Konnten das Eintracht-Spiel bislang nicht prägen: Dominik Kohr (links) und Erik Durm.
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Konnten das Eintracht-Spiel bislang nicht prägen: Dominik Kohr (links) und Erik Durm.

Eintracht Frankfurt

Eintracht Frankfurt hat zu wenig Qualität im Kader

  • Ingo Durstewitz
    VonIngo Durstewitz
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Eintracht Frankfurts Kader wirkt irgendwie noch immer halbfertig. Gerade in der Abwehr und im Sturm besteht Handlungsbedarf.

Frankfurt - Auch im Staate Eintracht will die kurze Ferienzeit gut genutzt werden, um die Energiespeicher wieder aufzuladen und mit geistiger Unbeschwertheit an die bevorstehenden Aufgaben gehen zu können. Die werden knifflig genug, weil die Hinrunde gerade im letzten Drittel doch arg verhunzt war. Daher sind die Frankfurter Fußballer und die Verantwortlichen nach einem ereignisreichen und strapaziösem Jahr 2019 in alle Himmelsrichtungen ausgeschwärmt: Trainer Adi Hütter urlaubt mit der Familie zu Hause in Salzburg, die zuletzt eher glücklosen Stürmer André Silva und Goncalo Paciencia in ihrer portugiesischen Heimat und den von einer schweren Schulterverletzung weitgehend genesenen Torwart Kevin Trapp hat es mit seiner Verlobten auf die Karibikinsel St. Barth verschlagen, wo es sich der 29-Jährige nicht nehmen ließ, via Instagram sonnige Grüße hinaus in die Welt zu posten: Der gestählte Keeper balanciert seine Liebste Izabel Goulart am Strand gekonnt auf seinen Füßen, was in einer gewagten Hebefigur im Bikini gipfelt. Wer kann, der kann.

Fredi Bobic, der Sportvorstand, hat sich unmittelbar nach dem fast schon erwartungsgemäß verpatzten Saisonausklang in Paderborn auf den Weg in die Vereinigten Staaten gemacht. Der 48-Jährige ist ein ausgewiesener USA-Fan, und da trifft es sich ja ganz gut, dass die Mannschaft bald nachkommen wird. Ab 2. Januar schlägt die Eintracht-Abordnung für acht Tage ihr Quartier in Florida auf. Eine Woche später geht es schon in der Bundesliga weiter, dann reisen die Hessen zum Auftakt nach Hoffenheim.

Eintracht Frankfurt: Trainingslager in den USA in der Kritik

Gerade ob dieser kurzen Zeitspanne und den vielen Widrigkeiten (Jetlag, Zeitverschiebung, Reisestrapazen, Klimawechsel) wird der Trip über den Atlantik von vielen Menschen sehr wohl mit einigem Argwohn betrachtet. Bereits im vergangenen Jahr war die Florida-Reise ein heiß diskutiertes Thema, obwohl Eintracht Frankfurt damals neun Punkte mehr als heute hatte, von Platz sechs grüßte und sogar das erste Spiel nach der Winterpause mit 3:1 gegen den SC Freiburg gewann. Doch die Darbietung war mitnichten so kraftvoll und brachial wie sonst. „Man hat gesehen, dass wir nicht so frisch waren. Wir müssen uns gut erholen, denn wir müssen Power haben, um unser Spiel so durchzuziehen, wie wir es sonst machen“, urteilte Dauerläufer Gelson Fernandes. Mitspieler Danny da Costa gab zu bedenken: „Manche haben noch nicht den richtigen Schlafrhythmus, vielleicht fehlen dadurch ein paar Prozentpunkte.“

Eintracht Frankfurt ist weniger entwicklungsfähig

Nur Fredi Bobic wischte alle Zweifel weg. „Das sind Hochleistungssportler, die stecken so was weg“, argumentierte er. „Es gibt so viele Menschen, die von rechts nach links fliegen müssen. Fragen Sie mal Tennisspieler.“ Man muss wissen: Bobic ist der Initiator des Trainingslagers in den Staaten.

Das Vertrackte in diesem Jahr ist freilich die angespannte Tabellensituation: Die Eintracht liegt nach einer eklatanten Schwächeperiode zuletzt nur noch drei Punkte vor dem Relegationsplatz und hat ein saftiges Programm zu Beginn vor der Brust: Nach der Partie gegen Hoffenheim geht es zweimal gegen Herbstmeister RB Leipzig, einmal in der Liga am 25. Januar und dann am 4. Februar im DFB-Pokal-Achtelfinale, zwischendrin muss sie am 1. Februar nach Düsseldorf zur Fortuna. Da hat man nicht viel Zeit, um sich an die Liga heranzutasten, sondern muss gleich voll da sein.

Besonders viele Möglichkeiten, um nachzujustieren, bleiben Trainer Hütter nicht, er wird so viel Zeit wie möglich auf dem Trainingsplatz verbringen. „Wir können endlich mal wieder im technisch-taktischen Bereich arbeiten“, sagt er. Spezifisches Training fiel durch die vielen Spiele ja quasi weg. Der Fußballlehrer ist der festen Überzeugung, die Kurve auch mit dem aktuellen Aufgebot schaffen zu können. „Der Kader hat gezeigt, dass er, wenn alle in Form und fit sind, stark genug ist, um auch auf drei Hochzeiten tanzen zu können.“ Was erst noch zu beweisen wäre.

Eintracht Frankfurt auf der Suche nach Verstärkungen

Dennoch sieht sich die Eintracht auf dem Markt um, gerade in der Abwehr und im Sturm sieht sie Handlungsbedarf. Auch im Mittelfeld wäre eine Auffrischung eigentlich nötig. Denn die bisherigen Zugänge haben nicht wie gewünscht funktioniert. In den letzten Spielen schafften es meistens nur zwei neue Akteure in die Startformation, fast alle bleiben hinter den Erwartungen zurück, einerlei, ob es die Stürmer Bas Dost oder André Silva sind, der Backup Erik Durm oder die für jeweils zehn Millionen geholten Dominik Kohr und Djibril Sow. Die, die ihre Leistung gebracht haben, sind die, die schon länger da sind (Filip Kostic, Paciencia, mit Abstrichen Makoto Hasebe) oder zurückgeholt wurden (Sebastian Rode, Trapp, Martin Hinteregger) – der aus Belgien wiedergekehrte Daichi Kamada fiel den Verantwortlichen quasi in den Schoß.

Auffällig ist, dass die Eintracht ihre Strategie geändert, Substanz aufgebaut und Profis langfristig gebunden hat; in der Breite ist das Team aufgepumpt worden, aber in der Spitze eben nicht. Es ist zu viel Masse und zu wenig Klasse gekauft worden.

Überraschenderweise sind auch eher gestandene, deutschsprachige Spieler verpflichtet worden, Akteure wie Kohr, Durm oder Dost. Und weniger Spieler aus anderen Märkten, in denen sich Chefscout und Kaderplaner Ben Manga bestens auskennt, Fußballer, die jung und noch lange nicht fertig sind und die sich, bei entsprechender Entwicklung, für viel Geld weiter verkaufen lassen. Aus dieser Kategorie ist im Sommer im Grunde nur der 20 Jahre alte Dejan Joveljic gekauft worden – doch der Serbe kommt so gut wie gar nicht zum Zug.

Bisher stimmt die Mischung nicht, der Kader wirkt irgendwie unausgegoren, heterogen, nur halbfertig. Ob das im Winter behoben werden kann, bleibt zumindest zweifelhaft.

Durch den prominenten Mailänder Zugang Zlatan Ibrahimovic ist zuletzt nochmal Bewegung in die Causa Ante Rebic gekommen. Besteht eine Chance, den Stürmer zurück an den Main zu lotsen? Allerdings könnte der Kroate nun auch erst recht in Italien bleiben.

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