1. Startseite
  2. Frankfurt

Das nächste Frankfurter Wohnviertel nur für Autofahrer

Erstellt:

Von: Dennis Pfeiffer-Goldmann

Kommentare

Die Kritik am Frankfurter Baugebiet Schönhof nahe dem Westbahnhof wächst: Obwohl Gleise vorbeiführen, fehlt ein Bahnhalt. Das widerspricht sogar den städtischen Klimaschutzzielen.

Frankfurt - Als „wegweisend“ bewirbt die Stadt Frankfurt das Schönhofviertel, „Hessens größtes Baugebiet“. Die Menschen in den 2000 Wohnungen werden jedoch Autos brauchen, um mobil zu bleiben. Auf eine gute Anbindung per Schiene oder Fahrrad verzichtet die Stadt. Das sorgt schon länger für Kritik und jetzt erneut.

Davon dürfte aber nicht die Rede sein, wenn Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag auf die Baustelle kommt. Ihr Parteifreund Mike Josef, Planungsdezernent und Oberbürgermeisterkandidat, will ihr zeigen, „wie zukunftsweisendes Bauen und eine tragfähige Quartiers- und Wohnentwicklung funktionieren kann“. Bei der Verkehrsanbindung aber ist das Viertel wenig zukunftsweisend. Zwar führen zwei S-Bahn-Strecken vorbei, in der Nähe fährt die Tram durch die City West, der Westbahnhof ist sogar zu sehen. Doch erreichbar ist nichts davon für die künftigen Bewohner.

Wohnen in Frankfurt: „Die Planung ist bedauerlich“

„Die Planung ist bedauerlich“, sagt Matthias Biemann vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Eigentlich hat das Quartier eine gute Lage, aber die Stadt hat nichts getan, um das zu nutzen.“ So blockieren die Bahndämme den Zugang zu Bahnhof und Straßenbahn. Wenn die Bewohner die U-Bahn erreichen wollen, müssen sie 600 Meter zur Haltestelle Kirchplatz laufen, zum Westbahnhof gar einen Kilometer.

Das Gelände des künftigen Schönhofviertels bei Beginn der Bauarbeiten vor knapp einem Jahr: Wer hierher zieht, hat per Fahrrad und Nahverkehr nur schlechten Anschluss. FOTO: Peter Jülich
Das Gelände des künftigen Schönhofviertels bei Beginn der Bauarbeiten vor knapp einem Jahr: Wer hierher zieht, hat per Fahrrad und Nahverkehr nur schlechten Anschluss. © Peter Jülich

Ein 28,5 Hektar großes Wohngebiet ohne leistungsfähige Schienenanbindung? „Ich habe da ein Déjà-vu“, seufzt Matthias Biemann und meint das Europaviertel. „Mike Josef wiederholt den Fehler, den die Stadt schon einmal gemacht hat“, stimmt ihm Albrecht Kochsiek zu, planungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer. Im Europaviertel ist erst aktuell, viele Jahre nachdem die meisten Häuser entstanden, die U-Bahn in Bau, Inbetriebnahme 2025.

Schönhofviertel in Frankfurt entsteht: „Anbindung des Viertels nicht ausreichend“

Dass die Stadt am Schönhof ähnlich vorgeht, ist keine neue Erkenntnis: „Darauf hat der Ortsbeirat öfter hingewiesen, auch schon in der vorigen Wahlperiode“, sagt Ortsvorsteher Johannes Lauterwald (Grüne). „Die Anbindung des Viertels empfinden wir nicht als ausreichend.“ Der Magistrat habe stets abgewiegelt. Auf das Problem angesprochen, kommt vom Dezernat Josef jetzt nur der Hinweis, dafür sei man nicht zuständig. Die Anfrage müsse ans Verkehrsdezernat gestellt werden, sagt Josefs Sprecherin Caroline Nützel. Das Thema scheint auch nicht sehr hoch im Kurs zu stehen: Auf der Projektseite spricht das Stadtplanungsamt nur ein einziges Mal allgemein von „der guten ÖPNV-Anbindung“.

Das für Stadtplanung nicht zuständige Mobilitätsdezernat von Stefan Majer (Grüne) erinnert daran, dass ein Durchstich durch den Bahndamm an der Straße An der Dammheide in die City West geplant sei. Dort hindurch werde die Straßenbahnhaltestelle „fußläufig erreichbar“, so das Dezernat. Wann er umgesetzt wird? Zur „Konkretisierung“ müsse der Magistrat nun „Planungsmittel freigeben“, dafür sei „der entsprechende Antrag in Vorbereitung“.

Das macht Ortsvorsteher Lauterwald sauer, denn eine ähnliche Auskunft gab es schon voriges Jahr. „Der Durchstich wird wohl nicht fertig sein, wenn die ersten Leute einziehen.“ Das kritisiert VCD-Sprecher Biemann scharf. Die Stadt habe nach dem Europaviertel-Fiasko selbst festgelegt, dass künftig erst die ÖPNV-Anbindung fertig sein solle, bevor ein Baugebiet entsteht. „Die Stadt hält ihre eigenen Vorgaben nicht ein.“ Das Ergebnis sei fatal: „Die Leute im Schönhofviertel werden erstmal alle aufs Auto umsteigen müssen, und später muss ihnen das wieder mühevoll abgewöhnt werden.“

Wohnen in Frankfurt: Buslinien fahren in die falsche Richtung

Mit den Buslinien M72 und M34 sei das Gebiet ja schon heute „gut erschlossen“, sagt ein Sprecher des Mobilitätsdezernats. Doch fährt der M72 genau entgegengesetzt zu der Richtung, in die die meisten künftigen Bewohner wohl wollen: in die Innenstadt und zum Hauptbahnhof. Die Haltestelle des M34, der auch nicht in die Innenstadt fährt, liegt nicht im Wohngebiet, sondern 450 Meter entfernt. Sei der Durchstich fertig, sei aber die Tram-Haltestelle „fußläufig erreichbar“, so das Dezernat. Tatsächlich müssen Bewohner dorthin dann 450 Meter laufen - mehr, als die Stadtverordneten per Nahverkehrsplan vorgeben.

Nicht besser sieht es für Radfahrer aus: Sie könnten ja nach Rödelheim zur S-Bahn fahren oder zum Industriehof zur U-Bahn, heißt es aus dem Mobilitätsdezernat - also wieder in die falsche Richtung. Der kürzere Weg, die Brücke am Schönhof, „ist nicht für den Radverkehr ausgebaut“, seufzt Ortsvorsteher Lauterwald. Es gebe „viel Verbesserungspotenzial“, und das Schönhofviertel „ist nicht so positiv, wie es dargestellt wird“. Die Stadt habe sich „wohl zu sehr auf den Investor verlassen“, sagt VCD-Sprecher Biemann. „Das Planungsdezernat hat alle Anregungen in den Wind geschlagen“, ist CDU-Politiker Kochsiek sauer. „Mike Josef arbeitet hier direkt gegen die eigenen städtischen Klimaschutzziele.“ (Dennis Pfeiffer-Goldmann)

Auch interessant

Kommentare