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Ende einer Ära: „Das letzte Binding-Bier aus Frankfurt wurde diese Woche gebraut“

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Die Brautradition auf dem Sachsenhäuser Berg in Frankfurt endet. Radeberger schließt die Binding-Brauerei.
Die Brautradition auf dem Sachsenhäuser Berg in Frankfurt endet. Radeberger schließt die Binding-Brauerei. © Renate Hoyer

Die Binding-Brauerei in Frankfurt macht trotz Widerstands endgültig dicht. 157 Beschäftigte sind betroffen. Nicht nur OB Mike Josef kritisiert die Entscheidung.

Frankfurt - Sie haben Unterschriften gesammelt, sind zur Oetker-Zentrale nach Bielefeld gefahren und haben zigmal an Demonstrationen teilgenommen. Am Ende konnten die Beschäftigten der Binding-Brauerei den Oetker-Konzern, zu dem die Radeberger-Gruppe gehört, nicht von der Schließung der traditionsreichen Brauerei in Sachsenhausen abhalten. „Das letzte Binding-Bier aus Frankfurt wurde diese Woche gebraut, das Bier wird in den nächsten Wochen abgefüllt werden, und dann kommt Binding-Bier zukünftig per Lkw unökologisch aus Dortmund oder Nürnberg nach Frankfurt“, schreibt Harald Fiedler, Sprecher des Unterstützerkreises „Binding bleibt“, in der Pressemitteilung.

Auch NGG-Gewerkschafter Hendrik Hallier bestätigt im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau das endgültige Aus am Standort Frankfurt. Der letzte Brauvorgang sei abgeschlossen, nun würde nur noch das Bier aus den Kesseln abgefüllt. Voraussichtlich im Herbst soll auch das enden.

Binding in Frankfurt: Betriebsrat hat Interessensausgleich und Sozialplan vereinbart

Der Betriebsrat habe – auch dank des öffentlichen Drucks – einen Interessenausgleich und Sozialplan ab 1. Juni dieses Jahres vereinbaren können, schreibt Fiedler weiter. Ein Teil der 157 Betroffenen aus der Frankfurter Abfüllung wechsele nach Bischofsheim (Kreis Groß-Gerau), wo es ebenfalls noch einen Binding-Standort gebe, sagt Hallier. Er bezeichnete dies als „Notlösung“. Der andere Teil der Beschäftigten wurde mit einer Abfindung versehen. Auch Kündigungsfristen von teilweise bis zu neun Monaten konnten verhandelt werden.

„Jedoch ersetzt all das nicht den Arbeitsplatz, viele der Betroffenen sind länger als 30 Jahre in der Brauerei am Sachsenhäuser Berg beschäftigt. Sie haben mit Herzblut für ihre Brauerei gearbeitet und vollen Einsatz gebracht“, beklagt Fiedler.

Binding-Aus: Scharfe Kritik an Partnerschaft mit Eintracht Frankfurt

Die Radeberger-Gruppe bestätigte am Donnerstag die Einigung auf einen Interessenausgleich. Dieser biete nun allen Planungssicherheit. Da sich die Mehrzahl für einen alternativen Arbeitsplatz oder andere sozialverträgliche Lösungen entschieden hätte, „konnten wir die Zahl der tatsächlich notwendigen Kündigungen ganz deutlich reduzieren“. Im Herbst hatte Radeberger mitgeteilt, dass die Verwaltungsjobs in Sachsenhausen erhalten blieben. Auch der zentrale Sitz der Radeberger-Gruppe bleibe in Frankfurt.

Geradezu als Verhöhnung empfanden die Beschäftigten vor wenigen Tagen die Nachricht, dass Eintracht Frankfurt eine Partnerschaft mit Binding eingegangen ist und künftig das Bier im Waldstadion, dem Stadion am Brentanobad und dem Sportpark in Dreieich ausgeschenkt wird. Dabei fielen viele Marketingsprüche, wie „Stolz auf die Stadt“, „Frankfurt im Herzen“ und „Bewusstsein für Tradition“ – auch vonseiten der Eintracht. Dazu kommentiert Fiedler nur: „Auf jeden Fall ist Bier, das in Nürnberg und Dortmund gebraut wird, kein Frankfurter Bier mehr, und mit Tradition aus Frankfurt hat es schon gar nichts mehr zu tun“.

Binding in Frankfurt: Josef will Grundstück nicht der Spekulation preisgeben

Die Frankfurter Stadtpolitik hatte in den vergangenen Monaten versucht, in Gesprächen und gemeinsamen Appellen, Radeberger noch zum Umdenken zu bewegen. Dabei machte sie klar, dass sie eine Nutzung des Brauereigeländes für Wohnungsbau – anders als im Fall des benachbarten früheren Henninger-Geländes – nicht mittragen werde. Im OB-Wahlkampf waren sogar Forderungen nach einem Einstieg der Stadt bei der Brauerei laut geworden.

OB Mike Josef (SPD) teilte am Donnerstag auf Anfrage mit, er habe kein Verständnis für die Entscheidung der Radeberger Gruppe. Immerhin habe der Druck der Gewerkschaften und des Betriebsrats aber zu einem angemessenen Sozialplan geführt. Klar sei: „Wir werden das Grundstück nicht der Spekulation preisgeben“.

Binding-Areal soll auch künftig gewerblich genutzt werden

Für die CDU im Römer nannte Fraktionsvize Yannick Schwander das Aus für Binding am Donnerstag „sehr traurig“. Dies tue der Fraktion vor allem für die Beschäftigten sehr leid. Vorwürfe gegen die Koalition sparte er sich. Der Konzern sei allem Anschein nach entschlossen gewesen, den Standort zu schließen, sagte er im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Nun sei es wichtig, aber auch Konsens, dass das Areal weiter gewerblich genutzt werde.

In der Tat liegt den Stadtverordneten bereits ein Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans für das Quartier vor. Mit diesem will der Magistrat den Standort sichern und eine Nutzung des Areals für Rechenzentren ausschließen.

IHK Frankfurt fordert mehr Flächen für Industrie und Gewerbe

Die Linke im Römer sprach von einem harten Schlag für den Industriestandort und die Beschäftigten. Diese „zahlten die Zeche für gravierende Fehler des Managements und eine rücksichtslose Profitgier der Milliardärsfamilie Oetker“, sagte Fraktionschef Michael Müller.

IHK-Präsident Ulrich Caspar forderte die Stadt auf, nun in die Analyse zu gehen, wie solche Unternehmensverluste in Zukunft verhindert werden könnten. Nötig sei es etwa, mehr Flächen für Industrie und Gewerbe auszuweisen, damit „sich unsere Unternehmen entwickeln und dem Standort treu bleiben können“. Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP) wollte sich am Donnerstag aus Zeitgründen nicht äußern. (Christoph Manus/Steven Micksch)

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