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4 Ideen, wie man die Probleme der Kahlaer Tafel lösen könnte

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Die einen äußern Vorwürfe, die anderen finden „Deutsche zuerst“ richtig. Wir haben uns Möglichkeiten überlegt, die Situation zu entschärfen.

Eigentlich fühlt sich die Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland willkommen, das hat eine Umfrage ergeben. Doch diese schöne Entwicklung wird gerade von einer anderen Nachricht überschattet. In der Tafel in Kahla werden wohl erst deutsche Bedürftige bedient, dann die anderen, darunter auch Geflüchtete aus der Ukraine. So lautet die Meldung, die viele Menschen bewegt.

Die einen finden das gut. „Wir sind hier in Deutschland und da müssen die Deutschen auch zuerst versorgt werden“, so zitiert der MDR eine deutsche Kundin der Tafel. Andere sind empört, äußern Vorwürfe wegen Diskriminierung und ziehen Parallelen zwischen der Selektion in der karitativen Essensausgabe und dem Wahlerfolg der AfD in Thüringen, besonders auf Twitter.

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Diskriminierung oder „unfassbar arrogant“?

Es gibt aber auch Stimmen, die mit möglichem Fehlverhalten der Ukrainer argumentieren. Eine Twitter-Userin findet es richtig, die Bedürftigkeit der ausländischen Tafel-Kundschaft zu hinterfragen. Sie berichtet davon, dass das Konzept der Tafel in der Ukraine nicht bekannt sei und von einer Frau, die bei ihr gewohnt habe, falsch verstanden worden sei.

So etwas spreche sich dann schnell herum, was eventuell zu einem kollektiven Missverständnis geführt hätte. So seien ihrer Erfahrung auch nicht bedürftige Ukrainer zu der Tafel gegangen. „Es hat nichts mit Rassismus zu tun, wenn Mitarbeiter, die das seit Jahren machen, eine prekäre Veränderung bemerken und ihre angestammte Klientel, die bitterarm ist, davor zu schützen versuchen, nun nicht zu kurz zu kommen.“ schreibt sie. Im Gegenteil: Dass Menschen, die noch nie eine Tafel von innen gesehen haben, nun von Rassismus sprechen, findet sie „unfassbar arrogant“.

Was besser gemacht werden könnte

Viele Tafeln in Deutschland sind überlastet. Einerseits weil es an Personal mangelt, andererseits fehlt es an Lebensmitteln, da die Spenden immer weniger werden. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Bedürftigen. Es gibt aber Punkte, an denen man ansetzen könnte, um solche Situationen wie in der Kahlaer Tafel zu vermeiden. BuzzFeed News Deutschland hat vier Ideen gesammelt:

1. Containern legalisieren

Während es den Tafeln und auch Einzelpersonen an Lebensmitteln fehlt, schmeißen viele andere noch Essbares weg. Wer jedoch loszieht, um Lebensmittel aus Müllcontainern zu fischen (auch bekannt als „Containern“), beispielsweise von Supermärkten, macht sich strafbar. Denn nach dem deutschen Abfallrecht gehören die Lebensmittel im Container bis zur Abholung, der Person oder Struktur, die weggeworfen hat.

Wer sich also an den Lebensmittelabfällen von Supermärkten bedient, begeht eigentlich Diebstahl und Hausfriedensbruch, selbst wenn dahinter keine kriminelle Absicht steht. Im Jahr 2019 gab es Bemühungen der Grünen, das Containern zu legalisieren. Das wurde aber von der Mehrheit der CDU-geführten Bundesländer abgelehnt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), setzt sich jetzt wieder dafür ein, dass das Containern von Lebensmitteln straffrei bleibt.

2. Zivildienst wieder einführen und Sozialkompetenzen fördern

Überall mangelt es an Mitarbeitenden, nicht nur bei der Tafel. Um solche karitativen Einrichtungen bei ihrer Arbeit zu unterstützen, braucht es aber keine jahrelang ausgebildeten Mitarbeitende, sondern einfach nur helfende Hände. Die könnte man durch die erneute Einführung des Zivildienstes, ein verpflichtendes soziales Jahr nach Schulabschluss, das es bis 2011 alternativ zum Wehrdienst gab, gewinnen.

Auch in kleinerem Rahmen wäre das möglich, beispielsweise indem ein freiwilliges soziales Jahr besser beworben wird oder durch verpflichtende Schulpraktika im sozialen Bereich, in der Tafel oder auch in der Pflege, wo Mitarbeitende über schlimme Bedingungen berichten. Somit würden Berufe und karitatives Engagement mehr Sichtbarkeit bekommen und Sozialkompetenzen gefördert.

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3. Kulturvermittler beschäftigen

Bereits vergangenes Jahr berichtete der MDR, dass sich Ukrainer:innen „unsensibel“ in einer Tafel in Thüringen verhalten hätten. So hätten sie den Einkauf bei der Tafel, der wenige Euro kostet, mit einem Hundert-Euro-Schein bezahlt. Eine Mitarbeiterin berichtete: „Wir werden hier fast täglich angepöbelt, weil jemandem irgendetwas nicht passt“. Mit syrischen Geflüchteten habe man so etwas nicht erlebt. Marco Modrow, der Leiter der Weimarer Tafel, erklärte, dass das möglicherweise daran liegen könnte, dass den Ukrainer das System nicht bekannt sei. Außerdem seien sie europäische Standards gewohnt, Syrer nicht.

So eine Situation zeigt, was passieren kann, wenn keine Aufklärung stattfindet. Es bräuchte vielleicht Kulturvermittler:innen, die sowohl die Tafel-Mitarbeitende sensibilisieren, als auch die Geflüchteten, andernfalls könnte die Abneigung gegen Geflüchtete zunehmen. Denn: Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen, sei es aus politischen Gründen oder wegen der Klimakrise. Es kann also nur hilfreich sein, wenn sich alle bestmöglich darauf vorbereiten und einen sensiblen Umgang miteinander pflegen.

4. Anreize für gute Initiativen schaffen

Die Tafel richtet sich konkret an Bedürftige, Obdachlose und Menschen, die am Existenzminimum leben. Trotzdem bleiben dann noch viele übrig, die es schwer haben. Besonders, wenn inflationsbedingt die Lebensmittelpreise steigen. Neben der Tafel gibt es aber noch andere gute Konzepte, die sich vielleicht noch nicht herumgesprochen haben. Beispielsweise Apps für das Smartphone, über die Kunden bei Restaurantbetreibern und Lebensmittelgeschäften Ware wie Bio-Obst, das wegen „Schönheitsfehlern“ nicht verkauft werden kann, zu einem Bruchteil des Preises erwerben können. Auch viele Bäckereien verkaufen ab 17 Uhr frische Ware zum halben Preis.

Auch ein asiatisches Restaurant in Niedersachsen hat sich auf eigene Faust eine umstrittene Strategie überlegt, um Menschen zu weniger Lebensmittelverschwendung zu bringen. Aber vielleicht wäre es an der Zeit, über neue systematische Anreize nachzudenken, die die Politik schaffen kann, um gastronomische Betriebe und die Lebensmittelindustrie zu weiteren guten Ideen zu motivieren.

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