„Das sind 500 Euro mehr“: Gebühren-Schock in knapp 100 Frankfurter Straßen
Anwohner in knapp 100 Straßen der Stadt Frankfurt sollen teils mehr als doppelt so viel für Straßenreinigung zahlen - nun rührt sich erster Widerstand.
Frankfurt - Karl-Heinz Werr traute seinen Augen kaum, als er jetzt ein Schreiben von der Stadt öffnete: „Ich dachte, mich trifft der Schlag.“ Der Bewohner der Hilligengasse 17 in der Höchster Altstadt soll rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres statt bisher 350,76 Euro jährlich nun 844,68 Euro an Straßenreinigungsgebühren bezahlen. „Das sind 500 Euro mehr - ein Wahnsinn“, kommentiert der Höchster die saftige Erhöhung.
Ein Schicksal, das er mit vielen anderen Frankfurtern teilt, wie Umweltamt-Sprecherin Lea Kreher auf Anfrage erklärt. „Mit der letzten Änderung der Straßenreinigungssatzung haben wir bei einer Reihe von Straßen die Reinigungsklasse angepasst. Hiervon waren knapp 100 Straßen im gesamten Stadtgebiet betroffen.“ Es handele sich dabei überwiegend um Abschnitte, die in der Vergangenheit in eine niedrigere Reinigungsklasse eingestuft gewesen seien als das unmittelbare Umfeld. Da Verunreinigungen nicht an der Straßenecke haltmachten und oft verschleppt oder verweht würden, habe der städtische Müllentsorger FES letztlich genauso intensiv in den anliegenden Straßen gereinigt. Deshalb sei es unvermeidlich gewesen, die Reinigungsklassen anzuheben.

Betroffene Frankfurter legen Einspruch ein
So rutschte Werr mit seinem Haus in der Hilligengasse von der Klasse 2, bei der zumindest in der Theorie zwei Mal pro Woche gereinigt werden soll, in die Klasse 3 - hier sind fünf Reinigung pro Woche fällig. Darüber kann er nur den Kopf schütteln. „In unserer Straße taucht höchstens mal alle 14 Tage eine Reinigungskraft auf.“
Das bestätigen auch andere Bewohner seiner Straße, von denen viele ähnlich saftige Erhöhungen aufgebrummt bekamen: Inge Bürkel soll nun 186 statt bisher 74 Euro pro Jahr berappen, Stephan Slachmuylders 225 statt bisher 95 Euro. Dass sie weniger als Werr zahlen müssen, liegt daran, dass ihre Grundstücke kleiner sind: Pro Quadratmeter Reinigungsfläche werden 1,96 Euro Gebühr fällig.
Anwohner halten die Frankfurter Straßen selbst sauber
Gezahlt werden muss für die Frontlänge des Grundstückes bis zur halben Straßenbreite. Auch Slachmuylders hat bereits Einspruch eingelegt. Er sei zwar ein „duldsamer Mensch, aber die Erhöhung der Straßenreinigungsgebühren sprengt einfach jeden Rahmen“. Wie andere Nachbarn auch habe er sich längst zur eigenen Aufgabe gemacht, das Gässchen sauber zu halten: „Jeden Morgen mache ich die Runde, räume Hundekot weg, sammle Scherben ein, zerkleinere Sperrmüll - weil ich einfach in einer sauberen Nachbarschaft leben möchte.“
Wehren gegen die Erhöhung will sich auch Sonja Möschter in der benachbarten Storchgasse, die von Klasse 1 auf 2 hochgestuft wurde. Das bedeute eine Reinigung zwei Mal statt bislang einmal die Woche: „Wäre schön, wenn man das auch bemerken würde“, kommentiert sie verärgert. Und berichtete von den Zuständen in ihrer Straße: „Überquellende Mülltonnen bei überbelegten Häusern, bei denen der zu Boden gefallene Müll vom Winde verweht wird und direkt vor unsere Haustür landet.“
Einstufung für viele Frankfurter nicht nachvollziehbar
Sonja Möschter kritisiert: „Statt sich die Müllverursacher vorzunehmen, bittet die Stadt lieber die Eigentümer zur Kasse.“ Und noch etwas versteht sie nicht: „Nach welchen Kriterien haben die bestimmt, wer hochgestuft wird oder wer nicht?“ So sei der Burggraben, die oft vermüllte kleine Gasse in der Höchster Altstadt, weiter in der Klasse 1. Man müsse, so entgegnet Lea Kreher vom Umweltamt, unterscheiden zwischen den Reinigungskosten nach Straßenreinigungssatzung und den Kosten für die Beseitigung größerer wilder Müllablagerungen. Mit letzteren habe man es im Burggraben zu tun. Diese Kosten würden aus der Abfallgebühr gedeckt.
Den Vorwurf, die Stadt würde Eigentümer über Gebühr zur Kasse bitten, will sie nicht stehen lassen. Schließlich sei es das grundsätzliche Prinzip der Straßenreinigungsgebühr, die Kosten der Reinigung auf die Anlieger umzulegen. Außerdem würden bei Straßen mit höhererem Durchgangsverkehr und stärkerer Verdreckung 20 Prozent der Reinigungskosten zur Entlastung der betroffenen Anlieger nicht über die Gebühr, sondern aus dem allgemeinen Haushalt der Stadt gedeckt.
Naturstein-Pflasterung in Frankfurt wird von Hand gereinigt
Ebenso widerspricht Kreher den Angaben der Anwohner, dass die Hilligengasse nur selten gereinigt werde. „Für die letzten Wochen liegen uns lückenlos Reinigungsberichte vor, die belegen, dass Reinigungsteams vor Ort waren“, sagt sie. Auch könne über GPS-Daten der Kehrmaschinen belegt werden, dass in dem Bereich Reinigungen erfolgt seien. Die Hilligengasse wird allerdings wegen der Naturstein-Pflasterung ausschließlich von Hand gereinigt.
Dass die „erhöhte Schlagzahl“ der Reinigungen den Nachbarn bislang nicht aufgefallen sei, könnte aber noch eine anderen Grund haben, vermutet sie: Die FES habe die zusätzlichen Reinigungen schon vor dem 1. Januar 2023 vorgenommen - doch erst jetzt sei die Umlage der Kosten erfolgt. (Michael Forst)