Trainingslager in Alicante: Niko Kovac zieht Bilanz

Als der ganze Tross am frühen Sonntagabend dorthin zurückkehrte, wo diese Winterreise ihren Anfang genommen hatte, lag die Arena im Frankfurter Stadtwald schon wieder im Dunkeln, wie beim Aufbruch vor fünfeinhalb Tagen.
Als der ganze Tross am frühen Sonntagabend dorthin zurückkehrte, wo diese Winterreise ihren Anfang genommen hatte, lag die Arena im Frankfurter Stadtwald schon wieder im Dunkeln, wie beim Aufbruch vor fünfeinhalb Tagen.
Und es fühlte sich nach dem milden Klima Spaniens zwischendrin noch mindestens genauso kalt an wie bei dem Treffen am 2. Januar in aller Frühe. Nach ihrem Wintercamp an der sonnigen Costa Blanca ist die Frankfurter Eintracht wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt.
Zurück auf Start, das gilt auch mit Blick auf die schon am nächsten Samstag mit einem Heimspiel gegen den SC Freiburg beginnende Rückrunde. „Wir werden alle wieder bei Null anfangen müssen. Keiner weiß nach den drei, vier Wochen Pause so richtig, wo er steht, wo der Gegner steht“, hatte Trainer Niko Kovac noch vor dem Rückflug gesagt und erklärt: „Da muss man sich wieder rein kämpfen in die Bundesliga, und das wollen wir tun. Wir haben wichtige Aufgaben vor uns.“ Was hat die Eintracht aus Spanien dafür mitgebracht?
Eine Ladung Sonne: „Wir hatten absolute Top-Bedingungen, zwei tolle Rasenplätze, das Hotel direkt dabei, und wir hatten Sonne, das ist immer gut“, ließ Kovac dieses manchmal fast schon frühsommerliche Wintercamp im Hotel Golf Campoamor Revue passieren. Erst zum mit 3:1 gewonnenen Testspiel gegen Zweitligist Erzgebirge Aue am Samstag zogen Wolken auf, purzelten die Temperaturen talwärts. Da ging es ja aber auch schon fast wieder nach Hause, und am Sonntag lachte zum Abschied noch einmal die Sonne. Bis dahin waren es tagsüber stets über 20 Grad. Das war besser fürs Seelenleben als das nasskalte Grau in der Heimat, und so mussten auch die Profis nicht zittern, wenn der Trainer immer wieder die Einheiten unterbrach, um Fehler zu korrigieren, ihnen taktische Feinheiten und manchmal auch erstaunlich grundsätzliche Fußballlehren zu vermitteln.
Lernfortschritte: Um allzu schweißtreibende Konditionsbolzerei kamen die Adlerträger herum, vor allem wurde am Spielaufbau gearbeitet. Dabei lag in der mit 26 Punkten aus 17 Partien und dem achten Tabellenplatz trotzdem recht erfolgreichen Hinrunde noch einiges im Argen. „Man kann in fünf Tagen keine Quantensprünge machen“, sagte Kovac: „Das Spiel nach vorne müssen wir noch optimieren, und das geht nur Schritt für Schritt.“ Wie schwer das der Eintracht oft fällt, war anfangs selbst beim XXL-Kick über drei Mal 45 Minuten für die Extraportion Spielpraxis gegen biedere Auer zu sehen. Mit mehr Tempo zeigte die Eintracht vor allem im zweiten Drittel aber, dass sie Fußball spielen kann – und vielleicht in Campoamor auch etwas dazugelernt hat.
Detailarbeit: „Wir werden sicher noch die ganze Saison brauchen. Und darüber hinaus auch noch“, meinte Kovac zum Lernprozess im Umgang mit dem Ball. Was nebenbei so klingt, als würde der Trainer seine Mission in Frankfurt noch lange nicht beendet sehen. Dass er auch andernorts Begehrlichkeiten geweckt hat, liegt vor allem an seiner akribischen Arbeit. Immer wieder lässt er Spielzüge üben, bimst seinen Spielern Prinzipien ein. Wie sie sich zum Beispiel anbieten sollen in den Halbräumen, im Rücken des Gegners, und dass sie lieber diagonal spielen sollen als steil nach vorne. „Das lief schon ganz gut“, sagte er nach dem Aue-Test.
Fabiáns Freude: Für einen war dieses Freundschaftsspiel etwas ganz Besonderes. Marco Fabián strahlte übers ganze Gesicht, als Kovac ihn für die letzten 20 Minuten aufs Feld schickte, erstmals nach seiner Bandscheiben-Operation im August. Für Großeinsätze in der Bundesliga ist es wohl zu früh, nach der langen Zwangspause fehlt praktische Erfahrung. „Es wird noch etwas dauern bei ihm. Ich hoffe aber, dass wir seine Einsatzzeiten in den nächsten Wochen immer weiter steigern können“, meinte der Trainer.
Mascarells Bereitschaft: Noch ein anderer durfte in der kleinen Arena von San Pedro del Pinatar erstmals überhaupt in dieser Saison wieder spielen. Omar Mascarell aber ist ein gutes Stück weiter auf dem Weg zurück in die Bundesliga. Er selbst erklärt sich jedenfalls bereit für den Rückrunden-Start, und anders als im Fall Fabián kann sich das offenbar auch sein Trainer vorstellen. „Er spielt sicher nicht spektakulär. Er hat aber eine sehr hohe Passqualität, eine sehr gute Übersicht, er antizipiert, er weiß, wie und wo er sich anbieten muss, ist immer in Bewegung“, schwärmte Kovac geradezu.
Führungskräfte: Mascarell und Fabián sind zwei, die mit ihren Fähigkeiten für mehr Spielkultur sorgen und Verantwortung übernehmen können. Wie auch Makoto Hasebe, der mit seinem Auftreten im Wintercamp Anlass zur Hoffnung gab, dass die Knieprobleme ihn nicht mehr bei der Arbeit behindern. Als besondere Führungskraft beeindruckte in diesen Tagen Kevin-Prince Boateng, die schillerndste Figur im Multikulti-Ensemble. Fußballerisch ragt er mit Übersicht und Ausgebufftheit, Technik und Spielwitz heraus, und nebenbei war es beeindruckend, wie er die weniger erfahrenen Kollegen mit Rat und Tat unterstütze – als eine Art heimlicher Co-Trainer, wie dieser Tage ein Onlinemedium schrieb.
Sorgenkinder: Einer von Kovacs Anführern allerdings ist spätestens in Campoamor zu einem Sorgenkind geworden – ausgerechnet der Vize-Kapitän und fast unverzichtbare Abwehrchef. „Ob das eine oder mehrere Wochen dauert, kann ich nicht sagen“, meinte Kovac zur Wadenverletzung von David Abraham. Klingt nicht so, als würde das bis Freiburg reichen. Mijat Gacinovic und Ante Rebic hingegen mischten nach kleineren Wehwehchen schon gegen Aue wieder mit.
Zuversicht und Traumziele: Gegen Ende kehrte noch etwas mehr Lockerheit ein, eine gewisse Anspannung war in dem Quartier von Campoamor aber ständig zu spüren. Diese Rückrunde soll nicht in solch einem Absturz enden wie die zurückliegende, dafür wird alles getan. Kovac ist da ganz zuversichtlich. Die Spieler auch, und der eine oder andere träumt sogar zart vom Europacup, nur zwei Punkte hinter einem Königsklassen-Platz. „Wir müssen erstmal den Abstand nach unten vergrößern“, mahnte Kovac indes, sagte aber auch: „Wenn dann noch viele Spiele verbleiben, werden wir uns mit Sicherheit auf etwas stürzen, was möglich ist.“ Der Weg nach Europa wird kein leichter sein, da sich in diesem Jahr kaum ein Schwergewicht Schwächen leistet. Aber träumen darf man ja, solange man die Arbeit nicht vergisst. Da muss man sich bei Kovac und Co. keine Sorgen machen.