommen musste.
Das ist auch für den Kopf nicht leicht. Wie bewahren Sie die Ruhe und bleiben motiviert?
Da habe ich einen kleinen Vorteil gegenüber einem Profisportler, denke ich, weil ich mich während einer Verletzung einfach stärker auf Beruf und Familie konzentrieren kann. Es ist nicht so, dass ich von morgens bis abends nur daran denke, dass ich endlich wieder laufen möchte. Natürlich ist es aber trotzdem hart für mich und ich bin unglaublich heiß darauf, endlich wieder zu trainieren.
Ihre junge Familie gibt Ihnen bestimmt viel Kraft – oder freut die sich schon darauf, wenn Papa wieder mehrfach am Tag trainiert und weniger die Couch blockiert?
Auf alle Fälle! Hauptsächlich geht es darum, mich abzulenken und beschäftigt zu halten, wenn zwei Trainingseinheiten am Tag wegfallen. Wenn man aus dem Rhythmus des täglichen Trainings draußen ist, merkt man aber erstmal, dass es auch Überwindung kosten kann, zum Training aufzubrechen. Das kenne ich sonst überhaupt nicht, weil das Training einfach wie Zähneputzen zum Tagesablauf dazugehört. Wenn ich jetzt mal als Alternativtraining eine Runde mit dem Rad fahren will, merke ich, dass ich dann manchmal doch lieber zu Hause bei meiner Tochter bleiben möchte.
Schauen wir in die Zukunft. Wie ist Ihre mittelfristige Planung? Ist Olympia 2020 in Tokio Ihr großes Ziel?
Absolut, davor aber erstmal Berlin 2018. Eine Heim-EM erlebt man nur einmal in der Karriere. Aber langfristig sind die Gedanken natürlich schon auf Tokio ausgerichtet. Auch wenn mir klar ist, dass auch eine Portion Glück dazugehört, um das noch einmal zu schaffen.
Und das, obwohl Sie einem Job nachgehen. Brauchen Sie dafür ein Höchstmaß an Disziplin und Zeitmanagement? Wie müssen wir uns einen normalen Tag von Julian Flügel vorstellen?
Naja, mit einem 30-Stunden Job sind das Laufen und das Training dafür schon ganz gut vereinbar. Von der zeitlichen Belastung her ist das ja als Läufer noch überschaubar, im Unterschied zu Triathleten oder Radfahrern. Mein durchschnittlicher Tag läuft so ab: Morgens um 7 Uhr laufe ich eine erste lockere Runde, meist um die 10 Kilometer. Dann bin ich von etwa 9 bis 16 Uhr im Büro – zum Glück fahre ich nur 12 Minuten zur Arbeit. Auf dem Heimweg habe ich die Sportsachen im Auto und halte unterwegs an, um irgendwo mein zweites Training zu absolvieren. Das ist in der Regel die Haupteinheit des Tages, im Schnitt komme ich da auf etwa 20 Kilometer. Die Trainingseinheiten variieren natürlich von Tag zu Tag stark. Meistens bin ich dann schon gegen 18 Uhr zu Hause, was mir noch etwas Zeit mit meiner Tochter ermöglicht.
Beim Mainova Frankfurt Marathon reicht es leider noch nicht für die Gesamtdistanz, aber Sie sind trotzdem am Start. Erzählen Sie mal…
Genau, ich habe wieder die Ehre, als Teamkapitän für eine Mainova-Promistaffel an den Start gehen zu dürfen. Dafür konnten sich Hobbyläufer auf einen Startplatz im Team bewerben. Mit drei Gewinnern gehe ich dann am 29. Oktober gemeinsam in Frankfurt an den Start, wir teilen uns die Strecke auf. So haben wir alle die Möglichkeit, trotzdem den Zieleinlauf in der Festhalle zu genießen. Es ist nach 2016 schon das zweite Mal, dass ich bei dieser Aktion dabei bin und ich freue mich schon sehr darauf.
Was sind für Sie die wichtigsten Gründe, am 29. Oktober in Frankfurt zu starten?
Beim Marathon erlebt man absoluten Weltklassesport zum Anfassen, und das auch noch ohne Eintritt. Bei welcher Sportart kommt man sonst so nah an die Besten der Welt heran? Außerdem könnte es eine gute Gelegenheit sein, einen neuen Deutschen Rekord mitzuerleben. Und zu guter Letzt der wichtigste Grund: Den schönsten Marathon-Zieleinlauf der Welt – in der Frankfurter Festhalle – muss man einfach miterleben.