1. Startseite
  2. Frankfurt

3D-Blick ins Ohr

Kommentare

Dr. Carsten Dalchow operiert mit dem neuen Mikroskop im Höchster Klinikum. Immer mit dem Blick auf den Bildschirm.
Dr. Carsten Dalchow operiert mit dem neuen Mikroskop im Höchster Klinikum. Immer mit dem Blick auf den Bildschirm. © Maik Reuß

Ein neues Mini-Mikroskop für das Höchster Klinikum. Klingt erstmal nicht spannend, aber es kann so einiges und stellt laut Hersteller eine „Revolution in der Mikrochirurgie“ dar. Im Operationssaal von Dr. Carsten Dalchow ist die Innovation im Einsatz.

Sobald Carsten Dalchow die 3 D-Brille aufsetzt, ist er mitten drin im Ohr: Auf einem riesigen Bildschirm sieht er jedes noch so kleine Detail in 20- bis 30-facher Vergrößerung – auch den Tumor am Innenohr, den der Chefarzt am Höchster Klinikum heute entfernen wird.

Dafür aber muss er sich erst einmal den Weg zum Tumor bahnen. Dieser sitzt im Gehörgang zwischen Innen- und Mittelohr. Für Dalchow heißt das: Er muss den Gesichtsnerv verlegen und Teile des Knochens wegbohren, um den Tumor freizulegen. Dieser besteht hauptsächlich aus Blutgefäßen und speist sich auch aus einem. Auch das macht den Eingriff knifflig. Weil sich direkt nebenan das Kleinhirn befindet, steht der Neurochirurg zur Sicherheit auf Abruf.

Es ist bereits das dritte Mal, dass die Patientin auf dem OP-Tisch liegt. Bei den vorherigen Eingriffen in anderen Krankenhäusern war es den Ärzten nicht gelungen, den Glomustumor vollständig zu entfernen, so dass sich dieser aus den Resten neu bildete. Dass dies nicht noch mal passiert, dabei soll das neue Mikroskop helfen.

„Wirklich praktisch“

Es bietet dem Operateur eine neue Flexibilität. Es ist schwenkbar und Dalchow kann es bequem per Hand bedienen. Was er sich genauer anschauen möchte, kann der Mediziner einfach vergrößern und die Farbgebung verändern. Hierdurch ist es ihm möglich, genauer zu arbeiten und die Strukturen besser zu erkennen: „Das ist wirklich praktisch. Ich nehme einfach die Rottöne raus, so dass nur noch Blau und Grün angezeigt werden. Aufgrund der Intensität der Farbe kann ich erkennen, wie stark ein Gewebe durchblutet ist. Auch zur genauen Tumorlokalisierung ist das sehr hilfreich.“ Dalchow will auf keinen Fall Reste übersehen. „Der Tumor wächst langsam, aber stetig. Wenn er nicht entfernt wird, kann er das Hirn verdrängen.“

Entdeckt hatte den Tumor ein HNO-Kollege, den die Patientin wegen eines Klopfens, im Rhythmus des Pulsschlags, aufgesucht hatte. Der Arzt erkannte unter dem Trommelfell bereits Teile des Tumors und nach einigen weiteren Untersuchungen war klar, dass dieser operiert werden muss, auch wenn er gutartig ist.

Für Dalchow und sein Team begann die Arbeit bereits zwei Tage vor der Operation: Damit bei dem Eingriff nicht zu viel Blut fließt, mussten die Gefäße verklebt werden. Auch einige Tests standen an. „Die Vorbereitung braucht am meisten Zeit“, erklärt Dalchow. „Wir haben heute Morgen um 9 Uhr begonnen zu operieren und werden voraussichtlich bis 16.30 Uhr im OP sein.“ Die tatsächliche Entfernung des Tumors dauert nur einen Bruchteil dieser Zeit. Nach der OP wird die Patientin eine Nacht auf der Intensivstation verbringen und noch eine Woche in Höchst bleiben.

Weltneuheit

Das Klinikum Höchst ist nach eigenen Angaben eines der ersten Krankenhäuser weltweit, das die neue Technik nutzt. Dalchow hat bereits viel Erfahrung in der Mikrochirurgie gesammelt und von einer der HNO-Koryphäen in der Schweiz gelernt. Nun soll er das Gerät testen. Es ist seit Ende vergangenen Jahres auf dem Markt. Dalchow zeigt sich begeistert: „Wir sind ein Lehrkrankenhaus und gerade zum Unterrichten ist dies ein großer Schritt.“ Die Schüler und Studenten hatten vorher in der Mikrochirurgie nicht die Möglichkeit, so genau hinzusehen. Beim klassischen Mikroskop wird die Aufnahme zwar auch auf einen Bildschirm projiziert, allerdings in deutlich schlechterer Bildqualität. Jetzt können sie mit einer 3D-Brille genau die Schritte der OP nachvollziehen.

Auch außerhalb der HNO wird die Operationstechnik genutzt, beispielsweise in der Orthopädie. In der Mikrochirurgie ist sie eine „revolutionäre Lösung für die Visualisierung“, wie der Hersteller auf seiner Internetseite schreibt.

Auch interessant

Kommentare