Auto-Schnäppchen sind rar geworden

Händler rechnen damit, dass die Gebrauchtwagenpreise weiter steigen.
Frankfurt -Die Preise explodieren - für Sprit und Gas, aber auch für Autos. Der Gebrauchtwagenmarkt ist angespannt, zehn Prozent Preissteigerung binnen Jahresfrist ist nicht ungewöhnlich.
"Ich bin Händler seit 25 Jahren, so etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt Emir Avdic, Inhaber von Autoankauf Sofort in der Kruppstraße (Bergen-Enkheim). Die Preise steigen und steigen, Gebrauchtwagen werden zum Luxusgut. Dass Autohändler darüber traurig sind, muss man nicht erwarten. Indes: "Das Problem für mich ist der Ankauf. Es ist so schwer wie nie, an Autos heranzukommen." Avdic gibt ein Beispiel: "Ich kaufe jetzt gleich für 32 000 Euro einen gebrauchten Geländewagen. Vor dreieinhalb Jahren habe ich ein solches Auto - gleiches Baujahr, gleicher Kilometerstand - für 35 000 Euro verkauft. Da war er drei Jahre jünger." Es gehe durch alle Preisklassen. Auch kleine Wagen stiegen im Preis - sowohl im Ankauf als auch im Verkauf.
Volkan Burakcin von Auto Burakcin in der Mainzer Landstraße bestätigt den Trend: "Es geht quer durch alle Marken." Dies sagt auch Maged Saad, Inhaber von Maurice Cars einige Hundert Meter weiter in der Eichenstraße (Griesheim): "Um zehn bis 15 Prozent sind die Preise angezogen in den vergangenen Monaten." Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) nennt in einer Meldung unter Berufung auf eine Studie des Online-Marktplatzes Autoscout24, dass die Preise für Gebrauchtwagen in Hessen um 9,5 Prozent gestiegen sind. Die Preise kennen nur eine Richtung seit Januar 2021. Sie gehen rauf. In den Vorjahren, auch im Corona-Jahr 2020, gab es zumindest in den Sommermonaten einen Preisrückgang. In diesem Jahr nicht.
Laut Saad gibt es drei schwerwiegende Gründe für die gegenwärtige Marktsituation: "Erstens kommen zu wenige Neuwagen in den Handel. Weil das so ist, verlängern die Leasing-Kunden ihre Verträge." Fahrzeuge, die normalerweise nach drei Jahren von den Leasing-Unternehmen an den Gebrauchtwagenhandel weitergegeben werden, fehlen jetzt - schlicht deshalb, weil die Autohersteller nicht genügend Neufahrzeuge auf den Markt bringen. Dafür ist gegenwärtig vor allem der Mangel an Mikro-Chips verantwortlich. VW fährt Kurzarbeit, Opel schließt das Werk in Eisenach bis Jahresende, alle anderen Hersteller haben dieselben Probleme. "Die Wartezeit auf einen Neuwagen beträgt sieben Monate, manchmal ein Jahr", sagt Saad. Wer nicht so lange warten will, kauft sich jetzt einen guten Gebrauchten. Und genau das ist der zweite Grund für den derzeitigen Preisauftrieb: Neuwagenkunden steigen um auf Gebrauchtwagen. Zugleich - der dritte Grund - haben andere, die nie einen Neuwagen gekauft hätten, im Corona-Krisenjahr 2020 gewartet mit dem Gebrauchtwagen-Kauf. Sie kommen jetzt, 2021 - und bescheren den Autohändlern einen Nachfrage-Boom, von dem sie 2020 nur träumen konnten. "Ich werde in diesem Jahr 200 bis 240 Autos verkaufen", sagt Saad, "normalerweise sind es nur etwa 150 bis 200." Zuletzt habe er eine solch explodierende Nachfrage 2004 erlebt, als viele osteuropäische Länder in die EU gekommen sind. Es sei Wahnsinn - und all das bei sinkendem Angebot. Kein Wunder, so Saad, dass die Preise steigen. Bei Mittelklasse-Gebrauchten im Wert von 5000 bis 15 000 Euro sei der Preis in den vergangenen sechs Monaten um zehn bis 15 Prozent angestiegen. "Zwei Beispiele. Dort draußen steht ein Opel Astra, drei Jahre alt, 125 000 Kilometer. Ich verkaufe ihn für 9000 bis 9500 Euro. Das sind rund 1000 Euro mehr als vor einem halben Jahr." Noch extremer ist der Preisanstieg - schon im Einkauf - beim VW Touran. Es sei unklar, wie lange es das Familienauto noch gebe. "Es gibt viele Interessierte, auch unter den Händlern, und gut 20 Prozent Preissteigerung. Im Vorjahr hätte ich 11 000 Euro zahlen müssen, jetzt hingegen 13 000 Euro."
Was könnte die Strategie der Kunden sein? Maged Saad rät: "Wer ein Jahr warten kann, sollte warten. Wer hingegen jetzt ein Auto braucht, sollte nicht warten. Die Preise werden im nächsten halben Jahr nicht fallen, sondern weiter steigen." Der Grund dafür: Es wird Monate dauern, bis in der Autoindustrie alles wieder rundläuft, falls denn der Lieferengpass bei den Chips überhaupt binnen Monaten überwunden wird. Ein halbes Jahr könne es noch dauern, bis sich der Markt wieder normalisiert. thomas j. schmidt