Daimler-Chef: Europa ist „auf einer Reihe von Holzwegen“ unterwegs
Die EU-Kommission wendet hohe Summen an Steuergeldern auf, um Europa strategisch unabhängig zu machen. Das ist laut Daimler Truck-Chef Martin Daum der falsche Weg.
Stuttgart - Die Weltwirtschaft profitiert seit jeher im großen Stil von der Globalisierung. Deutsche Weltkonzerne wie Mercedes-Benz, Daimler Truck oder Bosch haben Standorte weltweit und produzieren in zahlreichen Ländern. Aufgrund der aktuellen weltwirtschaftlichen Krise strebt die EU-Kommission allerdings eine strategische Autarkie an, um unabhängig von Risikofaktoren wie russischem Öl oder Halbleiterchips aus China zu werden. Dafür werden hohe Summen an Steuergeldern aufgewendet, um Unternehmen zur Ansiedlung in Europa zu überzeugen.
Die deutsche Industrie hatte zunächst aufgrund der Corona-Pandemie und direkt anschließend durch die Folgen des Ukraine-Krieges mit Lieferengpässen zu kämpfen. Um solche Szenarien zukünftig zu verhindern, sollen Zukunftstechnologien und Komponenten wieder in Europa produziert werden. Laut Martin Daum, CEO des Nutzfahrzeugherstellers Daimler Truck, ist dies der falsche Weg. „Wir sind in Europa auf einer Reihe von Holzwegen unterwegs“, machte er im Interview mit Focus Online deutlich. „Eine strategische Autarkie ist niemals erreichbar, denn es fehlen uns dafür die Rohstoffe.“
Daimler Truck-Chef sieht „wenig Sinn“ in wirtschaftlicher Unabhängigkeit Deutschlands oder Europas
Obwohl das von der EU beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035 vorrangig für Pkw gilt, befindet sich auch Daimler Truck in einem Transformationsprozess. Der Nutzfahrzeughersteller mit Hauptsitz in Leinfelden-Echterdingen (Baden-Württemberg) fährt dabei eine Doppelstrategie und setzt sowohl auf Wasserstoff, als auch auf die E-Mobilität. Folglich benötigt auch Daimler Truck eine große Menge an Halbleiterkomponenten, eine durch Steuergelder finanzierte Ansiedlung von Chipkonzernen in Ostdeutschland sieht der CEO dennoch als falsch an. „Bei den Steuermilliarden für die Chipkonzerne handelt es sich um einen Vorgriff auf die Steuereinnahmen der Zukunft“, sagte Martin Daum. „Ist das noch seriös? Ich habe da meine Zweifel.“
Name | Daimler Truck AG |
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Gründung | 12. April 2021 (nach Aufspaltung der Daimler AG) |
Hauptsitz | Stuttgart/Leinfelden-Echterdingen (Hauptverwaltung) |
Leitung | Martin Daum, CEO |
Branche | Nutzfahrzeuge, Busse |
Mitarbeiter | 104.729 (2022) |
Umsatz | 50,9 Milliarden Euro (2022) |
Doch auch unabhängig von den wichtigen Halbleiterkomponenten, die vorrangig aus China und Taiwan stammen, ist eine globale Wirtschaft für Konzerne wie Daimler Truck Voraussetzung. „Wir bauen beispielsweise in Südafrika Motorblöcke für unsere Trucks, weil das Land über große Eisenerzvorkommen verfügt“, erklärt Martin Daum im Gespräch mit Focus Online. „Dann kommen die Motorblöcke zur Weiterverarbeitung nach Mannheim und werden dann in Detroit in den Lkw eingebaut.“ Das Unternehmen betreibe eine weltweite Arbeitsteilung. „Deshalb macht das politische Handeln in nationalen oder kontinentalen Kategorien nur wenig Sinn.“
Daimler Truck will in Baden-Württemberg in Brennstoffzelle investieren – doch Bürokratie bremst aus
Das gilt natürlich nicht nur für Daimler Truck, sondern auch für alle anderen global agierenden Unternehmen. Porsche hat beispielsweise mit der Produktion von E-Fuel in Chile begonnen, da die Bedingungen zur Herstellung der synthetischen Kraftstoffe dort optimal sind und Mercedes-Benz hat eine Batteriefabrik nahe des SUV-Hauptwerks in Tuscaloosa (USA) eröffnet. Bei der Investition in Europa haben die Unternehmen laut Daum nach wie vor mit Hindernissen zu kämpfen. „Die Amerikaner subventionieren die Ansiedlung von Unternehmen, wir in Europa subventionieren den Konsum“, erklärte er in Bezug auf die Förderung der E-Mobilität. „Unseren Ansatz halte ich für falsch.“

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte jüngst die Regierung kritisiert, da sie laut ihm in Bezug auf die E-Mobilität deutlich zu langsam agiert. „Wenn wir eine Fabrik zur Herstellung von Brennstoffzellen errichten wollen, durchläuft man einen ungemein schwierigen Genehmigungsprozess, dessen Ausgang angesichts der vielen Einspruchsmöglichkeiten unkalkulierbar ist“, sagte Daimler Truck-Chef Daum. „Das hemmt die wirtschaftliche Entwicklung.“ Der Nutzfahrzeughersteller plant laut dem CEO Investitionen im Bereich Brennstoffzelle in Baden-Württemberg, wird jedoch durch Bürokratie ausgebremst. „Wir brauchen eine umfassende Entbürokratisierung und gleichzeitig eine hundertprozentige Unterstützung bei Innovationen“, forderte Daum.