Eintracht fehlt am Ende die Kraft
Ihr eigentliches Ziel hatte die ausgedünnte Frankfurter Reisegesellschaft schon erreicht, bevor ihr Bus am Sonntagnachmittag vor der Fußball-Arena an der Autobahn A 6 parkte.
Ihr eigentliches Ziel hatte die ausgedünnte Frankfurter Reisegesellschaft schon erreicht, bevor ihr Bus am Sonntagnachmittag vor der Fußball-Arena an der Autobahn A 6 parkte. Die Fast-Absteiger des vorigen Jahres haben den Klassenerhalt in der Bundesliga endgültig sicher, drei Spieltage vor dem Saisonende: Das war für die Frankfurter Eintracht die beste Nachricht dieses Wochenendes, auch wenn das fast unterging in dem ganzen Pokal-Rausch und den noch immer erlaubten zarten Europa-Träumen. Und das schafften sie am Ende nebenbei und ohne eigenes Zutun, weil die Sorgenkinder der ersten Klasse patzten und das Polster nun groß genug ist, ungeachtet der unglücklichen 0:1 (0:0)-Niederlage bei 1899 Hoffenheim.
Glück im Pokalspiel, Pech in der Liga – auch Trainer Niko Kovac hatte eher die Dramatik der jüngsten Tage im Kopf als die Bilanz eines fast ganzen Jahres, als er nach dem späten Niederschlag sagte: „Wir fahren trotzdem erhobenen Hauptes nach Hause.“ Und anfügte: „Die Woche war für uns gut, und jetzt werden wir uns vorbereiten auf die letzten drei Spiele, plus das eine letzte, am 27. Mai.“ Dann wird im Berliner Olympiastadion das Finale im DFB-Pokal ausgetragen, und dass es Stammgast Borussia Dortmund dort mit Kovacs Eintracht zu tun bekommt, ist ja eine Sensation für sich.
Die Strapazen auf dem Weg dorthin, die kräfte- und nervenzehrende Halbfinal-Etappe mitsamt Verlängerung und Elfmeterschießen am Dienstagabend zuvor waren den Frankfurtern beim nächsten Pflichttermin natürlich anzumerken. Im nahen Kraichgau war der Frankfurter Tross praktisch auf der Felge angekommen. Viele Kräfte hatte die Eintracht in Mönchengladbach verbraucht, ihr Glück auch: Ein Kopfballtreffer in der 90. Minute brachte sie bei den Hoffenheimern um einen verdienten Punkt, und dass dafür auch noch Benjamin Hübner verantwortlich war, der Sohn des Frankfurter Sportdirektors, Bruno Hübner, war bei dieser Schlusspointe obendrein pikant.
Sei’s drum: Die Eintracht trug es tapfer. Kovac sprach seiner Mannschaft zu Recht ein „großes Kompliment“ aus für die Art und Weise, wie sie noch einmal über die Grenzen ging. Trotz der Müdigkeit, trotz der Personalprobleme: fast eine ganze Mannschaft fehlte verletzt.
Auf Augenhöhe
Für Makoto Hasebe, Jesus Vallejo und Marius Wolf ist die Saison schon vorbei. Auf Alexander Meier (Fersenentzündung), Omar Mascarell (Achillessehnenentzündung), Taleb Tawatha (Sprunggelenksverletzung) und Andersson Ordonez (Knieprobleme) darf Kovac im Endspurt immerhin noch hoffen. Mijat Gacinovic (muskuläre Probleme) wurde sicherheitshalber ganz geschont, Branimir Hrgota und Ante Rebic waren vom Pokal-Drama so geschlaucht, dass sie bis kurz vor Schluss auf der Bank saßen.
„Die Aufstellung war schon eine Herausforderung. Zum Glück bin ich im Tor geblieben und musste nicht Stürmer spielen“, witzelte Schlussmann Lukas Hradecky über diese Not, aus der die Frankfurter mit geschickter Taktik, Kampfgeist und Willenskraft eine Tugend machten: Sie traten so defensiv wie selten auf, gestatteten den spielstarken Hoffenheimer praktisch keine Chance, bewegten sich mit ihrer Rumpftruppe auf Augenhöhe mit einem angehenden Champions-League-Teilnehmer – und waren letztlich doch die Geschlagenen. „Es gibt nicht viel zu analysieren“, meinte Hradecky. „Wir haben leider das letzte Duell verloren. Jetzt geht es weiter.“
Marco Russ fehlten am Ende Kraft und Konzentration, um Hübner aufzuhalten. Einen Vorwurf machte ihm keiner – dass der Verteidiger nicht einmal ein Jahr nach seiner Krebsdiagnose so lange durchhielt, ist bemerkenswert genug, ebenso wie das gleichfalls unerwartet frühe und starke Comeback von Marc Stendera aus der Not heraus. Eigentlich auch kaum zu glauben, dass die Eintracht in dieser Saison wirklich nichts mit dem Abstieg zu tun hatte, obwohl sie als Fast-Absteiger ganz unten begann, obwohl sie die schlechteste Rückrundenmannschaft stellt. Und dass sie sogar noch immer europäische Aussichten hat, trotz der ewigen Durststrecke, trotz der Niederlage in Hoffenheim.
Einen Spagat bewältigen
Der Fokus liegt gewiss auf dem Pokal, der großen Bühne Berlin, aber bis dahin gilt es auch, einen Spagat zu bewältigen, die letzten Kräfte richtig einzuteilen. In der Bundesliga steht ebenfalls noch viel auf dem Spiel, Millionen an Fernsehgeldern, über etwaige Europa-Reisen – satte Boni, nachdem alle Erwartungen bereits übertroffen sind. Die Chancen darauf standen schon besser, zwei Siege aus den letzten drei Spielen gegen Wolfsburg und Leipzig sowie zwischendrin in Mainz müssen für Europa jetzt wohl her.
Mit spektakulären Schlussakten indes kennt sich die Eintracht aus, und diesmal ist der Dauerstress ja auch von positiver Art. „Wir haben noch ein großes Spiel vor uns, aber können uns auch über die Liga noch für Europa qualifizieren“, betonte Lukas Hradecky. „Und solange das möglich ist, geben wir nicht auf.“ Am nötigen Willen wird es nicht scheitern.