Außerirdische Invasion in Frankfurt: Wesen aus einer anderen Welt stürmen das Nordwestzentrum

Beim Cos Day wuselten, tanzten und schritten hunderte Superhelden, Bösewichte und skurrile Figuren durch Gänge und Läden.
Frankfurt -Das Cockpit vom rasenden Falken, dem Millennium Falcon, ist 2000 Kilo schwer, sechs Meter lang, drei Meter breit und ist mitten im Nordwestzentrum gelandet. Einige Star Wars Krieger bauen sich für Selfies davor auf, während 80 weitere bewaffnet durch Gänge patrouillieren, mit kantigen Armbewegungen Kindern zuwinken und im Erdgeschoss auf der Bühne der Nudelschlürfwettbewerb läuft. Überall wimmelt es von Gestalten in Geisha-Kostümen, pinkfarbenen und blauen Perücken, puscheligen Tierfiguren. Mittendrin Menschen, die ahnungslos hineingeraten sind in die Wunderwelt des Cos Plays und sich vergnügt mitreißen lassen von lebendig gewordenen Fantasie-Figuren aus aller Welt. Es sind Begegnungen der anderen Art. Dort, wo man sich sonst zum Bummeln, Essen und Trinken trifft, trifft man plötzlich auf Spiderman, Feen und Fabelwesen.
Ein riesiger Rabe breitet seine Flügel aus, die Augen blinken rot. Nur an schwarzen Socken und schwarz behandschuhten Armen mit langen rabenschwarzen Nägeln kann man erahnen, dass sich ein Mensch in dem schweren Kostüm befindet. Diana Billein (46) aus Gelnhausen steckt hinter dem sich öffnenden Schnabel. Drei Monate hat sie daran gearbeitet, Edgar Allen Poes Raben aus seinem Gedicht aus dem Jahr 1845 lebendig werden zu lassen. „Ich liebe diesen Raben, der nur das Wort ,nimmermehr‘ gesagt hat“, erzählt sie und hält den Kopf schief, lässt die Flügel schwingen, als wolle die Rabenfrau, die 2018 vom Cos-Play-Virus erfasst wurde, abheben und durchs Shoppingcenter flattern.
Auf dem Walter-Möller-Platz tummeln sich noch viel mehr verkleidete Menschen. Und auch manche in echter Uniform: Drei Polizeibeamte sind gerade auf dem Weg ins Zentrum, um dort nach dem Rechten zu sehen, drei andere Uniformierte stehen draußen. Sehen den echten Polizisten täuschend ähnlich, wäre da nicht ein kleiner, aber feiner Unterschied: Auf ihren Westen steht „Horny Police“, und ihre Waffen sind aus Latex. Passanten gucken irritiert von den echten zu den Cos-Play-Beamten, tuscheln und gucken noch mal.
Zwei Frauen aus dem Odenwald in prächtigen weißen barocken Kleidern mit weißen Hüten und weißen Sonnenschirmen sitzen lächelnd auf einer Bank. „Wir sind keine Cos Player, wir sind auch sonst öfter so unterwegs“, sagt Heidi Weyrauch und lacht vornehm. Ihre Tochter Yvonne ist Schneiderin und liebt es, kunstvolle Roben zu nähen. „Wenn ich mir etwas mache, will meine Mutter es auch, darum haben wir beide auch nicht einen Kleiderschrank voller Nichts anzuziehen, sondern zwei Zimmer voll Nichts anzuziehen“, verrät sie. Und auch, dass ihre Kinder bei den Cos Days dabei sind. „Eins ist Spiderman und beim anderen weiß ich es gar nicht. Ich sollte es nur nähen. Das habe ich gemacht, aber vergessen, zu fragen, was das für eine Figur darstellt“, verrät sie. Die Kinder sind ab- und eingetaucht in den Kosmos des Cos Plays, das sich aus den englischen Worten für Kostüm und Spiel zusammensetzt, seinen Ursprung in Japan fand und zum dortigen Fankult gehört und in den 1990er Jahren beim Manga- und Anime-Boom in die USA und nach Europa schwappte.
Erinnerungsfoto mit Fee
Possierliche Tierchen, wilde Monster, süße Pokémons, zauberhafte Feen und verwunschene Fabelwesen wuseln zwischen Familien und Jugendlichen herum, die sich kaum satt sehen können an den merkwürdigen Gestalten aus Märchen und Comics, aus Filmen und Videospielen. Kaum jemand, der nicht sein Handy zückt, um das bunte Treiben festzuhalten und um Selfies mit den Verkleideten zu machen. Man plaudert, lacht und lässt sich erzählen, wie viel Arbeit, Zeit und Geld in den Kostümen stecken. Neu dabei ist Ralf (23) aus Bad Homburg, der sich als Valorant aus dem Game Chamber verkleidet hat. „Freunde haben mich draufgebracht, und ich bin ein paar Mal mitgegangen, um zu gucken. Seit vergangenem Jahr bin ich dabei. Das macht voll Spaß, in eine andere Welt einzutauchen.“ Im Nu ist er mit wilden Gestalten aus Bonn, Bamberg und der Ukraine im Gespräch und mit Leuten, die eigentlich nur Einkaufen und Eis essen gehen wollten und sich anstecken lassen von der Fabelwelt.