Kabarettist Emmanuel Peterfalvi: "Ich bin Froschschenkel und Currywurst"

Jeder kennt ihn aus dem Fernsehen, wie er als rasender Reporter in orangefarbener Trainingsjacke mit seinem Puschelmikrofon durch die Fußgängerzonen läuft und mit starkem französischen Akzent die Passanten nach ihren Meinungen fragt. Emmanuel Peterfalvi (51), genannt Alfons, tritt aber auch auf der Bühne auf. Mit seinem Programm „Alfons – Le Best of“ gastiert er in der Frankfurter Käs und in der Darmstädter Centralstation. Sabine Kinner hat den Kabarettisten vorab befragt, wie er die Deutschen sieht.
Herr Peterfalvi, am 3. November 2017 haben Sie die deutsche Staatsangehörigkeit samt Einbürgerungsurkunde erhalten. Haben Sie am Tag danach morgens aus dem Fenster anders auf Deutschland geschaut?
EMMANUEL PETERFALVI: Wenn ich bei mir aus dem Fenster gucke, sehe ich eine Fußgängerampel. Die Deutschen bleiben immer an der Ampel stehen, wenn es Rot ist. Auch wenn in fünf Kilometern Umkreis kein einziges Auto fährt – die Deutschen bleiben stehen. Bei uns in Frankreich eine rote Ampel – das ist ein Vorschlag. Aber am Tag nach meiner Einbürgerung, da bin ich runtergegangen. Die Ampel war rot. Es kam kein Auto. Und ich habe trotzdem gewartet.
Sie sind nun also beim Straßenverkehr innerlich deutscher als vorher. Inwiefern noch?
PETERFALVI: Nun, ich habe ja jetzt zum Beispiel das Wahlrecht. Also mache ich mir Gedanken, wen ich wählen werde. In Deutschland gibt es ja ein sehr gutes, einfaches Wahlsystem. Es gibt den Wahlkampf, man macht sein Kreuzchen, wo man will, und am Ende gewinnt Angela Merkel.
Stimmt es, dass Sie die französische Staatsbürgerschaft sicherheitshalber behalten haben?
PETERFALVI: Ich bin halt beides – Froschschenkel und Currywurst, Rotwein und „Äppelwoi“. Die doppelte Staatsbürgerschaft symbolisiert das am besten. Und überhaupt werden Deutschland und Frankreich sowieso noch dichter zusammenrücken, sobald Macron und Merkel erstmal geheiratet haben.
Könnten Sie sich einen Grund vorstellen, die deutsche Staatsbürgerschaft wieder abzugeben?
PETERFALVI: Ich liebe Land, Leute und Kultur in Deutschland. Sogar in Eurem Grundgesetz sind Freiheit, Demokratie und Toleranz verankert. Das finde ich toll. Daher kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, die Staatsbürgerschaft wieder abzugeben. Und eher für diese Werte in meinem neuen Land zu kämpfen, wenn es nötig wird.
Frankreich ist derzeit wieder sehr beliebt. Manche Deutsche mögen den jetzigen Präsidenten Emmanuel Macron. Andere reisen neuerdings nach Frankreich, weil es dort nicht so voll ist wie auf Mallorca. Wim Wenders hat seinen jüngsten Spielfilm „Grenzenlos“ in der Normandie gedreht. Fallen Ihnen noch andere Erklärungen für Frankreichs derzeitige Beliebtheit ein?
PETERFALVI: Naja, wir haben den weltweit besten Wein, wir sind die besten Liebhaber, und außerdem sind wir ausgesprochen bescheiden. Warum sollte man Frankreich da nicht lieben?
Aber die Franzosen haben sich nicht verändert, oder doch?
PETERFALVI: Nein, eigentlich nicht. Die Franzosen lieben weiterhin das Leben und laufen mit einem Baguette unterm Arm durch die Straßen von Paris. Gut, auch in Frankreich wie in ganz Europa haben die Rechtspopulisten momentan Aufwind. Aber die Rechten sind auf der Straße ganz leicht zu erkennen. Die haben kein Baguette unterm Arm. Das würde beim Hitlergruß immer runterfallen. Vielleicht eine Sache: Weil Deutschland wirtschaftlich so erfolgreich ist, sagen die französischen Politiker jetzt häufiger „Wir müssen mehr werden wie die Deutschen, wir müssen fleißiger werden“. Und es klappt: Die Schwarzarbeitrate ist so hoch wie nie. Das ist halt Frankreich.
Die französische Sprache lernen allerdings immer weniger Deutsche, an den Schulen und an den Universitäten. Liegt das an der französischen Sprache oder an der Unwilligkeit der Deutschen?
PETERFALVI: Wahrscheinlich eher daran, dass Englisch so übermächtig ist. Wo man hinsieht, überall Anglizismen – das finde ich persönlich uncool und ziemlich abgefuckt. Was ich aber spannend finde ist, dass Deutsch und Französisch sich schon immer gerne gegenseitig Begriffe ausgeliehen haben. Zum Beispiel heißt eine gewisse Art von Oberlichtern bei Türen in Frankreich „Vasistas“. Diese Art von Fenstern waren im 18. Jahrhundert in Frankreich modern, hatten aber keinen Namen. Dann kamen Besucher aus Deutschland und haben sich gewundert. Die haben die Hausbesitzer gefragt „Was ist das?“. Und die Franzosen haben das nicht etwa als Frage verstanden, sondern sie dachten, „Was ist das“ ist der deutsche Begriff für diese Fenster. Seitdem heißen diese Fenster in Frankreich offiziell „Vasistdas“. Also, liebe Deutsche, Ihr könnt mehr Französisch als Ihr denkt.
Nun zu Ihrer Kunstfigur Alfons. Sie ist unmöglich angezogen und macht Meinungsumfragen, deren Ergebnisse in keine Statistik passen. Eine absurde Figur. Wie erklären Sie sich ihren Erfolg?
PETERFALVI: Ich glaube, Alfons ist wie ein Kind, das erst mal ganz naiv an die Welt herangeht und dabei über die eine oder andere Wahrheit stolpert und uns zum Lachen bringt. Aber Alfons ist inzwischen viel mehr als nur das. Alfons ist auch ein Geschichtenerzähler, der über die großen und kleinen Geschichten der Menschen berichtet, aber auch viel aus seinem – oder soll ich sagen „unserem“ – Leben erzählt.
Vielleicht mögen die Deutschen auch das Schusselige und etwas Hilflose an Alfons. Das wäre das deutsche Kümmersyndrom. Oder ist Ihnen das noch nicht begegnet?
PETERFALVI: Nein, noch nicht. Vielleicht muss ich mich mal darum kümmern.
Wenn es um die großen politischen Themen in Deutschland geht, wird oft beanstandet, man könne sich nur noch in eine inoffiziell festgelegte, „korrekte“ politische Richtung äußern. Es gebe nur noch eine theoretische, aber keine praktische Meinungsfreiheit mehr. Was sagen Sie dazu, als Bürger aus dem Land der Aufklärung und der Revolution?
PETERFALVI: Meinungsfreiheit ist einer der wichtigsten Grundwerte überhaupt. Warum sollte man seine Meinung nicht mehr frei äußern? Meinungsfreiheit ist ein Teil der Menschenrechte und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde die Menschenrechte nach wie vor sehr gut. Vielleicht sollte man sich öfter auf diese besinnen. Auch dafür gab es ja in Frankreich die Revolution. Manchmal frage ich mich, wie es ausgesehen hätte, wenn die Französische Revolution von Deutschen durchgeführt worden wäre. Sturm auf die Bastille ja, aber nur mit Voranmeldung.
Ihre Berufsbezeichnung ist Kabarettist oder Comedy-Künstler. Ist es für Satiriker am einfachsten, die Wahrheit zu sagen, so wie früher für die Hofnarren?
PETERFALVI: Ich denke schon. Wobei sich die Funktion des Satirikers ja gewandelt hat. Jemand hat mal gesagt, früher haben wir unsere Informationen von den Politikern bekommen und über die Kabarettisten gelacht. Heute bekommen wir unsere Infos von den Kabarettisten und lachen über die Politiker.
Worum geht’s in Ihrem Programm „Alfons – Le Best of“, mit dem Sie in Darmstadt und Frankfurt gastieren?
PETERFALVI: Wie der Titel schon sagt, es ist ein „Best of“ – immer diese Anglizismen! Ich präsentiere meine schönsten Texte und Filme. Wenn Sie also wissen wollen, ob es sich noch lohnt, Frankreich wirtschaftlich wieder auf die Beine zu stellen oder ob man lieber die Staatskasse versaufen sollte und wie Hunde mit den Fahrkarten-Automaten der Deutschen Bahn zurecht kommen, ist dies das Programm für Sie!