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Rettung vor dem Bio-Müll: Bei ihnen kann man ungeliebte Zimmerpflanzen adoptieren

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Schiefe Palmen, zu groß gewordene Kakteen: Haike Rausch und Torsten Grosch haben die Vermittlung von ungeliebten Zimmerpflanzen zum Kunstprojekt gemacht. Am Donnerstag eröffnen sie im Mitscherlichhaus (hinterm neuen Höchster Klinikum) ein Adoptionsbüro.
Schiefe Palmen, zu groß gewordene Kakteen: Haike Rausch und Torsten Grosch haben die Vermittlung von ungeliebten Zimmerpflanzen zum Kunstprojekt gemacht. Am Donnerstag eröffnen sie im Mitscherlichhaus (hinterm neuen Höchster Klinikum) ein Adoptionsbüro. © Maik Reuß

Das Frankfurter Künstlerduo „431art“ eröffnet ein neues Vermittlungsbüro im Mitscherlichhaus in Höchst

Frankfurt -Mellinda Mutz ist eine Euphorbie, die ihrem Vorbesitzer zu groß geworden ist. Er wollte sie loswerden - jetzt lebt sie in Kelkheim. Auch die zwei Meter große Monstera „Gisa Gigantica“ brauchte mehr Platz, um richtiges Dschungelgefühl zu verbreiten. Das kann sie jetzt in Friedberg. Und die Begonie „Wilbur Wolinsky“ fiel 2020, noch klein und von Fliegen befallen, vom Balkon. Inzwischen hat er ein neues Heim in Frankfurt. „Adoptiere verwaiste Pflanzen - bezahle mit deiner Verantwortung“, so lautet der Slogan, mit dem das Künstlerduo „431art“ für sein Projekt „botanoadopt“ wirbt.

Entstanden ist die Idee zur Adoption von Pflanzen, die von ihren früheren Besitzern nicht mehr geachtet wurden, die zu groß geworden oder ins Kraut geschossen sind und schlimmstenfalls im Bio-Müll entsorgt wurden, vor gut 17 Jahren. „Drei Jahre später, im Februar 2009 sind wir damit an die Öffentlichkeit gegangen“, erzählt Haike Rausch. Zusammen mit Torsten Grosch bildet sie das Künstlerduo „431art“. Am Donnerstag, 27. Juli, öffnen Rausch und Grosch erstmals ein Pflanzen-Adoptionsbüro in ihrem Atelier im Mitscherlichhaus an der Peter-Fischer-Allee 23.

Ihr Atelier haben die beiden in der 9. Etage. Dort stehen zahlreiche Zimmerpflanzen und Sukkulenten, die das Künstlerduo nun jeweils am letzten Donnerstag eines Monats - immer von 19 bis 21 Uhr - an verantwortungsvolle neue Pflanzenbesitzer vermitteln möchte. Das läuft über einen „Adoptionsvertrag“ - statt mit Geld zu bezahlen, verpflichtet man sich, verantwortungsvoll mit der Pflanze umzugehen. Und jedes vermittelte Gewächs hat, wie auch im Tierheim, einen Namen und eine eigene Biografie, die der neuen Besitzerin oder dem neuen Besitzer mitgeteilt wird.

Welche Idee steckt hinter der Aktion? Das Ganze ist ein Kunstprojekt, das bereits zu einer Zeit, als die Themen „Umwelt“ und „Klima“ noch nicht in aller Munde waren, den Fokus auf den respektvollen Umgang mit Pflanzen legte, sie als Lebewesen sichtbar machte und Fragen stellte. Etwa, um am Beispiel von Zimmerpflanzen klarzumachen, wie viel Energie benötigt, wie viel Kohlenstoffdioxid (CO2) ausgestoßen und wie viel Wasser gebraucht wird, um eine Zimmerpflanze aufzuziehen und zu transportieren - meist zu Baumärkten oder Discountern, wo sie dann für wenig Geld vorm Kassenbereich angeboten wird.

Wer eines der „ungeliebten“ Gewächse von „botanoadopt“ zu sich holt, rettet somit nicht nur ein Pflanzenleben, sondern schont die Umwelt und verhält sich nachhaltig. Die Aktion ist ein nachhaltiges Kunstprojekt zum verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. „In unserer Gesellschaft haben Grünpflanzen den Charakter einer Ware und nicht den eines Lebewesens“, hat Haike Rausch beobachtet. „Es geht aber auch darum, zu fragen, was eine Pflanze für mich sein kann“, fügt Torsten Grosch an.

Das Projekt hat sich über die Jahre von Höchst ausgehend zu einer bundesweiten Adoptionsplattform für Zimmerpflanzen entwickelt, vom stacheligen Schwiegermuttersitz über die Grünlilie oder den Ficus benjamini bis hin zur Yucca-Palme. „Mittlerweile haben Pflanzen ein neues Zuhauses in neun europäischen Ländern gefunden, zum Beispiel in Belgien, der Schweiz, Österreich, oder Großbritannien“, erzählt Haike Grosch weiter. „Dabei gilt aber, die Pflanzen möglichst regional und vor allem mit kurzen Wegen zu vermitteln“, erklärt Rausch die Idee. Über die Webseite der beiden können Menschen zum Beispiel ihre Pflanzen zur Vermittlung freigeben. „Wir holen aber normalerweise keine Pflanzen ab“, stellt Haike Rausch klar.

Die beiden Künstler selbst nehmen aber auch regelmäßig an Ausstellungen und anderen Veranstaltungen teil, zu denen sie ihr Projekt vorstellen und „Pflanzen-Adoptionen“ vor Ort möglich machen. Die Liste der erfolgreichen Vermittlungen ist 145 Seiten lang und zeigt, wie viele Zimmerpflanzen Haike Rausch und Torsten Grosch in den 17 Jahren gerettet haben.

„Am kommenden Donnerstag geht es aber ausschließlich um die Adoption von Pflanzen“, sagt Haike Rausch. „Wir möchten damit auch einen Raum für Kommunikation und Austausch pflanzlichen Lebens möglich machen.“ Ihre „Pflanzenklappe“, die es ermöglicht, ungeliebte Gewächse anonym abzugeben, werden sie zu diesem Anlass nicht aufstellen. „Das machen wir nur temporär ein- bis zweimal im Jahr“, sagt Grosch. Diese Aktion, die ganz bewusst das Bild der „Babyklappe“ aufgreift, hat sie berühmt gemacht.

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