Auf den Traum vom Fußballprofi folgt für Mike Josef der Traum vom OB in Frankfurt

Am 5. März haben die Frankfurter die Wahl: 20 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um das Amt des Stadtoberhauptes. In einer kleinen Serie stellen wir einzelne Kandidaten vor. Hier: Mike Josef (SPD).
Frankfurt -Was bestellt ein Politiker zum Essen in der Öffentlichkeit eines Lokals? Vegetarische Pasta? Einen veganen Gemüseteller? Oder traut er sich gar an ein Stück Fleisch? Ja, das Private ist mehr denn je politisch geworden zur OB-Wahl in Frankfurt.
Wir treffen Mike Josef, den Oberbürgermeisterkandidaten der SPD, und seine Frau Chrisovalandou, genannt Chris, im Gasthaus „Henscheid“. Die beiden müssen nicht überlegen, was sie essen. Sie bestellen einfach das, was für sie im „Henscheid“ immer auf den Teller kommt: das Quittenrahmschnitzel mit Bratkartoffeln.
Der 40-Jährige und seine zwei Jahre jüngere Ehefrau wohnen zehn Fußminuten entfernt von dem Kult-Lokal in Bornheim. Benannt ist es nach dem Schriftsteller und Satiriker Eckhard Henscheid, Mitglied der Neuen Frankfurter Schule. Laut Wirtin Christa Brill fühlt sich Henscheid durch die Namensnennung geehrt, ist das Gasthaus doch die Fortführung des Satire-Lokals Klabunt. Der Dichter hat höchstpersönlich zur Eröffnung des „Henscheid“ am 3. Juli 2014 ein „kleines, buntes Programm“ präsentiert. An den Wänden des Lokals hängen Karikaturen von Katharina Greve, die natürlich ihre Werke wie früher Henscheid in der Satirezeitschrift „Titanic“ veröffentlicht.
Die Frau des Herzens kennen gelernt, als sie nasse Füße hatte
Satire, Scherz und Ironie: Das ist es, was auch die Josefs schätzen. Denn neben vielem anderen ist es der Humor, der die beiden verbindet. „Wir lachen gerne zusammen“, sagt die 38-Jährige. Kennengelernt haben sie sich an der Goethe-Uni. In einer Vorlesung zur Rechtsgeschichte bei Prof. Michael Stolleis setzte sich Chris an einem regnerischen Tag auf den einzigen freien Platz im Hörsaal neben Mike Josef. Die Begegnung verlief wenig romantisch: „Sie erzählte mir, dass sie nasse Füße habe, und ich erzählte ihr, dass ich nichts sehe, weil ich meine Brille in Reparatur hatte“, erinnert sich Mike Josef.
Dann war erst mal vier Jahre Pause. Er engagierte sich erfolgreich im Asta-Vorstand für die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen. 2009 sahen sich die beiden wieder und wurden ein Paar. Es war Liebe auf den zweiten Blick. Heute haben die beiden zwei Söhne, drei und sechs Jahre alt.
Der Anruf bei Ajax Amsterdam
Chris Josef ist in Offenbach geboren, ihre Eltern stammen aus Griechenland. 2012 wurde geheiratet. Ihre „Big Fat Greek Wedding“ (die große griechische Hochzeit) fand im Exis statt, dem Vereinslokal von Blau-Gelb Frankfurt in Ginnheim. Die Trauung erfolgte nach griechisch-orthodoxem Ritus. Mike Josefs Familie stammt aus dem syrischen Kameshly. Mit dem damals Vierjährigen zog die Familie nach Ulm. Weil ihnen dort ein evangelischer Pfarrer sehr bei der Integration half, trat die Familie vom aramäischen Glauben (syrisch-orthodox) zum Protestantismus über.
Mike Josef entdeckte als Kind seine Liebe zum Sport. Er kickte beim SSV Ulm mit dem gleichaltrigen Matthias Lehmann, genannt Matze, und gehörte sogar dem erweiterten Nachwuchskader der baden-württembergischen Fußballjugend an. Während Matze den Sprung zum Fußballprofi schaffte, reichte es für Mike Josef nicht. Matze spielte in der Saison 2011/12 für Eintracht Frankfurt in der zweiten Bundesliga. Kontakt haben die beiden noch immer.
Für den Traum von der Fußballerkarriere habe er als Junge alles versucht. „Als ich elf oder zwölf war, habe ich meine Mutter gezwungen, bei Ajax Amsterdam anzurufen“, erinnert er sich. Vergebens. Die Liebe zum Fußball ist Mike Josef geblieben. Sein Vater war großer Fan des Brasilianers Pelé, der Schwiegervater hat drei Töchter und ist begeistert, dass er mit seinem Schwiegersohn über Fußball reden kann. Er schaut sich gelegentlich alte WM-Spiele im Netz an. Gemeinsam spricht man über spielentscheidende Szenen, so als Rob Rensenbrink 1978 im Finale Niederlande gegen Argentinien in der 90. Spielminute gegen den Pfosten schoss. Ein Tor hätte den Titel bedeutet. So aber war Holland in Not und verlor in der Verlängerung 1:3.
Die erfolgreiche Kampagne gegen die Studiengebühren als Studentenführer bedeutete für Mike Josef den Start in eine politische Karriere. Nach dem Studium wurde er Gewerkschaftssekretär, 2011 Stadtverordneter, ein Jahr später Chef der Frankfurter SPD, 2016 Stadtrat. Heute ist der 40-Jährige Planungs- sowie Sportdezernent und hat den Traum, Oberbürgermeister zu werden. „Ich glaube, er wäre ein guter OB“, sagt seine Frau. „Ich habe ihm zugeraten zu kandidieren.“
Im Wahlkampf ein Maximum an Belastung erreicht
Ein Dezernent hat keine 35-Stunden-Woche. Wie viel Privates lässt die Politik noch zu? Mike Josef lässt es sich nicht nehmen, am Morgen mit den Kindern zu frühstücken. „Den Kleinen bringt er danach in den Kindergarten“, sagt seine Frau. „Auch im Wahlkampf macht er das.“ Ob er abends nun um 20 oder um 23 Uhr heimkommt, ist egal, denn zu diesen Zeiten schlafen die Kinder schon. Die Frauen von Berufspolitikern stehen im Verdacht, einsam zu sein (wie Hannelore Kohl). Chris sieht das nicht so: „Ich hab’ ja die beiden Jungs.“ Und ihr Mann findet: „Das Gute an der Kommunalpolitik ist: Am Ende des Tages kommst du nach Hause.“ Sollte ihr Mann nun OB werden, fürchtet Chris nicht, dass sie ihn noch weniger sieht als bisher, denn: „Er war ja schon viel weg, als er noch Gewerkschaftssekretär war.“ Das war Mike Josef von 2011 bis 2016. Er fügt hinzu: „Ein Oberbürgermeister kann seinen Terminkalender steuern.“ Sie findet aber, dass mit den Belastungen des Wahlkampfs ein Maximum erreicht sei. An ihrem Mann schätzt sie, dass sie über die gleichen Geschichten lachen können. „Es ist immer lustig zusammen.“ Zudem sei er „ein großer Familienmensch“. So gehört es zu den Traditionen ihrer beiden Herkunftsfamilien, „nicht mit einem Streit zu Bette zu gehen“.
Mike Josef weiß, dass seine Frau „vieles kompensiert. „Ich kann mich auf sie verlassen, sie ist ein herzensguter Mensch.“ In seinem Studium der Politikwissenschaft habe sie ihm „Antrieb gegeben für die Diplomarbeit“.
Chris Josef selbst hat ihr damaliges Jura-Studium nicht abgeschlossen. Nun studiert sie im dritten Semester Architektur - „das, was ich schon immer machen wollte“. Sie sieht sich als die Kreative in der Familie; „er hat sich reingefuchst in seinen Bereich.“ Möglicherweise muss er das nun auch in das Amt des Oberbürgermeisters. (Thomas Remlein)