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Timothy Chandler ist der Matchwinner bei Eintracht Frankfurt

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Ronaldo oder doch Timothy Chandler? Der Frankfurter Flügelmann köpft den Siegtreffer.
Ronaldo oder doch Timothy Chandler? Der Frankfurter Flügelmann köpft den Siegtreffer. © Jan Huebner/Voelker

Ein Rechtsverteidiger auf Abwegen: Timothy Chandler spielt im neuen System von Eintracht Frankfurt am Flügel deutlich offensiver und entscheidet per Kopf ein wegweisendes Spiel bei der TSG Hoffenheim.

Mijat Gacinovic ist einer, der ziemlich viel Fußball guckt, englische, spanische, italienische Liga, und deshalb fühlte sich der an diesem Samstag in Hoffenheim starke offensive Mittelfeldspieler Mitte der zweiten Halbzeit plötzlich an eine Szene erinnert, die er vor kurzem bei einem Spiel der Serie A gesehen hat, im Spiel Sampdoria Genua gegen Juventus Turin. Cristiano Ronaldo hatte da ein Kopfball-Tor erzielt, haushoch stand der portugiesische Weltklassestürmer in der Luft, gefühlt für einige Sekunden, und köpfte eine Flanke aus halbrechter Position perfekt ins Tor. Ein wunderschöner Treffer des Ausnahmespielers.

Und genau an dieses Tor fühlte sich der schmächtige Serbe, der neuerdings eine Zahnspange trägt, erinnert. Im ersten Moment, sagte er dann in den Katakomben im Kraichgau, habe er nicht mitbekommen, wer den Frankfurter Siegtreffer zum 2:1 erzielt habe, „ich wusste nicht, ob es Ronaldo war oder Timmy. Was für ein Sprung!“ Tatsächlich war es praktisch eine Kopie des Ronaldo-Treffers Mitte Dezember: Filip Kostic hatte auf links eine scharfe Flanke in den Strafraum gebogen, Timothy Chandler, der neue Rechtsaußen, kam angesprintet, übersprang den überrascht wirkenden Hoffenheimer Verteidiger Konstantinos Stafylidis und köpfte die Kugel ins lange Eck. „Mir ist der Ball gut auf den Kopf gefallen“, grinste Chandler. Das stimmte natürlich nicht. Der 29-Jährige, mit Marco Russ dienstältester Spieler bei Eintracht Frankfurt, musste ordentlich hochspringen und den richtigen Zeitpunkt abwarten, musste den Ball platzieren. Überrascht, dass er das alles konnte, waren eigentlich alle, selbst sein Trainer: „Vielleicht hat er Federn eingebaut im Schuh“, sagte Adi Hütter.

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Dazu ist Chandler, der im Alter von elf Jahren zu den Hessen kam, nicht bekannt dafür, besonders viele Kopfballtore zu erzielen. Der Treffer in Sinsheim war erst sein zweiter per Kopf, den ersten erzielte er kurioserweise auch gegen die TSG Hoffenheim, seinerzeit im Mai 2015 beim 3:1-Sieg im heimischen Stadion, damals spielten noch Kevin Volland, Roberto Firmino oder der heutige Frankfurter Kapitän, David Abraham, bei der TSG. In 202 Bundesligaspielen waren dem US-amerikanischen Nationalspieler ohnehin lediglich acht Tore vergönnt gewesen.

Der gelernte Außenverteidiger Chandler, so viel steht fest, ist in der Tat einer der Gewinner der kurzen Vorbereitung inklusive der Systemumstellung auf eine Viererkette. Chandler, der defensiv so vielseitig verwendbar ist, schon Innenverteidiger, linker und rechter Verteidiger gespielt hat, hat eine wichtige Rolle in der neuen taktischen Ausrichtung inne. Hütter hat ihn deutlich offensiver auf der rechten Außenbahn positioniert, vor Rechtsverteidiger Almamy Touré. Diese Personalie mit einem stärker nach vorne auf rechts ausgerichteten Chandler war jetzt nicht direkt zu erwarten gewesen, im Trainingscamp in den USA agierte er etwa im Testspiel gegen Hertha BSC (1:2) noch auf der linken Seite, pikanterweise erzielte er auch dort ein Tor, allerdings mit dem Fuß. „Der Trainer sagte zu mir, ich sei gut drauf“, sagte Chandler, deshalb habe er den Vorzug etwa vor Danny da Costa erhalten. Hütter bestätigte das: „Timmy hat sehr gut trainiert.“

Der Deutsch-Amerikaner war in Sinsheim sicher nicht der alle überragende Mann auf dem Platz, er hatte etwa lediglich 25 Ballkontakte, aber er war einer der spielentscheidenden Akteure. Denn er markierte nicht nur den Siegtreffer (62.), sondern hatte auch bei der Entstehung des frühen 1:0 (18.) durch Bas Dost seine Füße im Spiel. Er nämlich luchste mit langem Bein dem neuen Hoffenheimer Spielführer Benjamin Hübner an der Mittellinie den Ball ab, Djibril Sow passte den gewonnenen Ball auf Touré, der wiederum Gacinovic auf die Reise schickte. Dessen kluger Querpass presste der lange Niederländer sehr clever ins Tor. „Wenn ich auf dem Platz bin, haue ich alles rein. Und ich habe gerade viel reinzuhauen, weil ich viel Kraft habe“, sagte Chandler zu seiner Leistung.

Zuletzt habe er kein Training verpasst, er ist schmerzfrei, fühlt sich fit. „Fußball macht mit einfach wieder Spaß“, erzählte Chandler, der in laufenden Saison bislang auf 15 Pflichtspieleinsätze gekommen war, die wenigsten über volle 90 Minuten.

Den Treffer haben ihm, der Stimmungskanone in der Kabine, alle von Herzen gegönnt. „Wahnsinn“, sei das, sagte Torwart Kevin Trapp. „Für Timmy ist das auch etwas Besonderes heute, weil er eine schwere Phase hinter sich hat.“ Das kann man so sagen: Chandler hat die komplette vergangene Saison verpasst, also auch die beeindruckenden Auftritte auf internationaler Bühne. Im August 2018 hatte sich der 29-Jährige in Augsburg einer Operation am rechten Knie wegen eines Knorpelschadens unterziehen müssen, erst am Ende, ausgerechnet bei der hochnotpeinlichen 1:6-Klatsche in Leverkusen im Mai 2019, spielte er erstmals wieder ein paar Minuten. Die Knie sind beim schnellen Chandler öfter mal betroffen, allein dreimal musste er wegen Problemen mit Meniskus oder Außenmeniskus unters Messer.

Diese dunklen Zeiten sind nun vorbei. Timothy Chandler ist zurück, hat sich für Erste festgespielt vorne auf dem rechten Flügel. Gefragt, was er denn lieber spiele, sagte er in typischer Timothy-Chandler-Manier: „Ob Rechtsverteidiger oder Rechtsaußen - das ist jetzt nicht viel anders.“

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