Frusttrinken bei Maria?
Heute Abend versucht die Mannschaft von Trainer Armin Veh, ihre klitzekleine Außenseiterchance gegen die Unerreichbaren zu nutzen. In München selbst verfolgen Eintracht-Fans das Geschehen im Waldstadion via TV. Circa 100, die es mit den Farben Rot, Schwarz und Weiß halten, gehören dem EFC Adler München an.
Von Euphorie ist verständlicherweise keine Spur. Zum einen liegt die Eintracht nach der Pokalblamage in Aue auf dem Boden. Zum anderen führt der FC Bayern München die nationale Konkurrenz fast nach Belieben vor. Dies bekam auch der gescheiterte Cuptitelverteidiger Wolfsburg wenig später nach der Frankfurter Pokal-Schmach so richtig zu spüren. Bei dieser schrägen Ausgangslage, das überrascht nicht, herrscht schon ein wenig Fatalismus auch bei den SGE-Sympathisanten aus der bayerischen Landeshauptstadt. Frusttrinken sei daher wohl angesagt. „Man kann nicht ernsthaft davon ausgehen, einen Punkt zu holen“, so der finster-realistische Ausblick von Philipp Hühne.
Der 32-Jährige gehört wie viele weitere Gesinnungsgenossen dem EFC Adler München an. 2006 gründeten ein paar SGE-Anhänger den EFC. Hühne: „Es waren weniger als zehn.“ Inzwischen haben sich etwa 100, kleinere Schwankungen gebe es immer, diesem angeschlossen. Wie bei Hühne war die berufliche Veränderung ausschlaggebend für den Umzug in den Süden der Bundesrepublik. „Ich bin Eintracht-Fan ohne Verirrungen. Zum KSV Hessen hatte ich nie einen Bezug“, sagt der gebürtige Kasseler. „Die Umgebung prägt einen. In unserer Nachbarschaft waren einige Eintracht-Fans.“ In der Schule gab es zwar auch Fußballanhänger, die vor allem der Dortmunder Borussia, dem Schalker FC und den Münchner Bayern die Daumen drückten. In der nordhessischen Provinz, führt er aus, sei die Unterstützung für die SGE ziemlich ausgeprägt. Über den Studiumschlenker Göttingen zog es ihn 2010 nach München, dort ist er in der Kommunikationsbranche tätig.
Und er fand alsbald Kontakt zu den Münchner Adlern. Seit zwei Jahren ist Hühne im EFC-Vorstand, dem auch noch Faisal Boutanach, Maik Eckert und Markus Saam angehören. Treffpunkt der EFCler ist eine kleine, schnuckelige Eckkneipe unweit der Museumsinsel. Sie heißt schlicht „Bei Maria“. Ob sie heute auch hilft, ist zu bezweifeln. Dafür erhalten die SGE-Freunde von der Wirtin aus Bosnien-Herzegowina immerhin Handkäs mit Musik und natürlich Ebbelwei. „Wahrscheinlich der größte Apfelweinverbraucher südlich des Spessarts“ – diese Losung nehmen die hessischen Exilanten aus der bayerischen Metropole gerne in Anspruch.
Wer nicht in der Nordwestkurve die Eintracht unterstützt, wird sich heute bei der Maria einfinden. „An normalen Spieltagen sind immer 40 bis 50 da“, sagt Hühne. Dann heißt es wieder, Hand anzulegen beim Inventar. „Wir müssen die Tische heraustragen“, erklärt Hühne. Um Platz zu schaffen für all die Eintrachtler, die im Stehen das Treiben weiter nördlich verfolgen. Unliebsame Überraschungen seitens von roten oder blauen Münchnern während der SGE-Matches habe es noch nicht gegeben. „Wir achten darauf, nicht so sehr am Rad zu drehen. Wir wollen als Fanclub wahrgenommen werden“ Und nicht als Provokateure. Kontakte zu Fans des FCB und TSV 1860 werden auch nicht gesucht. Was auch durch die sportliche Situation befeuert wird. „Für uns irrelevant, was die Bayern machen. Und die ,60er’ sind einfach so schwach. Außer der Eintracht ist eh alles egal.“
Turnier mit Flüchtlingen
Einige EFCler werden auch vor Ort im Stadtwald sein. „Wir haben einen Dauerkartenpool von zehn. Der harte Kern der Leute, die versuchen, immer die Spiele im Stadion zu sehen, besteht aus ungefähr 40“, sagt Hühne. Für das Rückrundenspiel Anfang April plant der EFC – wie in den vergangenen Jahren – eine besondere Aktion. Es wird eine Tram gemietet – und zu einem Ebbelwei-Express umfunktioniert. „Der Äppler wird aus Frankfurt organisiert. Die Tram schmücken wir dann mit Eintracht-Devotionalien, die Fahrt durch ganz München dauert 2,5 Stunden“, so Hühne. „Wir sind so um die 120, auch Freunde aus dem Rhein-Main-Gebiet sind immer dabei.“
Endstation wird wie zuletzt das Sendlinger Tor sein. Von dort aus geht es mit der U-Bahn weiter bis zur Münchner Arena. Wobei der Pflichtteil gar nicht so beliebt ist. Die Eintracht kassiert ja (fast) immer eine Niederlage. Und die Atmosphäre im Stadion der roten Münchner ähnle laut Hühne derjenigen im Kino. Nichtsdestotrotz wird Flagge gezeigt.
So auch bei zwei Aktionen, die die Münchner Adler in der jüngeren Vergangenheit starteten. „Im Juni haben wir für Flüchtlinge ein Turnier veranstaltet. Wir wollten ihnen einen schönen Tag mit Fußball, Essen und Trinken machen. Trikots haben sie auch erhalten“, sagt Hühne. Etwa 60 Jugendliche aus Konfliktstaaten wurden auf die zehn teilnehmenden Mannschaften verteilt. Auch Fans vom FC Sankt Pauli, Hamburger SV und 1860 beteiligten sich am Adler-München-Cup.
Und 2014, als eine Flutkatastrophe den Balkanstaat Bosnien-Herzegowina heimsuchte, engagierte sich der EFC. Wirtin Maria stammt aus Banja Luka. „Vier Mitglieder, davon zwei aus dem Vorstand, haben Sachspenden dorthin gebracht“, sagt Hühne. Zudem erhielten zwei Einrichtungen jeweils 1000 Euro.
Der Zusammenhalt der Münchner Eintracht-Community kann also weit über den Fußballalltag hinausgehen. „Der Freundeskreis speist sich aus Exil-Hessen“, sagt Hühne. „Die Emotionen sind im Exil noch stärker, intensiver.“ Sonstige Aktivitäten, die nichts mit der Eintracht zu tun haben, stehen auch auf dem Programm. Oder man trifft sich einfach bei Maria auf einen oder mehrere Äppler. „Die meisten aus unserem EFC wohnen in München, es kommen aber auch welche aus dem Umland.“ Je näher der Ursprung der EFC-Mitglieder in Frankfurt liegt, desto größer sei der Wunsch, wieder in die Herkunftsstadt/-region zurückzukehren, weiß Philipp Hühne. Andere wiederum würden in München bleiben wollen. „Viele sind heimisch geworden, haben eine Familie gegründet und sind beruflich integriert“, sagt der Nordhesse Hühne, der selbst noch Single ist.
Jedenfalls hat sich der EFC Adler München vorgenommen, das zehnjährige Jubiläum im nächsten Jahr größer zu feiern. Wahrscheinlich nicht „Bei Maria“ nahe des Isartors, dafür reichen die Kapazitäten nicht aus. „Aber sie wird auf jeden Fall eingebunden“, betont Hühne.