Sterben Corona-Tote nur etwas früher? Neue Studie widerspricht dem Hamburger Rechtsmediziner

Der Hamburger Rechtsmediziner Püschel meint, dass die meisten Corona-Toten sowieso sehr bald verstorben seien. Doch ist seine These wirklich richtig?
- In Deutschland sind bereits über 6000 Covid-19-Patienten verstorben*.
- Bei Markus Lanz (ZDF) stellte der Hamburger Chef-Rechtsmediziner eine entscheidende Corona-Annahmen in Frage.
- Eine neue Studie aus Schottland jedoch lässt wiederum diese These zweifelhaft erscheinen.
- Hier finden Sie einen Wegweiser durch unsere Corona-Berichterstattung*.
Update 2. Mai: In Deutschland gehört der Hamburger Pathologe Professor Klaus Püschel zu den lautesten Vertretern dieser These: Die Corona-Todesopfer wären sowieso sehr bald verstorben. Praktisch alle hätten bereits Vorerkrankungen gehabt und waren zum Großteil in einem betagten Alter. Der Tod in Folge des Coronavirus wäre somit nur früher eingetreten. Auf lange Sicht werde es keine Übersterblichkeit geben, also ein Übermaß an Todesfällen etwa im Jahresdurchschnitt, weil sich das ausgleichen werde. Stimmt das denn?
Eine neue Studie aus Glasgow kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Forscher der Universität Glasgow haben gemeinsam mit der schottischen Gesundheitsbehörde die Annahme untersucht und herausgefunden, dass männliche Coronavirus-Opfer im Schnitt 13 Jahre Lebenszeit verloren haben. Bei Frauen seien es elf Jahre. Miteinbezogen haben die Forscher in ihrer Rechnung auch die Vorerkrankungen und das Alter der Verstorbenen.
Die Wissenschaftler verglichen hierzu Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Lebenserwartung unterschiedlicher Altersgruppen mit Informationen zu Corona-Todesfällen in Italien. Hinzu kamen aktuelle Daten aus Großbritannien. In Italien zählten zu den häufigsten Vorerkrankungen bei Corona-Todesopfern Bluthochdruck (73 Prozent), Diabetes (31 Prozent) sowie Herzerkrankungen (27 Prozent).
Jedoch weisen die Forscher auch darauf hin, dass die medizinische Versorgungssituation in Italien bei der Frage der Überlebenschancen eine Rolle gespielt haben könnte. Also eine unzureichende Behandlung mitverantwortlich für die zu frühen Todesfalle war.
Markus Lanz (ZDF): Professor stellt mit brisanter These alles auf den Kopf
Erstmeldung 10. April: Vor Ostern ging es im ZDF-Talk von Markus Lanz natürlich erneut um das Coronavirus und die Folgen. Lanz hatte diesmal unter anderem einen Hamburger Pathologen Professor Klaus Püschel in seine Show eingeladen, der an einer Grundüberzeugung der Coronavirus-Debatte rüttelte.
Wie bereits berichtet, gibt es aus Hamburg erhebliche Zweifel an der Todesfall-Statistik des Robert-Koch-Instituts*.
Es werde zu wenig untersucht, ob die Menschen mit dem oder an dem Virus verstarben. Nun ging Professor Püschel, Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, sogar noch wesentlich weiter.
Video: Dunkelziffer ist entscheidend beim Coronavirus
Coronavirus-Talk bei Lanz (ZDF): Hamburger Rechtsmediziner kritisiert das RKI
Der Rechtsmediziner bekräftige zunächst seine Kritik am RKI. Es sei eine „völlig falsche Maßnahme“, die (vermeintlichen) Corona-Toten aus Sorge vor einer Infektionsgefahr nicht zu obduzieren. Püschel dagegen untersuchte bereits Dutzende Verstorbene, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden - entgegen der RKI-Empfehlung.
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Dabei stellte der Rechtsmediziner fest, dass „vor allem Kranke und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem“ versterben. Auch bei Todesopfern unter 60 Jahren habe er Vorerkrankungen feststellen können, auch wenn ihnen diese teilweise selbst nicht bewusst waren. Hinsichtlich der Vorerkrankungen nannte Püschel auf Mopo-Anfrage Krebs oder eine chronische Lungenerkrankung. Andere Patienten seien starke Raucher oder schwer fettleibig gewesen, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Corona bei Lanz (ZDF): Werden gar nicht mehr Menschen durch das Coronavirus sterben?
Daher kam Püschel in der ZDF-Talkshow zu einer überraschenden These, die in diesen Tagen fast „ketzerisch“ wirken mag. Der Professor geht davon, dass es am Ende des Jahres gar keinen Unterschied geben wird bei der Gesamtzahl der Todesfälle in Deutschland im Vergleich zu früheren Jahren.
Püschel bei Lanz: „Es ist sehr hart von mir ausgedrückt, aber es sind alte und kranke Menschen, von denen einige sowieso sterben würden.“ Der Rechtsmediziner behauptet somit, dass bei den meisten Corona-Patienten, die versterben, der Todesfall lediglich etwas früher eintritt. Das beruhigende Fazit aus seiner Schlussfolgerung: „Wir müssen keine persönliche Todesangst haben.“
Auch interessant: Virologe bei Lanz enttäuscht von RKI - „Fällt zusammen wie ein Kartenhaus“. Unterdessen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Corona-Krise eine Fernsehansprache an die Menschen in Deutschland gehalten. Inzwischen hat sich auch Papst Franziskus zur Corona-Krise geäußert - und einen Überraschungsanruf im TV gemacht.
Corona: Mehrere europäische Ländern melden deutlich erhöhte Todesraten im Frühjahr
Jedoch gibt es eine neue Untersuchung aus Europa, die Zweifel aufkommen lassen, ob diese These des Professors wirklich zutrifft. Zumindest aktuell lässt sich in vielen europäischen Ländern nämlich durchaus eine klar erhöhte Todesrate feststellen. Schätzungen des "Euro-MOMO"-Netzwerks zeigen einen starken Anstieg der Gesamtmortalität in vier europäischen Staaten, die schwer von der Corona-Pandemie betroffen sind: Italien, Frankreich, Spanien, England. Auch in der Schweiz sei die Sterberate erhöht. In Belgien und Portugal ist die Todesrate laut Statistik zumindest leicht erhöht.
Wie sich das langfristig entwickeln wird, und ob letztlich der Hamburger Rechtsmediziner richtig liegt, ist nun die Frage. US-Forscher rechnen damit, dass der Corona-Höhepunkt in Deutschland am 19. April erreicht sein wird.
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In den USA könnte derweil Donald Trump als Gewinner aus der Corona-Krise hervorgehen - dabei wird er von einem wichtigen Berater bloßgestellt. Hilft die Maskenpflicht gegen das Coronavirus? Ministerpräsident platzt bei Lanz der Kragen.
mag
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