Hessen verordnet sich Mietbremse

Eine bezahlbare Wohnung zu finden, wird immer schwieriger. Dem möchte die schwarz-grüne Landesregierung mit einer Initiative begegnen, die zunächst auf die Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte zielt. Der Opposition und dem DGB geht der Vorstoß nicht weit genug.
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist eines der beherrschenden politischen Themen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat gestern einen Gesetzesentwurf vorgelegt, nach dem Vermieter dem neuen Mieter belegen müssen, warum sie die in der Mietpreisbremse festgelegte Obergrenze überschreiten.
Die Hessische Landesregierung startet ebenfalls eine Initiative, um den angespannten Markt zu entlasten. Diese zielt darauf, die Mieter der überwiegend landeseigenen Wohnungsgesellschaft Nassauischen Heimstätte zu entlasten, setzt aber auch auf Nachahmereffekte. Die Gesellschaft ist mit rund 60 000 Wohnungen das wichtigste Wohnungsunternehmen in Hessen.
„Wir wollen ein konkretes Zeichen für preiswerte Mieträume setzen“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der gestern mit Wohnungsbauministerin Priska Hinz (Grüne) die Initiative präsentierte. Diese sieht ein Paket verschiedener Maßnahmen vor.
Ein-Prozent-Grenze für Haushalte mit mittlerem Einkommen: Die Nassauische Heimstätte wird für Haushalte mit mittlerem Einkommen die Miete in den nächsten fünf Jahren nicht mehr als ein Prozent jährlich anheben. Damit kämen etwa 75 Prozent der Mieter in den Genuss der Regelung, so Bouffier und Hinz.
Ziel sei es, Familien mit Kindern zu unterstützen. Es werde auch zuvor keine Sondermieterhöhungen geben. Um die Begrenzung zu finanzieren, verzichte das Land als größter Gesellschafter auf die Auszahlung der jährlichen Dividende in Höhe von 2,8 Millionen Euro pro Jahr.
Begrenzung bei Anpassungen von Bestandsmieten: Haushalte mit einem höheren Einkommen, die nicht unter die Ein-Prozent-Regelung fallen, sollen maximal 15 Prozent höhere Mieten innerhalb von drei Jahren bezahlen.
Verlängerung der öffentlichen Förderung : Die Nassauische Heimstätte verlängert freiwillig die öffentliche Förderung für rund 2000 Sozialwohnungen, die ansonsten bis 2023 aus dieser Bindung fallen würden.
Deckelung für Mieterhöhungen nach Modernisierung: Hier soll die Nassauische Heimstätte von den gesetzlich möglichen elf Prozent der Kosten einer Modernisierung künftig nur sechs Prozent auf die Mieter umlegen.
Mit der Initiative leiste die Landesregierung „in ganz Hessen einen wesentlichen Beitrag für bezahlbares Wohnen“, sagte Bouffier. Gleichzeitig appelliert er an andere Wohnungsbaugesellschaften, sich zu beteiligen.
„Nur ein erster Schritt“
Wie nötig dies wäre, zeigt ein Beispiel aus Darmstadt, wo die historischen Häuser entlang von Spessart- und Rhönring von der Bauverein AG, einer Tochtergesellschaft der Stadt, modernisiert werden. Davon betroffen sind bis zu 2000 Mieter wie der Usinger Student Kevin Bettin. Jetzt geht er auf die Barrikaden, weil durch die Modernisierung die Mieten drastisch gestiegen seien und ältere Bewohner sich aus finanziellen Gründen eine neue Bleibe suchen mussten. In seinem Fall betrage die Erhöhung fast 20 Prozent. „Ich kann es nicht verstehen, dass ein öffentlicher Bauträger so bezahlbaren Wohnraum vernichtet“, sagt Bettin. In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel. „Das ist nur ein erster Schritt“, kommentierte er den Vorstoß von Schwarz-Grün.
Zugleich fürchtet er ein „Bürokratiemonster“, da nicht klar sei, wie bei der Begrenzung ermittelt werde. Ein Mietpreisstopp sei zudem nicht nur für die Nassauische Heimstätte wichtig, sondern auch für alle ehemaligen Wohnungsbaugesellschaften, die in der Vergangenheit privatisiert wurden. „Mietstopp in Hessen. Jetzt erst recht“ heißt das Motto einer SPD-Unterschriftenaktion, um Erhöhungen bei solchen Gesellschaften in den nächsten fünf Jahren auf maximal fünf Prozent zu begrenzen.
Als einen Schritt in die richtige Richtung bewertet der DGB Hessen-Thüringen die Initiative, kritisiert aber, dass sich die Vorschläge weitgehend auf die Nassauische Heimstätte beschränkten. Das allein sei nicht ausreichend, um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum nachhaltig zu beheben. Mitarbeit von Dieter Hintermeier