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„Ihr seid nicht allein“: 1500 Menschen demonstrieren gegen Judenhass in Frankfurt

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Viele hielten auch Bilder der Hamas-Geiseln hoch.)
Viele hielten auch Bilder der Hamas-Geiseln hoch. © Renate Hoyer

Demonstriende in Frankfurt zeigen sich solidarisch mit den Menschen in Israel und wollen ein Zeichen gegen den wachsenden Antisemitimus in Deutschland setzten.

Frankfurt - Oberbürgermeister Mike Josef appelliert an die Verantwortung aller Menschen. Manche halten Fotos wie das eines kleinen, blonden Mädchens oder auch einer 85 Jahre alten lächelnden Frau hoch. Beide gehören zu den 239 israelischen Geiseln, die am 7. Oktober von der Hamas entführt worden sind und von denen man nicht weiß, ob sie alle noch leben.

Andere halten die Israel-Flagge hoch oder haben sie wie ein Cape umgebunden. „Nie wieder Judenhass“ steht auf einem Plakat. Eine 70 Jahre alte Frankfurterin sagt: „Ich bin hier, weil ich mein Mitgefühl für die Juden in Israel ausdrücken will und weil Antisemitismus in Deutschland wieder hochkommt. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.“ Sie hat Tränen in den Augen.

Frankfurts OB Josef: „Frankfurt stellt sich an die Seite seiner jüdischen Mitbürger:innen“

Sie ist nicht die einzige. Der Frankfurter Opernplatz füllt sich am Freitagnachmittag, so sehr, dass man schwer durchkommt. Laut Polizei sind es fast 1500 Menschen, die gemeinsam bei der Kundgebung unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt! Gemeinsam gegen Judenhass in Frankfurt und weltweit“ zusammenstehen. Eingeladen hat dazu das Römerbergbündnis, zu denen auch die jüdische Gemeinde, die Evangelische und Katholische Kirche, der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Frankfurter Jugendring gehören und die sich seit 1978 gegen Rechtsradikalismus in Frankfurt engagieren. Unterstützt wird die Aktion vom Magistrat.

Als Erstes tritt Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) ans Rednerpult, „Es ist 15 Uhr und der Opernplatz ist voll und der Regen ist weg. Ich halte das für ein gutes Zeichen“, beginnt er seine Rede. Seine Stimme ist brüchig, emotional angeschlagen: „Frankfurt stellt sich an die Seite seiner jüdischen Mitbürger:innen, ohne Wenn und Aber. Ihr seid nicht allein.“ Und er betont auch, dass es eben nicht nur für Rassismus keine Rechtfertigung gebe, sondern eben genauso wenig eine für Antisemitismus. Josef betont, dass es nicht nur die Aufgabe der jüdischen Menschen, sondern aller Bürger:innen sei, Haltung zu zeigen und niemand die Augen verschließen dürfe. Er sagt auch, wie traurig es sei für eine weltoffene Stadt wie Frankfurt, dass Menschen sich nicht mehr trauten, sich in der Öffentlichkeit als Jude oder Jüdin zu erkennen zu geben.

„Wir lassen und nicht einschüchtern, wer darauf wartet wird ewig warten“

Unter den Demonstrierenden sind auch Laura (20) und Rosa Meyer (18), die Töchter von Alon Meyer, dem Vorsitzenden des TuS Makkabi Frankfurt und Präsident von Makkabi Deutschland. Laura Meyer erzählt, dass ihre Familie die Namenschilder an ihrem Haus aus Sicherheitsgründen abgenommen hätte. Ihre Cousine Dana Meyer sagt: „Meine Familie hat auf allen Taxi-Apps unsere Namen geändert, aus Angst entführt zu werden.“ Am Rednerpult sagt wenig später Benjamin Graumann vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt: „Wir lassen und nicht einschüchtern, wer darauf wartet wird ewig warten.“

Er spricht auch über den wachsenden Antisemitismus in der Stadt. Jüdische Kinder hätten Angst in die Schule zu gehen, „Ich bin schockiert, wie viele Menschen in Frankfurt schon wieder schweigen.“ Fast alle Frankfurter Schulen, die Goethe-Universität, aber auch den Kulturbetrieb zählt er auf. In jeder Schule, in jedem Museum, Theater, im Stadion müssten die Bilder der 239 Hamas-Geiseln hängen. Mit dem Satz: „Bring them home.“ Graumann zeigt auf ein Transparent auf dem genau dieser Satz steht. Menschen am Opernbrunnen halten dieses hoch.

Der evangelische Stadtdekan Holger Kamlah sagt, dass er sich nicht vorstellen könnte, wie er mit dem Schmerz umgehen würde, wäre seine eigene Familie Opfer der Hass-Verbrechen der Hamas. „Der Jubel über Gewalt ist unerträglich.“ Der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz hebt hervor, dass wenn man sich für jüdisches Leben in der Stadt ausspreche, das eben nicht bedeute: „Wir stellen uns gegen Muslime in Frankfurt.“ Er zeigt auf iranische Flaggen, die hinten in der Menschenmenge hochgehalten werden: „Wir stehen mit Muslimen gemeinsam für Judentum ein.“

Am Ende der Kundgebung geht der Nieselregen in Frankfurt wieder los

Am Ende der Kundgebung geht der Nieselregen wieder los. Mit Regenschirmen laufen die Demonstrierenden von der Alten Oper zur Synagoge im Westend. Hier wollen sie Kerzen anzünden, um den jüdischen Ruhetag Schabbat einzuläuten. Und ein Zeichen für Frieden zu setzen.

Eine 60-jährige Frankfurterin erzählt derweil, dass ihre Tochter „zwei Wochen sehr viel geweint hat“, weil ihr jüdischer Freund, ein Frankfurter, gerade in Israel seinen Militärdienst ableistet: „Anfangs war er im Gazastreifen eingesetzt, jetzt ist er wieder in Israel, aber wie es mit ihm während des Nahost-Kriegs weitergeht, wissen wir nicht.“ Sein Militärdienst geht noch 18 Monate. (Kathrin Rosendorff)

Seit dem 7. Oktober erlebt das jüdische Gastronomenpaar Sigal und Nir Rosenfeld bedrohliche Beleidigungen. Sie überlegen, Deutschland zu verlassen.

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