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Auf Firmendächern ist viel Platz für Solarzellen

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Je schräger das Dach ist, desto komplizierter und damit auch teurer ist die Montage der Solarpanels. Weil viele Firmengebäude Flachdächer haben, ist die Montage dort entsprechend günstiger. Das macht es um so attraktiver, wirbt Enviria für sein Konzept.
Je schräger das Dach ist, desto komplizierter und damit auch teurer ist die Montage der Solarpanels. Weil viele Firmengebäude Flachdächer haben, ist die Montage dort entsprechend günstiger. Das macht es um so attraktiver, wirbt Enviria für sein Konzept. © picture alliance/dpa

Frankfurter Startup Enviria ist nach eigenen Angaben Marktführer bei Photovoltaik für Unternehmen.

Frankfurt. Er ist einer der großen Spieler in der Solarbranche: Melchior Schulze Brock (40), Geschäftsführer des Frankfurter Startups Enviria, wird bis Jahresende eine Million Quadratmeter Solarzellen auf Firmendächer gebracht haben. Diese Fläche - ein Quadratkilometer - bringt rund 100 Megawatt „peak“, also in der Spitze. Im Hochsommer zur Mittagszeit. Die Kunden von Enviria produzieren den Strom überwiegend für den Eigenbedarf, müssen aber je nach Strombedarf, Wetterlage und Größe ihrer Solaranlage zusätzlich mehr oder weniger Energie auch aus dem Netz beziehen.

Halb so teuer wie beim Einfamilienhaus

Da stellt sich die Frage, ob sich die Investitionen überhaupt rechnen? Mit 900 Euro pro Kilowattstunde „peak“, also für eine Solarfläche von fünf Quadratmetern, muss man auf großen, flachen Dachflächen für Anschaffung und Montage rechnen; das ist gut die Hälfte von dem, was man auf einem Einfamilienhaus-Satteldach zahlen müsste. „Die Kilowattstunde Strom vom Firmendach verursacht Kosten im einstelligen Centbereich“, sagt der studierte Betriebswirt Schulze Brock. „Maximal sind es bei komplizierten Dächern 15 Cent. Für ein Unternehmen kostet die Kilowattstunde aus dem Netz jedoch zurzeit mindestens 25 Cent.“ Das heißt, die Investition sollte sich rasch amortisiert haben - und es kann für Firmen eine Maßnahme gegen die horrenden Energiekosten sein.

Im gemütlichen Firmensitz in Frankfurts Niddastraße rechnen daran etliche Ingenieure. Sie entwerfen die Dachflächen an Computerbildschirmen. Ein Stockwerk tiefer sitzt der Vertrieb mit den Mitarbeitern. Mehrere Dutzend „Enviristas“ arbeiten in Frankfurt. „Das Gros der Mitarbeiter“, sagt Schulze Brock, „ist in den Dependancen in ganz Deutschland beschäftigt. Es sind die Monteure, die die Ständer aufs Dach bringen, die Solarpanels befestigen, die Wechselrichter installieren, den Strom ins Firmennetz bringen. Insgesamt hat Enviria zurzeit 178 Mitarbeiter, doppelt so viele wie vor einem Jahr. Neben den Dependancen gibt es auch noch ein Lager in Sachsen. „Wir haben Ständer und Solarpanels für mehrere Monate“, sagt Schulze Brock. Es ist die Erfahrung, die die junge Firma im Corona-Lockdown gemacht hat, als plötzlich nichts mehr lieferbar war.

Auch die Aufträge kommen aus ganz Deutschland - interessanterweise jedoch sind es nur wenige Frankfurter Unternehmen, die bislang zu den Kunden des Frankfurter Anbieters zählen. Für Enviria ist wichtig, dass im Prinzip jedes Unternehmen bedient werden könne - von Großkunden bis zu Handwerksbetrieben: „Wichtig ist nur, dass die Dachfläche mindestens 700 Quadratmeter groß ist“, sagt Schulze Brock. „Unsere Ingenieure gehen dann vor Ort, schauen sich das Dach an - ist es tragfähig genug, sollte es vorher saniert werden, gibt es Hindernisse - und wir erstellen den Kostenvoranschlag.“

Vom Verkauf und dem Aufbau beim Kunden bis dahin, dass die Anlage komplett im Besitz von Enviria bleibt, der Kunde lediglich den Strom bezieht und sonst nichts mit den Solarzellen auf dem Dach zu tun hat, reicht das Angebotsspektrum. So müssen die Unternehmen nicht unbedingt viel investieren. Auch die Auseinandersetzung mit der Bürokratie und den Stromanbietern nimmt Enviria den Unternehmen ab. 400 Kunden hat das Unternehmen bislang schon in Deutschland, davon 40 in Hessen, und ist laut Schulze Brock Marktführer.

Solarzellen auf dem Bauernhof

Der jungenhafte Schulze Brock ist vom Solarvirus infiziert. „Meine Eltern haben einen Bauernhof. Da habe ich das schon als Jugendlicher mit durchgesetzt.“ Seitdem hat ihn die Idee nie mehr losgelassen. Und dass es ein Markt sein müsste, große, geschlossene Dachflächen mit Panels zu bedecken statt verwinkelter Einfamiliendächer, das lag auch in der Luft. Das Geschäftsmodell des 2017 gegründeten Startups setzt sich allmählich durch, doch es ist noch viel Luft nach oben: „Wenn ich an Frankfurt denke, glaube ich, hier könnte man noch mindestens eine Million Quadratmeter auf Büro- und Firmendächern installieren“, schätzt der Unternehmer. Allein in Frankfurt. 2021 erhielt Schulze Brock den hessischen Gründerpreis.

Melchior Schulze-Brock in der Firmenzentrale in Frankfurt.
Melchior Schulze-Brock in der Firmenzentrale in Frankfurt. © Thomas J. Schmidt

Die Energiewende ist einerseits ein enormer Risikofaktor für die Wirtschaft wegen der exorbitanten Energiepreise, andererseits bietet sie Chancen, wie man an Enviria sieht. Kaum jemand hat die riesigen Dachflächen von Lagerhallen, Fabrikgebäuden, Verwaltungsgebäuden oder Schulen und Turnhallen vor Augen, wenn er an Solardächer denkt. „Diese Dächer sind meist flach“, sagt Schulze Brock. „Sie haben eine Haut aus Bitumen oder Folie.“ Es sei viel einfacher, hier Ständer für Solarzellen aufzubauen, als auf einem Ziegeldach. Deswegen kostet der Quadratmeter Solar auf solch großen und einfachen Dächern auch nur rund die Hälfte dessen, was Besitzer von Einfamilienhäusern zahlen müssen. Die Masse macht’s. (tjs)

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