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Paar heiratet auf der Palliativstation – Sieben Stunden später stirbt die Frau

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Genau ein Jahr ist es her, dass sich ein Paar auf der Palliativstation der Starnberger Klinik das Ja-Wort gegeben hat. Kurz darauf war Susanne Bischof tot.

So etwas kommt zwar alle paar Jahre mal vor, dennoch ist es eine Seltenheit auf der Palliativstation des Klinikums Starnberg. Dort, wo sich Pflegekräfte, Therapeuten, Ärzte und viele andere Helfer um unheilbar kranke Menschen kümmern, wurde eine Hochzeit gefeiert. Am 14. Juli jährt es sich zum ersten Mal, dass sich Susanne Bischof und Christoph Formberg das Ja-Wort gegeben haben. Sie starb nur wenige Stunden später an ihrem Krebsleiden. Nun erzählt Klinik-Sprecher Stefan Berger die Geschichte des Paares und der ungewöhnlichen Trauung. „Wir wollen damit zeigen, dass es auf der Palliativstation, so traurig es auch ist, auch schöne Momente geben kann“, sagt er. Und Christoph Formberg wolle etwas zurückgeben, was er in Starnberg erfahren habe.

Trauung Susanne Bischof und Christoph Fromberg
Hochzeit in ungewöhnlichem Rahmen: Susanne Bischof und Christoph Fromberg gaben sich im Aufenthaltsraum der Palliativstation des Starnberger Klinikums am 14. Juli 2022 das Ja-Wort. © Klinikum Starnberg

Die Trauung war für beide ein Geschenk

„Einen schöneren Tod kann man sich nicht vorstellen“, beschreibt Christoph Formberg die letzten Stunden mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Susanne Bischof im Klinikum Starnberg. Nur sieben Stunden nach der Nottrauung auf der Palliativstation verstarb sie an Krebs. Den Bund für das Leben zu schließen, auch wenn es am Ende des Lebens war – für die 50-Jährige und ihren Lebensgefährten aus Schongau war es im Juli vergangenen Jahres ein Geschenk.

„Sehr altmodisch“ hatten sich die beiden im Jahr 2015 bei einer Veranstaltung zur beruflichen Umorientierung kennengelernt. „Der Raum war mindestens für 100 Menschen bestuhlt, aber nur 15 Plätze waren, im Raum verteilt, belegt“, erinnert sich der 61-Jährige. Susanne sei direkt auf ihn zugegangen und habe gefragt: „Ist bei Ihnen noch etwas frei?“

Die beiden lernten sich bei einem Seminar kennen

Durch eine Aufgabenstellung innerhalb des Seminars sei es dann zum telefonischen Austausch zu dieser „Hausaufgabe“ gekommen. Den Telefonaten folgten schnell private Treffen. „Wir haben nur wenige weitere Begegnungen gebraucht, und es war uns klar, dass ich nach Bayern ziehen werde“, erinnert sich der gebürtige Rheinländer mit einem Lächeln. „Der Topf hatte sein Deckelchen gefunden.“

Gegenseitige Wertschätzung, den anderen in seinem „Sein“ annehmen und lieben – dies sei das Fundament ihrer Beziehung gewesen. „Und zusammen haben wir das Leben in vollen Zügen genossen und Pläne geschmiedet.“ Auch das Thema Hochzeit wurde immer konkreter. Die Corona-Pandemie und der Wunsch nach einem großen Fest verhinderten jedoch die Umsetzung.

Die Diagnose Brustkrebs änderte alles

Ende 2021 veränderte ein unspektakuläres Missgeschick das Leben beider: Susanne Bischof prallte versehentlich gegen eine Türklinke, verspürte kurz darauf eine Verdickung in der Brust und ging sicherheitshalber zu ihrer Frauenärztin. Die Untersuchungen bestätigten die Befürchtung: Brustkrebs. Es folgten die üblichen Behandlungen mit Chemotherapie und Bestrahlung. „Susanne hat alles sehr gut vertragen und wir konnten weiterhin viel unternehmen“, schildert Formberg. Sogar an den Gardasee seien sie gefahren. Und das habe ihnen das Gefühl gegeben, dass die 50-Jährige die Krankheit überstehen würde.

„Nur die letzten zwei Wochen waren anstrengend, vor allem durch die Wassereinlagerungen in den Beinen“, so der 61-Jährige. Da sich der Gesundheitszustand plötzlich immer weiter verschlechterte, sei Susanne am 13. Juli vergangenen Jahres dann auf der Palliativstation im Klinikum Starnberg aufgenommen worden.

Was braucht ein Mensch am Ende des Lebens?

Es gehe auf der Palliativstation darum, nicht dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben zu schenken, sagt Schwester Christina Kunte, die das Paar betreute. Ein interdisziplinäres Team aus spezialisierten Pflegenden, Ärzten, Physiotherapeuten, Sozialdienst, Seelsorge und Atemtherapie kümmert sich dort umfassend um den Patienten und dessen Angehörige.

Die Palliativstation der Klinik

„Wir behandeln, betreuen und begleiten Patienten mit fortschreitenden Krankheiten in einem späten Stadium ihrer Erkrankung, beispielsweise bei Krebsleiden, Erkrankungen innerer Organe oder des Nervensystems. Krankheits- und therapiebedingte Symptome wie Schmerzen, Übelkeit und Atemnot werden gelindert.“ So beschreibt das Klinikum Starnberg auf seiner Internetseite die Aufgaben der Palliativmedizin. Die Palliativeinheit im Klinikum umfasst sechs Betten. Es stehen zwei Einzel- und zwei Zweibettzimmer zur Verfügung. Aufgebaut hat die Station im Jahr 2006 federführend Dr. Wolfgang Schweiger (55), der nach einem Intermezzo in der Lungenfachklinik in Gauting seit sieben Jahren wieder die Starnberger Station leitet. Auch wenn etwa die Hälfte der 200 Patienten pro Jahr auf der Palliativstation sterben, so handele es sich nicht um eine Sterbeeinheit. Das ist Wolfgang Schweiger ganz wichtig. „Etwa die Hälfte unserer Patienten wird entlassen, meistens nach Hause, manchmal auch in ein Hospiz“, sagt er im Gespräch mit dem Starnberger Merkur.

Ein „Superteam“ aus Pflegekräften, Therapeuten und Ärzten, von Sozialdienst und Seelsorgern kümmere sich um die Patienten, sagt Schweiger. Das Kernteam umfasse rund 20 bis 25 Personen. „Und wir versuchen, alle Wünsche zu erfüllen.“ Dazu gehören vermeintlich kleine Wünsche wie ein Ausflug an den See, bestimmte Mahlzeiten oder auch die Erlaubnis, auf dem Balkon rauchen zu dürfen, aber auch Geburtstagsfeiern. Und alle paar Jahre komme es vor, dass Paare noch heiraten wollten so wie Susanne Bischof und Christoph Formberg. Dass das so schnell geklappt hat, freut Schweiger noch immer, der besonders der Standesbeamtin dankt: „Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen.“

Neben all den symptomlindernden medizinischen Maßnahmen wird versucht, mit „Kleinigkeiten“ den Patienten möglichst viel Freude zu bereiten, was auf emotionaler Ebene tatsächlich oft „Großes“ bewirke. Zum Beispiel den Lieblingssaft oder auch einmal ein Glas Prosecco statt einfachem Tee zu verabreichen. Die Patienten würden dies als großes Glück empfinden.

Standesbeamtin Ursula Schnettler war es gelungen, die erforderlichen Unterlagen innerhalb von wenigen Stunden zu organisieren.
Standesbeamtin Ursula Schnettler war es gelungen, die erforderlichen Unterlagen innerhalb von wenigen Stunden zu organisieren. Andernfalls wäre die Trauung nicht möglich gewesen. © Klinikum Starnberg

„Auch den richtigen Trost zu spenden oder gemeinsames Schweigen schätzen die Patienten in solchen Momenten sehr“, weiß Kunte, die in ihrem Beruf tagtäglich mit dem Tod konfrontiert ist. Aber: „Wir bekommen so viel Dankbarkeit und Zuspruch von den Patienten und Angehörigen zurück. Das gibt uns Kraft, unseren Beruf weiterhin mit ganzem Herzen auszuüben“, erzählt Kunte mit warm glänzenden Augen.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Palliativteams sei es, genau zu beobachten, was die Patienten am Ende des Lebens brauchen oder sich wünschen. So wie bei Susanne Bischof: zu heiraten.

Die Standesämter arbeiteten sehr schnell

„Es ging alles sehr schnell“, erinnert sich Christoph Formberg. Der Leitende Arzt der Palliativstation, Dr. Wolfgang Schweiger, habe mit seiner Erfahrung gespürt, „dass wir nicht viel Zeit hatten“. Schweiger rief am 14. Juli vormittags beim Standesamt in Starnberg an und schilderte die Situation. Standesbeamtin Ursula Schnettler sagte nicht nur sofort zu, sondern schaffte es auch, alle notwendigen Unterlagen aus dem Rheinland rechtzeitig zur kurzfristig geplanten Hochzeit zu bekommen.

Um 16.30 Uhr war es dann soweit: Die Hochzeit im Aufenthaltsraum der Palliativstation wurde zelebriert – mit Christina Kunte als Trauzeugin. Natürlich stellte die Station auch Blumen für Braut und Bräutigam sowie Sekt zum Anstoßen bereit. Nur sieben Stunden nach der Hochzeit schlief Susanne Bischof friedlich ein. „Einen schöneren Tod kann man sich nicht vorstellen“, betont Christoph Formberg erneut.

„Unter einer Hochzeit stellt man sich ja etwas ganz anderes vor“, sagt Christina Kunte. Überall auf der Welt würden junge Mädchen von einem großen Fest und einem schönen weißen Kleid träumen. Und doch sei es auch für sie selbst ein wunderschöner Moment gewesen, „weil wir Susanne Bischofs sehnlichsten Wunsch erfüllen konnten“. Und weil das Brautpaar ihr und dem ganzen Team der Palliativstation das Vertrauen geschenkt hatten, diese Hochzeit gemeinsam zu feiern.

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