Angst vor der Abschiebung
Eine Rödelheimer Flüchtlingsinitiative lädt zum Willkommensfest für die Neuankömmlinge im Stadtteil. Doch bei manchen Geflüchteten hält sich die Freude darüber in Grenzen. Sie stellen sich die Frage, wie lange sie in Deutschland noch willkommen sind. Einigen droht die Abschiebung.
Jane sieht sich noch immer als „Wirtschaftsflüchtling“. Sie wuchs in Wales auf. „Doch vor gut 40 Jahren bin ich nach Deutschland ausgewandert. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt waren dort viel größer. Ich weiß daher, wie es ist, wenn man seine Heimat verlässt und an einem anderen Ort auf ein besseres Leben hofft“, sagt sie.
Ihr Gegenüber Tamshad (23) hört das gerne. Der junge Mann aus Pakistan ist seit einem Jahr in Deutschland. Wochenlang war er zuvor von Zentralasien nach Europa unterwegs, überquerte dabei sogar die Ägäis auf einem überfüllten Boot mit Dutzenden anderen Geflüchteten.
Die Rödelheimer Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Rödelheim“ (WIR) hat zum Willkommenfest in die Cyriakus-Gemeinde in der Alexanderstraße geladen, um Menschen aus dem Stadtteil und Neuankömmlinge zusammenzubringen. Auf der Bühne steigt ein multikulturelles Tanz- und Musikprogramm. Rödelheimer und Flüchtlinge hatten zuvor gemeinsam gekocht, so dass es am Essen, vor allem an nah- und fernöstlichen Spezialitäten, nicht mangelt.
Doch Tamshad nagt sehr langsam an einer kleinen Hähnchenkeule, seine Sorgen lassen keinen wirklichen Appetit aufkommen. So sehr ihn Janes Empathie und ihr ähnliches Schicksal bewegen, so sehr er sich darüber freut, dass er auf dem Willkommensfest weitere Kontakte zu Einheimischen knüpfen kann – seine Situation macht ihm Angst.
Ausbildungsplatz
Jüngst hat er vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Bescheid erhalten, dass ihm die Abschiebung droht. Wann es soweit sein soll, weiß er noch nicht. Dass er derzeit eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Heizungs- und Klimaanlagentechnik absolviert, sei dem Ministerium egal, sagt er, obwohl ein Ausbildungsplatz Flüchtlinge doch vor einer Abschiebung bewahren solle.
Tamshad hat sich auch darüber hinaus alle Mühe gegeben, sich in Deutschland zu integrieren: Seit er hier ist, hat er drei Mal pro Woche an Deutschkursen in Rödelheim teilgenommen. Auch an der Volkshochschule hat er seine Sprachkenntnisse verbessert. Und zwar so sehr, dass ihn der Unterricht dort irgendwann nicht mehr weiterbrachte.
Die Flüchtlingshelfer von WIR geben sich größte Mühe, Tamshad und anderen von der Abschiebung bedrohten Flüchtlingen zu helfen. Till und Torsten von WIR helfen Flüchtlingen wie Tamshad den Überblick über das Dickicht der deutschen Bürokratie zu behalten. Sprachkurse für Flüchtlinge werden organisiert und Kita-Plätze für deren Kinder gesucht. Till, Torsten und andere Helfer kontaktieren zudem Anwälte, die Widerspruch gegen drohende Abschiebungen einlegen sollen.
Kurzfristige Bescheide
Doch oft bleibt beiden und den anderen Flüchtlingshelfern kaum Zeit, auf die Bescheide zu reagieren. „Sie gehen meist sehr kurzfristig ein. Kurz darauf kommen Busse vom BAMF, um die Flüchtlinge abzuholen“, sagt Torsten, der sich darüber freut, dass das Willkommensfest mehr als gut besucht ist. Allerdings macht er sich Sorgen, wie lange einige der Festgäste noch in Deutschland bleiben dürfen.
Torsten kritisiert aber nicht nur das BAMF, sondern auch die Stadt Frankfurt. Deren Behörden könnten weit mehr tun, um den Flüchtlingen zu helfen. „Der Kontakt zu den Behörden ist nicht schlecht, könnte aber auch besser sein. Wir müssen Mitarbeitern von Ämtern viele Informationen aus der Nase ziehen, warten oft sehr lange, bis Unklarheiten beseitigt sind“, klagt Torsten.
In anderer Hinsicht sind die Flüchtlingshelfer fast machtlos: Imke, die mit Tamshad und Jane an einem Tisch sitzt, berichtet, dass es derzeit nicht leicht sei, genügend Anwälte zu finden, die sich mit Flüchtlingsrecht auskennen: „Gerade um die Weihnachtszeit ist es extrem schwer, Rat zu finden.“