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Ein Arbeitsrechtler klärt auf über befristete Verträge und den „Fall Post“

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Befristete Arbeitsverträge sind mittlerweile weit verbreitet. Weil aber viele Unternehmen dabei Formfehler begehen, sollte jeder Arbeitnehmer seinen Vertrag von einem Experten prüfen lassen.
Befristete Arbeitsverträge sind mittlerweile weit verbreitet. Weil aber viele Unternehmen dabei Formfehler begehen, sollte jeder Arbeitnehmer seinen Vertrag von einem Experten prüfen lassen. © Jens Schierenbeck (gms)

Befristete Arbeitsverträge und wie sie als Druckmittel verwendet werden: Seit bekannt geworden ist, dass die Post ihre Mitarbeiter auch nach Krankheitstagen sortiert, wird das Thema wieder debattiert. Fragt sich also: Wie können sich Arbeitnehmer gegen solche und andere Methoden wehren. Unser Reporter Dieter Hintermeier sprach darüber mit dem Frankfurter Arbeitsrechtler Schekib Fischer.

Herr Fischer, die Post hat für großen Wirbel gesorgt, weil sie die Entfristung von Arbeitsverträgen von den Krankheitstagen der Mitarbeiter abhängig machen will. Sind die Praktiken eine Ausnahme in der deutschen Unternehmenslandschaft?

SCHEKIB FISCHER: Nein. Der befristete Arbeitsvertrag ist in der Praxis sehr verbreitet. Die Post hat lediglich ausgesprochen, was andere Unternehmen ohnehin schon praktizieren.

Welche Vorteile versprechen sich Unternehmen von befristeten Arbeitsverträgen?

FISCHER: Die Unternehmen können mit dem Instrument der Befristung das Kündigungsschutzgesetz umgehen. Danach kann ein Arbeitsverhältnis nach Ablauf von sechs Monaten in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern nur noch unter erschwerten Voraussetzungen gekündigt werden. Diese sechsmonatige sogenannte Wartezeit wird durch eine sachgrundlose Befristung, die für die Dauer von maximal zwei Jahren abgeschlossen werden kann, faktisch verlängert.

Was sind die Folgen?

FISCHER: Durch die Befristungsabrede bedarf es dann nicht einmal mehr einer Kündigung, da das Arbeitsverhältnis ja gerade automatisch durch das vereinbarte Befristungsende endet. Ist der Arbeitgeber in der Lage einen Sachgrund zu liefern, kann er die Befristung bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs über mehrere Jahre durchsetzen.

Welche Unternehmen „bevorzugen“ befristete Verträge mit ihren Mitarbeitern? Große, kleine, Mittelständler?

FISCHER: Befristete Arbeitsverträge finden sich in den meisten Unternehmen, ganz gleich welche Größe das Unternehmen hat und zwar aus den genannten Vorteilen. Der Gesetzgeber erlaubt dies unter Beachtung der Spielregeln des Teilzeit- und Befristungsgesetz auch, so dass die Debatte keine rechtliche, sondern nur eine politische ist. Hier ist mir nicht bekannt, dass irgendjemand in der Politik dazu in der Lage war, beispielsweise die sachgrundlose Befristung abzuschaffen.

Ab wann können sich Mitarbeiter in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis „einklagen“?

FISCHER: Wenn wir von der klassischen Zeitbefristung ausgehen, endet das Arbeitsverhältnis mit Zeitablauf. Das Arbeitsverhältnis wird zum Beispiel dann zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitnehmer per fristgerechter Entfristungsklage erreicht, dass die Befristungsabrede unwirksam war, sei es aus formalen Gründen – zum Beispiel fehlende Schriftform – oder aus inhaltlichen Gründen – zum Beispiel kein Sachgrund für eine Befristung, die länger als zwei Jahre andauert.

Bei der Post spielen die Anzahl der Krankheitstage eine wichtige Rolle. Ist „krank sein“ generell ein Kündigungsgrund?

FISCHER: Die krankheitsbedingte Kündigung ist als sogenannte personenbedingte Kündigung möglich, jedoch unter sehr hohen Anforderungen. War der Arbeitnehmer in einem Referenzrahmen der letzten drei Kalenderjahre jeweils mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig, kann der Arbeitgeber anfangen, über eine krankheitsbedingte Kündigung „nachzudenken“.

Ist in solchen Fällen eine Kündigung unausweichlich?

FISCHER: Nein, das heißt nicht, dass dann bereits eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist. Vielmehr bedarf es dann noch weiterer Voraussetzungen, die in einem Kündigungsschutzprozess allesamt vom Arbeitgeber darzulegen und nachzuweisen sind. Die Ausgangslage und die Position des Arbeitnehmers ist daher in solchen Konstellationen erstmal grundsätzlich gut.

Könnte der „Fall der Deutschen Post“ zu einem Präzedenzfall für die Ablehnung befristeter Arbeitsverträge werden?

FISCHER: Es ist gut, dass über den Fall der Post – mal wieder – über befristete Arbeitsverträge diskutiert wird. Es wird sich an der Situation aber nichts ändern, wenn der Gesetzgeber die Position der Arbeitnehmer nicht stärkt. Denn nach derzeitiger Rechtslage haben Unternehmen im Bereich des Befristungsrechts nach wie vor sehr großen Spielraum. Dennoch ist es sinnvoll, dass Arbeitnehmer den befristeten Arbeitsvertrag prüfen lassen, da die Praxis auch zeigt, dass viele Unternehmen nicht dazu in der Lage sind, wirksame Befristungsabreden zu vereinbaren. Viele scheitern schon an den Formalien.

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