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Wie verwandelt

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Von: Markus Katzenbach

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Grund zum Jubeln: Marc Stendera nach dem 2:1.
Grund zum Jubeln: Marc Stendera nach dem 2:1. © Christian Klein ( FotoKlein)

Mit Sicherheit gelingt der Eintracht die Trendwende – freilich bei einem schwachen Gegner. Schön ist das nicht, aber sehr wichtig.

Diese Eintracht war kaum wiederzuerkennen. Gravierende Änderungen hatte ihr Trainer Armin Veh ja angekündigt nach den Enttäuschungen der jüngeren Vergangenheit, aber das war dann doch eine Überraschung: Erstmals überhaupt hatte Zeugwart Franco Lionti die neuen Ausweichtrikots in leuchtendem Gelb aus dem Regal gekramt, die im Gastspiel bei Hannover 96 ihre Premiere erlebten und die Frankfurter Bundesliga-Fußballer wie verwandelt aussehen ließen. Ob sie nun als Glücksbringer taugen und künftig gar zur Standarduniform, ergänzt durch die ausgefallene Jacke mit aufgenähten Musiknoten, die Veh selbst an der Seitenlinie trug? „Nein, so was mache ich nicht mehr“, wehrte der in der Vergangenheit solch abergläubischen Methoden nicht abholde Trainer erst einmal ab, ehe er beim Abgang zwinkernd anfügte: „Oder vielleicht doch?“

Das ungewohnte Erfolgserlebnis, über das sich die Eintracht am Samstagnachmittag in der niedersächsischen Landeshauptstadt freuen durfte, empfahl sich in jedem Fall zur Fortsetzung. Das durch zwei Tore des jungen Marc Stendera errungene 2:1 (0:0) war sogar der erste erstklassige Sieg dort seit 28 Jahren, und dass er das Ergebnis eines insgesamt schwachen Spiels war, interessierte hinterher keinen im Frankfurter Lager. „Es ist doch völlig Wurst, wie wir gewonnen haben“, fand Verteidiger Marco Russ, Veh sagte wie viele andere im Frankfurter Tross: „Das war immens wichtig.“

Die historische Dimension interessierte ihn dabei weniger als die aktuelle Lage. Nach fünf sieglosen Partien mit nur zwei Punkten war es vor dem Empfang des allmächtigen FC Bayern am nächsten Freitag höchste Zeit, den Abwärtstrend zu beenden. Der Anschluss an das Mittelfeld der Tabelle wurde so gehalten und mit jetzt zwölf Punkten aus zehn Spielen der Abstand zu der auch Hannover umfassenden Abstiegsregion vergrößert.

Die „neue Denke“

Für das Gelingen dieser Mission gab es zwingendere Gründe als alle Kleiderfragen. Über modischen Geschmack kann man streiten, zumindest fußballerisch aber gab es erwartungsgemäß an diesem Tag gewiss keinen Schönheitspreis zu gewinnen – dafür drei sehr wertvolle Punkte. Nach der ernüchternde Vorführung beim 1:5 gegen Borussia Mönchengladbach hatte Veh eine „neue Denke“ angekündigt, weg vom zuletzt ja ohnehin gescheiterten Versuch des schönen Spiels eben zu mehr Sicherheitsdenken, einhergehend mit einem Systemwechsel von 4-4-2 zu 4-2-3-1. Seine Mannschaft setzte diese verordneten Wandlungen konsequent um: Die Defensive stand deutlich stabiler, nach vorne ging nichts.

Was auch daran lag, dass sich Hannover, das nach einem schwachen Saisonstart gerade immerhin zwei glückliche Siege gefeiert hatte, ebenfalls weit zurückzog und kein großes Interesse an eigenen Angriffen hatte. „Ich hätte sie nicht so defensiv erwartet“, räumte Veh ein. „Eigentlich wollten wir kontern. So ging das aber gar nicht.“

Obendrein war bei den Seinen eine allgemeine Verunsicherung spürbar. „Insgesamt waren wir gerade im Ballbesitz nervös. Da hat man schon gemerkt, dass wir Druck haben“, meinte der Trainer. So entwickelte sich ein unansehnlicher Kick, der wenig mit Fußball zu tun hatte und in dem es hüben wie drüben nur darum ging, das Schlimmste zu verhindern. „Die erste Halbzeit war von beiden Mannschaften ein Spiel, bei dem man nicht unbedingt ins Stadion gehen musste“, räumte Veh ein. Am Ende sollten sich seine taktischen Eingriffe dann aber doch voll und ganz auszahlen – freilich auch gegen einen Gegner, der viel schwächer war als eine Woche vorher die Gladbacher und in dieser Form zu den Abstiegskandidaten zählt.

Dabei schien die Partie nach 51 Minuten eine Wendung zu nehmen wie viele unselige Gastspiele in Hannover in den Jahren zuvor. Der schwache und gleich danach für den deutlich besseren Slobodan Medojevic (lesen Sie dazu auch unten stehenden Artikel) ausgetauschte Stefan Reinartz hatte zu Vehs Ärger leicht den Ball im Mittelfeld verloren, Felix Klaus traf zur Führung für die Gastgeber – und der Eintracht drohten mit der nächsten Niederlage auch weitere Krisenwochen.

„Normalerweise ist es tödlich, in so einer Situation das 0:1 zu bekommen“, wusste Veh. Diesmal aber war es ein Glück. „Das Gegentor hat uns aufgeweckt. Vorher waren wir verängstigt und das Spiel auf schwachem Niveau“, sagte der auf der linken Seite nach vorne versetzte Bastian Oczipka, für den diese Einschätzung auch ganz persönlich galt. Kapitän Alexander Meier bemerkte: „Nach dem 0:1 haben wir wieder Fußball gespielt.“

Weiter so

Zur Wende trugen beide selbst bei, den größten Anteil aber trug mit Marc Stendera ausgerechnet der Jüngste (lesen Sie dazu auch unten stehenden Artikel). Der 19-Jährige traf in der 57. und in der 65. Minute, einmal mit links, einmal mit rechts, jeweils nach dem gleichen Muster. Erst hatte Oczipka geflankt und Meier mit dem Kopf auf Stendera zurückgelegt, der dann noch einen Gegner ausstiegen ließ und ins Eck traf. Dann flankte Djakpa, Aigner köpfte, und Stendera drosch die Kugel ins Glück. „Er hat uns das Spiel gewonnen“, lobte Veh.

Bemerkenswert war aber auch, dass seine Mannschaft sich weder nach dem Rückstand noch nach der eigenen Führung aus der Ruhe bringen ließ. Im Gegenteil: Den Ball ließ sie fortan gut durch die eigenen Reihen laufen und den harmlosen Hannoveranern so kaum noch eine Chance. Stattdessen vergab Haris Seferovic in der Nachspielzeit eine große Gelegenheit.

Es reichte auch so zu einem fast schon überlebenswichtigen Befreiungsschlag, Zeit zum darauf Ausruhen bleibt nicht. Im Pokalspiel am Dienstagabend bei Erzgebirge Aue ist es „Pflicht, weiterzukommen“, wie Russ betonte. Und danach kommen die Bayern. Diese beiden Partien stehen unter besonderen Vorzeichen. Ob das neue Sicherheitsdenken aber auch für die in den Wochen darauf anstehenden Aufgaben gegen Hoffenheim, Leverkusen oder Mainz das richtige Mittel ist? Veh deutete es an, Meier ebenso. „Wir müssen jetzt erst einmal so weiter spielen“, sagte er – und meinte nicht die gelben Trikots und hoffentlich auch nicht die erste Halbzeit, sondern den zweiten Teil einer selten erfolgreichen Reise nach Hannover.

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