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Ehe sich Eintracht Frankfurt vom Pokal verabschieden muss, kommt Vorstand Hellmann mit ihm zum Redaktionsbesuch

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Die letzten Stationen des DFB-Pokals: Gestern war Eintracht-Vorstand Axel Hellmann (rechts) mit der Trophäe in unserer Redaktion, zur Freude von Geschäftsführer und Chefredakteur Dr. Max Rempel.
Die letzten Stationen des DFB-Pokals: Gestern war Eintracht-Vorstand Axel Hellmann (rechts) mit der Trophäe in unserer Redaktion, zur Freude von Geschäftsführer und Chefredakteur Dr. Max Rempel. © Heike Lyding

Die Eintracht muss den Pokal an den DFB zurückgeben. Am Ende einer langen Reise kam Vorstand Axel Hellmann mit dem Pokal noch einmal zu Besuch in die Redaktion dieser Zeitung und sprach mit Kerstin Schellhaas, Christian Heimrich und Markus Katzenbach über den großen Coup und seine Folgen.

Herr Hellmann, nach acht Monaten muss der DFB-Pokal jetzt an den Deutschen Fußball-Bund zurückgegeben werden. Wie schwer fällt der Abschied?

AXEL HELLMANN: Das ist schon schwerer Trennungsschmerz, den wir auf allen Ebenen fühlen. Ob bei den Fans, unseren Mitarbeitern, Partnern: Der Pokal ist in den letzten Monaten unser liebster Freund geworden. Nicht nur, weil er als goldener Titel strahlt, sondern weil er auch symbolisiert, was alle mit diesem 19. Mai 2018 verbinden. Da ist die sportliche Seite, dass der David Eintracht den Goliath Bayern bezwungen hat, aber darüber hinaus auch die gesamte Kraft, die der Verein ganz besonders rund um das Pokalwochenende entfaltet hat.

Der Pokal ist in Händen von Eintracht Frankfurt viel herumgekommen. Wie viele Kilometer haben Sie mit dem guten Stück hinter sich gebracht?

HELLMANN: Das weiß ich gar nicht. Er war ja auch das eine oder andere Mal in Flugzeugen unterwegs. Aber wenn ich nur die Veranstaltungen zusammenzähle, die ich mit dem Pokal gemacht habe, sind das weit über 70. Da sind große Veranstaltungen dabei wie die Mitgliederversammlung und auch kleine Fan-Runden, wo wir immer mal wieder Förderer im Stillen, die sich an einer Choreo oder an Jugendarbeit beteiligt oder auf andere Weise engagiert haben, die Freude gemacht haben, den Pokal im privaten Rahmen vorbeizubringen. Wichtig ist: Wir haben ihn zu keinem Zeitpunkt irgendwohin verkauft. Wir haben uns nach dem Gewinn vorgenommen, ihn zu den Menschen zu bringen, die uns über einen langen Zeitraum begleiten. Der Pokal war überall. Bei unseren Premium-Partnern genauso wie bei den Ultras. Diese Bandbreite war uns wichtig. Das hat Niko Kovac schon auf dem Römer-Balkon gesagt: ,Das ist das Geschenk der Mannschaft an Euch.’ Das war kein aufgesetzter Marketing-Spruch. Das kam als Gefühl aus der Mannschaft, und das wollten wir alle danach auch so verwirklichen.

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Gab es eine Begegnung, die für Sie besonders beeindruckend war?

HELLMANN: Da gab es mehrere. Da waren gestandene Männer, die den Pokal in Händen hielten, unter Tränen zusammengebrochen sind, und den Tag, an dem sie den Pokal berührten, als den schönsten in ihrem Leben bezeichnet haben. Und da gab es welche, die haben zwei oder drei Kinder. Es gab Menschen, die sich in dieser Stadt bislang als Gäste gefühlt haben und denen dieser Triumph das Gefühl von Heimat gegeben hat. Das hat auch mit einer klaren Verortung des Clubs in Haltungsfragen zu tun. Mit der Diskussion, die Peter Fischer begonnen hat (der Eintracht-Präsident bezog Stellung gegen die AfD, Anmerkung der Redaktion): Fußball ist nicht nur Selbstzweck, sondern erfüllt darüber hinaus auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Beim Autocorso am Tag nach dem Pokalsieg hat man gesehen, wie bunt unsere Stadt ist, mit Menschen aus so vielen Nationen und Kulturen am Straßenrand auf diesem Weg vom Flughafen zum Römer. Dieses Sinnbild ist für mich eigentlich das Herausragendste gewesen nach dem Pokalsieg. Die Emotionalität, die mit dem Pokal verbunden ist, habe ich in dieser Form noch nie bei irgendetwas anderem erlebt.

Hat der Verein an diesem Pokal-Wochenende zum ersten Mal seine ganze Wucht gespürt?

HELLMANN: Ja, das würde ich genauso sagen. Über Jahrzehnte haben alle gesagt, die Eintracht ist ein schlafender Riese. Aber was bedeutet das? Wir haben viel ökonomisches Potenzial in der Region, das wir in den letzten Jahren auch viel stärker gehoben haben. Wir haben sportlich mehr geschafft – nicht erst mit dem Pokalsieg – durch harte Arbeit auf dem Platz und außerhalb. Aber die richtige Wucht offenbart sich doch in der großen Zahl begeisterter Fans, die wir in dieser Region mobilisiert haben. Und dass Leidenschaft der wesentliche Antrieb ist. Der eigentliche Grund, warum wir das alle machen, ist doch, den Menschen mit dem sportlichen Erfolg wieder das Gefühl von Würde, Stolz und Begeisterung zu geben. Das hat der Pokalsieg freigesetzt. Und: Die Menschen haben den Glauben gewonnen, dass es bei der Eintracht nicht immer nur im Abstiegskampf darum geht, den Kopf über Wasser zu halten, sondern dass man auch etwas gewinnen kann, was golden in den Vitrinen schimmert. Das ist für die Selbstwahrnehmung des Clubs ein ganz entscheidender Schritt gewesen.

Rund um das Pokalfinale haben die Eintracht und ihre Fans auch mit Tradition, Emotion und Verwurzelung in der Region gepunktet. Wie wichtig sind solche weiche Faktoren, wenn man auf globalen Märkten unterwegs ist, vor allem in den USA und China?

HELLMANN: Wir sind keine Marke aus der Champions League, die automatisch in diesen Zielmärkten über die Bildschirme flimmert. Wir wollen über Fußballkooperationen im Ausland wachsen und da müssen wir fachlich gute Arbeit liefern, damit wir nachhaltig etwas bewegen. Hier gilt es kompetente gut ausgebildete Trainer für die konkreten Projekte im Ausland zu finden. Darüber hinaus stehen wir für Internationalität und Weltoffenheit. Wir wollen Brücken bauen. Und auch da spielt Leidenschaft eine ganz große Rolle. Jeder, der die Bilder aus dem Fanblock in Berlin gesehen hat, weiß, was diese Begeisterung ausmacht. Wie sehr sie Menschen verbindet. Das ist ein Teil des Gesamtkunstwerks Eintracht Frankfurt. Deshalb kommen die Leute auch ins Stadion. Ich glaube, dass unser Businessbereich auch nur deshalb ausgelastet ist, weil die Menschen dort emotional mitgenommen werden, eine tolle Atmosphäre erleben. Wir können hier noch stärker daran arbeiten, diese auch ins Ausland zu transportieren.

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Wie wichtig ist es, auch nächstes Jahr wieder im internationalem Wettbewerb vertreten zu sein?

HELLMANN: Die erneute Qualifikation für den internationalen Wettbewerb würde sicher einen weiteren großen Schub bedeuten. Aber das ist ein weiter Weg, bei den Konkurrenten, mit denen man da zu tun hat. Bei Eintracht Frankfurt gibt es kein Muss, internationalen Fußball zu spielen. Alle unsere Planungen gehen von einem Bundesligamittelplatz aus. Wir sind ambitioniert, aber auch Realisten. Alles, was wir finanziell zusätzlich einspielen, geht in die Mannschaft. Wenn wir uns wieder international qualifizieren, wird das auch so sein.

Die Eintracht hat drei aufregende Mai-Monate hinter sich: 2016 die Relegation in Nürnberg, am Abgrund zur Zweiten Liga, dann zwei Mal das Pokalfinale in Berlin. Hätten Sie damals in Nürnberg eine solche Entwicklung in so kurzer Zeit erwartet?

HELLMANN: Das war für niemanden so zu erwarten. Wir sind selbst so ein bisschen im Orkan. Vielleicht so wie im Auge des Orkans, wo es relativ ruhig ist. Aber wenn man den Schritt raus aus unseren Büros macht, wird man von dem Sturm mitgerissen. Das war nicht zu erwarten. Ich kann mich gut an die Fahrt nach Nürnberg erinnern. Im Auto haben wir Szenarien besprochen, was im Abstiegsfall passieren würde. Personalthemen, finanzielle Themen, die noch in der Nacht umgesetzt worden wären. Der Wiederaufstieg wäre wirtschaftlich ein Kraftakt geworden. Wir wären dann natürlich auch nicht annähernd dort, wo wir jetzt sind. Dass die Mannschaft in den vergangenen beiden Jahren so früh als Nichtabsteiger feststand, war Gold wert, egal, wie es am Ende der Saison ausging. Auch jetzt ist das wieder der wichtigste Punkt: Wir wissen, wir haben mit dem Abstieg nichts zu tun. Damit kann man schon die nächste Saison konkret planen. Noch gibt es ein paar Unbekannte. Zum Beispiel: Was erreichst du noch in dieser Saison? Wir sind ja auch noch in der Euro League. Ich hoffe, dass das nicht mit Donezk endet. Hier spielen viele Faktoren noch in die Planung für kommende Saison rein.

Mit ein paar Monaten Abstand: War die Strahlkraft des Pokals größer als die direkten finanziellen Folgen?

HELLMANN: Die weichen Faktoren sind dauerhaft auf jeden Fall viel, viel höher zu bewerten als der finanzielle Beitrag, der uns der Pokal direkt eingebracht hat, bei allem Respekt. Wir haben auch viel davon zurückgegeben. Über die Prämien an die Spieler, die Veranstaltungen rund um das Finale in Berlin und die gesamte Dokumentation. Der Pokalsieg war auch ein kostspieliges Unterfangen.

Das wird dieses Jahr nicht nötig sein. Hat das Erstrunden-Aus in Ulm der Begeisterung bei den Pokal-Veranstaltungen geschadet?

HELLMANN: Ganz und gar nicht. Das hat eher noch zugenommen, weil klar war: Es kann im kommenden Jahr nicht wiederholt werden, es ist endlich. Gleichzeitig ist es aber etwas, das ewig bleibt: Alle Spieler und Fans, die dabei waren, werden immer Deutscher Pokalsieger 2018 sein.

Zwei Jahre hintereinander war die Eintracht nun im Pokalfinale. Erst mit der Niederlage gegen Dortmund, dann der große Coup gegen die Bayern. Wird ohne in diesem Mai etwas fehlen?

HELLMANN: Mir nicht, wenn ich ehrlich bin. Ein drittes Pokalfinale hätte ich nach dem Sieg nicht unbedingt gebraucht. Aber wenn es so gekommen wäre, hätten wir das natürlich auch wieder riesig aufgezogen. Und wenn andere große Momente kommen sollten in dieser Saison, sind wir bereit. Aber das ist so weit weg am Horizont, darüber will ich gar nicht groß reden.

Das könnte zum Beispiel eine Reise nach Baku sein, wo das Finale der Europa League ausgetragen wird.

HELLMANN: Das haben Sie jetzt gesagt.

Sie sind nicht als Bremser bekannt. Müssen Sie bei den ganzen Quantensprüngen der letzten Jahre aber inzwischen doch manchmal die Erwartungen dämpfen?

HELLMANN: Es gibt einen Unterschied zwischen eigenem Anspruch und der von außen heran getragenen Erwartungshaltung. Ich suche eher Chancen. Ambitionierte Ziele zu haben ist wichtig. Wenn sie aber anfangen, zu erdrücken, dann muss man auch mal wieder etwas Luft aus dem Ballon lassen. Ich wehre mich nicht gegen die gewachsene Wahrnehmung von Würde, Stolz und Größe um diese Eintracht. Wenn das aber damit einhergeht, dass man am Ende eine Nicht-Champions-League-Platzierung als Enttäuschung begreifen würde, kann das nicht richtig sein. Da sage ich immer nur: Setzt das bitte in Relation zu den anderen Vereinen. Da wir die letzten Jahre überperformt haben, glaube ich, dass uns das dieses Jahr auch gelingen kann. Das wäre aber auch mit Platz sieben und acht der Fall. Unser Anspruch in Vorstand und Aufsichtsrat ist es, Eintracht Frankfurt regelmäßig unter den Top Ten zu verorten. Das eröffnet uns für die Zukunft alle Möglichkeiten.

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