Umstrittenes Experiment soll die Erde vor gefährlicher Strahlung aus dem All schützen

Die Forschung zerbricht sich den Kopf, wie die Erderwärmung zu stoppen ist. „Solar Geoengineering“ ist als Methode in der Diskussion - mit gefährlichen Risiken.
Stuttgart - Die Erde erwärmt sich zusehends. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Mensch zu viel klimawirksames Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre freisetzt. Verantwortlich dafür sind viele Lebensbereiche - ob Verkehr, Industrie, Nahrungsmittel oder Mode. Forscher weltweit beschäftigen sich damit, wie der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 so weit reduziert werden kann, dass die Erderwärmung in einem erträglichen Maß bleibt. Auch in Baden-Württemberg* gibt es Projekte dazu.
Nicht alle Forschungsansätze zielen dabei ausschließlich auf die Reduktion von Treibhausgasen wie CO2 ab. Es gibt auch Überlegungen, die globale Sonneneinstrahlung künstlich zu verringern - denn letzten Endes ist es sie, die für die Erwärmung sorgt, weil Treibhausgase die Strahlung reflektieren. In der Fachzeitschrift „Wires Climate Change“ haben zahlreiche Experten jetzt aber vor solchem „Solar Geoengineering“ eindrücklich gewarnt.
Experimente zur Reduktion von Sonnenstrahlung: Experten raten von sämtlichen Methoden ab
Der Brief in der Fachzeitschrift wurde von mehr als 60 Experten auf dem Gebiet unterzeichnet, darunter auch der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, sowie der Klimawandelexperte Frank Biermann von der Universität Utrecht. Gemeinsam fordern sie nationale Regierungen und die Uno dazu auf, eine „Normalisierung“ von „Solar Geoengineering“ zu verhindern.
Die Experten machen sich vor allem Sorgen darüber, dass derlei Experimente „nicht auf faire, integrative und effektive Weise geregelt werden“ könnten. Denn de facto gibt es nicht den einen Weg, um die Sonneneinstrahlung künstlich zu verringern. Die Forscher halten aber keinen für wirklich sicher. Eine Methode des „Solar Geoengineerings“ ist beispielsweise, Schwefel in die Atmosphäre zu führen. Die Teilchen würden die Sonnenstrahlen zurück in den Weltraum reflektieren und so die Erderwärmung verringern.
Das könnte zwar tatsächlich funktionieren, hätte aber regional möglicherweise fatale Folgen, so die Forscher. Es könnte zur Unterbrechung des Monsuns in Südasien und Westafrika und dadurch zu Dürren kommen. Gleichzeitig könnte ein Ende des „Solar Geoengineerings“ die Erderwärmung auch wieder rapide ansteigen lassen. Experimente, die auf die Beeinflussung der Atmosphäre abzielen, gibt es bereits. So will ein Ludwigsburger Unternehmen den Himmel mit Lasern beschießen, um Blitze zu verhindern (BW24* berichtete). Eine andere Methode spielt sich in den trockenen Wüstenregionen der Erde ab: Dubai nutzt Chemikalien, damit sich Wolken abregnen*.
„Solar Geoengineering“: Nicht nur Kritiker wollen Klarheit über Durchführung umstrittener Experimente
Während die Experten in „Wires Climate Change“ vor der Reduktion der Sonneneinstrahlung warnen, gibt es auf der anderen Seite auch Befürworter des „Solar Geoengineerings“. Einig sind sich aber alle darin, dass darüber in großem Maßstab diskutiert und entschieden werden sollte. Forscher, die sich für derlei Experimente einsetzen, treibt vor allem die Frage „Welche Optionen haben wir, wenn die Senkung der Emissionen sich als unzureichend erweist?“ um.
Die Gegner des „Solar Geoengineerings“ befürchten indes genau das als Nebeneffekt der Experimente: dass der Ausstoß von Treibhausgasen einfach fortgeführt wird. Eine künstliche Reduktion der Sonneneinstrahlung würde sämtliche Anreize beiseite schaffen, beispielsweise die Nachhaltigkeit der Wirtschaft anzugehen. Die schlussendliche Forderung im Brief der Experten ist deshalb radikal: Ein internationales Abkommen, das den kompletten Verzicht auf „Solar Geoengineering“ festlegt. *BW24 ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.