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Ausgesperrt aus dem Familiengrab

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Doris Ober darf in den nächsten 13 Jahren nicht im Grab ihrer Familie beigesetzt werden.
Doris Ober darf in den nächsten 13 Jahren nicht im Grab ihrer Familie beigesetzt werden. © Friedrich Reinhardt

Frankfurt hat Tiefenbestattungen abgeschafft

Frankfurt -Schon als Kind ist Doris Ober zum Grab ihrer Familie auf den Friedhof an der Engelthaler Straße gekommen. Die 68 Jahre alte Frau stammt aus einer alten Eckenheimer Familie und die liegt begraben in der Grabstätte mit der Gewannnummer 9 bis 11. Hier ruhen ihre Urgroßeltern, ihre Oma und ihr Opa, Tanten und seit Ende Juni ihre Mutter. „Es war immer klar, dass auch ich hier einmal beerdigt werde“, erzählt sie. „So wie ich in dem Haus wohne, das mein Großvater gebaut hat.“ Sie steht in einer Familientradition, so sieht sie das. Davon könnte sie aber ausgeschlossen werden - vom Friedhofsamt und einer Fichte.

„Wenn ich jetzt vom Auto überfahren werde, kann ich nicht im Familiengrab beerdigt werden“, sagt sie. Wie sehr sie das anfasst, blitzt kurz auf. Ihre Stimme zittert kaum merklich. Dann wird sie sauer. „Dann lass ich mich halt irgendwo unter einem Baum bestatten. Wenn das Friedhofsamt so mit mir umgeht, ist jeder Cent zu viel, den ich hier reinstecke.“ Dann wird sie sofort wieder sachlich.

Neue Regelung seit 2018

Der Grund dafür, dass Ober womöglich nicht in ihrem Familiengrab beerdigt werden kann, ist eine Änderung der Friedhofssatzung aus dem Jahr 2018. Seither bietet die Stadt keine Tiefgräber mehr an. Bei dieser Bestattungsform werden mehrere Särge übereinander in die Erde gebracht. Ohne diese Stapelei ist für Ober aber kein Platz im Familiengrab. Es besteht aus drei Grabfeldern. Bis 2048 ist das Grab mit der Nummer 9 durch ihre Mutter blockiert, ihre Tante liegt mittig auf den Gräbern zehn und elf. Bis 2036 kann dort niemand beerdigt werden und der verbleibende Platz auf Grab elf wird von den Wurzeln einer Fichte blockiert.

In Zeiten, in denen Frankfurt fürchten musste, dass ihm die Gräber auf den Friedhöfen ausgehen, waren Tiefgräber eine Methode, um Platz zu sparen. Seit die Zahl der Bestattungen in Frankfurt aber zurückgeht - Erdbestattungen insbesondere -, besteht dieses Problem nicht mehr. Nur 27 Prozent der insgesamt 5214 Beisetzungen erfolgten 2022 im Sarg. Im Jahr 2000 waren es noch 5959 Beerdigungen, 2010 waren es 5349.

Das Grünflächenamt, das auch für Friedhöfe zuständig ist, begründet die Abschaffung der Tiefgräber zudem mit den Bodenverhältnissen auf einem Teil der Frankfurter Friedhöfe. Die beeinträchtigten bei Tiefgräbern den Verwesungsprozess der Leichname.

Nur zwei zum Preis von dreien

Zwei Aspekte davon, wie das Grünflächenamt ihren Fall behandelt, empören Ober. Zum einen gebe es durchaus die Möglichkeit, eine Ausnahme zu beantragen, und doch noch eine Tiefenbestattung zu erhalten. Davon habe sie aber erst nach der Beerdigung ihrer Mutter erfahren. „Jetzt kann sie wegen der Totenruhe nicht mehr verlegt werden“, erklärt Ober. Die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, müsse das Amt daher besser kommunizieren.

Das Amt verweist auf das Bestattungsunternehmen. „Das ist bei einem Sterbefall der erste Ansprechpartner“, sagt Lena Berneburg, Sprecherin des Grünflächenamts. „Im Laufe des Beratungsgesprächs sollte darauf hingewiesen werden, dass Tiefenbestattungen in Frankfurt nicht mehr möglich sind und dass mit der Friedhofsverwaltung die Problemstellung weiter erläutert werden kann.“. Grundsätzlich gebe es deshalb sehr wenige Anfragen und stets suche das Amt nach alternativen Lösungen. Dass etwa die Grabstätte erweitert wird oder eine Urnenbestattung möglich ist. Verbrannt zu werden, schließt Ober aber energisch aus.

Wurzel verhindert Sargbestattungen

Der zweite Punkt, der sie empört, ist, dass sie für drei Grabstellen zahlen muss, aber wegen der Baumwurzeln der Fichte nur zwei genutzt werden können - zumindest für Sargbestattungen. Das Grünflächenamt bestätigt das. „Da jedoch weiterhin Urnenbeisetzungen dort stattfinden können, steht die gesamte Grabfläche potenziell zur Verfügung und wird daher weiter als Gesamtgrabstätte berechnet“, sagt Berneburg.

Für Ober bedeutet all das Unsicherheit. Sie hat keine Kinder, muss ihre Beerdigung selbst organisieren. Ob sie aber 81 Jahre alt wird, kann sie nicht wissen. Vorher bleibt sie aus ihrem Familiengrab ausgesperrt.

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