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Nicht gegebener Elfmeter in Berlin verärgert die Adler

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Sieht eindeutig nach Strafstoß aus: Der Berliner Marko Grujic (links) greift nach seinem Jugend-Kumpel Luka Jovic und bringt den Frankfurter zu Fall.
Sieht eindeutig nach Strafstoß aus: Der Berliner Marko Grujic (links) greift nach seinem Jugend-Kumpel Luka Jovic und bringt den Frankfurter zu Fall. © Jan Huebner/Voigt (Jan Huebner)

Der Eintracht-Höhenflug ist erst einmal gestoppt – auch weil sich der Dreiersturm in der Hauptstadt als laues Lüftchen präsentierte.

Am späten Abend versuchten sie noch einmal alles. Sie fokussierten ihr Ziel, eilten in hohem Tempo darauf zu, sie fuchtelten mit ihren Armen in der Luft herum und schüttelten die Köpfe. Sie redeten auf ihr Ziel ein und meckerten es an. Doch aller Einsatz sollte umsonst gewesen sein. Es half ja nichts mehr, die Lage war aussichtslos, denn das Spiel zwischen Hertha BSC und Eintracht Frankfurt war vor wenigen Sekunden beendet worden. Schiedsrichter Daniel Schlager hatte den 1:0 (1:0)-Heimsieg der Berliner, die zweite Frankfurter Niederlage in der Fußball-Bundesliga nacheinander, mit seinem Abpfiff besiegelt und durfte sich fortan dem Zorn der Gäste aus dem Hessenland gewiss sein.

Sofort ergriff Jetro Willems das Wort, Carlos Salcedo, Makoto Hasebe, Mijat Gacinovic, eigentlich der ganze Rest des Teams, folgten. Ihre deutliche Ansage: Das war doch ein glasklarer Elfmeter. Ein Halten an Luka Jovic in der 87. Minute, ein Foulspiel des Berliners Marko Grujic. Schiedsrichter Schlager, 29 Jahre jung aus Rastatt in Baden-Württemberg, am Samstagabend im Berliner Olympiastadion erst zum vierten Mal in der deutschen Eliteklasse an der Pfeife, ahnte angesichts der Vehemenz der Proteste vermutlich schon, dass er einen Fehler gemacht hatte.

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Eingestehen konnte er das freilich nicht, achselzuckend stand der Mann in Schwarz vor den wütenden Profis in roter Berufskleidung, hortete seine Assistenten als Schutzwall um sich, verließ schnurstracks das Stadionrund und hinterließ aufgebrachte Frankfurter. Rechtsverteidiger Danny da Costa etwa hatte gar kein Verständnis für den ausgebliebenen Strafstoß: „Ich weiß nicht, was man sonst machen muss, damit gepfiffen wird. Vielleicht huckepack hinten drauf springen? Das ist natürlich bitter.“ Sportvorstand Fredi Bobic sprach im ZDF-Sportstudio von „Wahnsinn“.

Was war also passiert, drei Minuten vor dem Ende des ansonsten öden Bundesligakicks? Mit aller Verzweiflung hatte sich die Eintracht in der Schlussphase gegen die drohende Niederlage gestemmt. Sie kombinierte da längst nicht mehr, sie bolzte den Ball schlicht nur noch nach vorne. Über Willems gelangte dieser tatsächlich zum einschussbereiten Jovic. Der serbische Angreifer, etwa acht Meter vor dem Berliner Kasten, wollte gerade abziehen, als er von hinten umklammert wurde. Marko Grujic, ein Jugendfreund Jovics aus gemeinsamen Zeiten bei Roter Stern Belgrad, legte seine beiden Arme um den Oberkörper des 20-Jährigen. Er hielt ihn und brachte Jovic zu Fall. Zwingend ein Elfmeter. Doch Schlagers Pfeife blieb stumm. Ein Fehler. „Was ich dabei vor allem nicht verstehen kann, denn er zieht Luka klar runter, ist, warum es kein Signal aus Köln gegeben hat und man sich die Szene nicht wenigstens noch einmal anschaut“, sagte Eintracht-Trainer Adi Hütter sachlich.

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Schlager nahm zwar offenbar Kontakt mit Videoassistentin Bibiana Steinhaus auf, er griff sich jedenfalls sichtbar ans rechte Ohr, eine Intervention der gerade erst zum vierten Mal zur Weltschiedsrichterin des Jahres ausgezeichneten 39-Jährigen gab es aber nicht. „Wir haben den Videobeweis und ich bin großer Befürworter davon, aber diese Szene macht mich fassungslos“, kritisierte Bobic. Wegen der Fehleinschätzungen auf dem Rasen und im Kölner Keller blieb den Frankfurtern eine große Ausgleichschance verwehrt. „Das ist ärgerlich“, so Hütter.

Denn einen Punkt hätte sich die Eintracht trotz einer höchstens durchwachsenen Vorstellung im nur halb gefüllten Berliner Olympiastadion dann doch verdient gehabt. „Ein Unentschieden wäre ein gerechtes Ergebnis gewesen“, sagte Bobic. „Trotz allem darf man so ein Spiel nicht verlieren“, ergänzte Hütter. Doch nicht nur die Unparteiischen, auch die Eintracht hatte eine Menge Fehler gemacht. Da waren ungenaue Abspiele, sinnfreie Dribblings, halbherzige Abschlüsse, und vor allem Schwächen bei Standardsituationen – zuvörderst beim einzigen Treffer des Tages nach 40 Minuten.

Als Mittelfeldmann Jonathan de Guzman den Ball ins eigene Toraus trudeln lassen und seinen Körper zwischen Ball und Marvin Plattenhardt stellen wollte, bekam er einen Stoß von hinten. Sicher kein Muss-Freistoß, aber doch ein Kann-Freistoß.

Statt einen ruhenden Ball im eigenen Sechzehner zu ergaunern, produzierte de Guzman im Fallen noch einen Eckball für Berlin. Bei der folgenden Hereingabe setzte sich Grujic gegen Hasebe im Kopfballduell durch und stellte auf 1:0 – es war bereits der fünfte Gegentreffer der Hessen nach einer Ecke, negativer Höchstwert der Liga. „Das kann man natürlich besser verteidigen, aber es war schwer für mich“, sagte Hasebe. Der 1,91 Meter große Grujic war dem kleineren Japaner schlicht elf Zentimeter überlegen. „Wir müssen uns über die Defensivstandards Gedanken machen, da sind wir negative Spitze. Da müssen wir den Hebel ansetzen“, sagte Hütter.

Ein weiterer Grund für die Pleite war die maue Offensivleistung. Und das, obwohl Hütter mit voller Kapelle spielen ließ, also Sébastien Haller, Ante Rebic und Jovic aufgeboten hatte. Doch der Dreiersturm war diesmal ein laues Lüftchen. Ein Pfostenstreifschuss von Haller (10.), eine vom Berliner Schlussmann Rune Jarstein parierte Direktabnahme Jovics (52.), das war’s. Da auch Berlin neben dem Tor nur eine Chance durch Davie Selke hatte (53.), ließ sich der dürftige Bundesligakick letztlich auf zwei Aktionen reduzieren, auf die ausbleibenden Pfiffe von Daniel Schlager – beide Male mit den Frankfurtern als Leidtragende.

Info: Wie repariert Hütter die Delle?

Da ist sie also. Die erste Delle in der Formkurve von Eintracht Frankfurt in dieser Bundesligasaison. Zwei Begegnungen nacheinander haben die Hessen nun schon verloren, dazu beim 0:1 in Berlin das erste Mal in dieser Runde ein Ligaspiel ohne eigenen Treffer beendet. Diese Delle, sie ist sicher noch nicht gravierend, unschön ist sie aber allemal. Freilich, mit Reparaturen an den richtigen Stellen sollte sie dennoch ziemlich gut zu entfernen sein.

Ansatzpunkte für Trainer Adi Hütter gibt es. Da ist die defensive Stabilität. Schon bei der 1:2-Heimpleite gegen Wolfsburg arbeiteten die Frankfurter nicht immer als Einheit gegen den Ball, überließen dem VfL zu viele Räume auf dem Rasen. Und auch diesmal in Berlin waren die Hessen vor allem auf den Außenbahnen ziemlich freizügig, nicht eng genug beim Gegenspieler, oft in Unterzahl. „Wir haben speziell in der ersten Hälfte zu wenig investiert“, sagte Hütter.

Das führte gleich zum nächsten Problem: der offensiven Kreativität. Die lag im Berliner Olympiastadion doch ziemlich verschütt. Zwar wies die Statistik nach 94 Minuten immerhin 16 Torschüsse der Frankfurter auf, Berlin hatte nur sieben, die meisten davon waren aber schlicht völlig harmlos. „Wenn man in zwei Spielen nur ein Tor schießt, wissen wir, wo wir den Hebel ansetzen müssen“, sagte Hütter, benannte aber im gleichen Atemzug das Kernproblem: „Die Gegner stellen sich immer besser auf uns ein, sie finden immer wieder ein Mittel, um unsere drei Offensiven aus dem Spiel zu nehmen.“ Und tatsächlich: Sébastien Haller, Luka Jovic und Ante Rebic, das so treffsichere Angriffstrio, es war weitestgehend abgemeldet.

Und wenn Libero Makoto Hasebe wie gegen Wolfsburg und Berlin durch eine Manndeckung aus dem Spiel genommen wird, fehlen den Hessen die spielerischen Mittel im Aufbau.

Bis zur Winterpause stehen für die Hessen noch vier Partien an, eine am Donnerstag in der Europa League bei Lazio Rom, drei in der Bundesliga gegen Leverkusen, Mainz und den FC Bayern. Es werden die Pflichtspiele 22 bis 25 für die Hessen sein, sie werden noch einmal richtig anstrengend.

„Es ist schwer zu sagen, warum es momentan nicht läuft. Aber die Vergangenheit ist vergessen, wir müssen uns konzentrieren“, gab Routinier Makoto Hasebe nach der Pleite von Berlin die Marschroute für die nächsten zwei Wochen vor.

Und der kaum minder routinierte Gelson Fernandes brachte es schließlich ziemlich gut auf den Punkt: „In einer Saison hast du gute und weniger gute Phasen. Wir müssen solidarisch bleiben, zusammenhalten. Niederlagen gehören dazu.“ Wichtig ist, wieder aufzustehen.

(dani)

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