Awo-Affäre verhagelte Frankfurter SPD das Geschäft

Mike Josef meisterte schwierigen Spagat bravourös
Frankfurt -Keine Fraktion im Römer litt so sehr unter der Affäre der Arbeiterwohlfahrt (Awo) des inzwischen abgewählten Oberbürgermeisters Peter Feldmann wie die SPD. Erste Vorwürfe gegen den Genossen Feldmann wurden bereits im November 2019 laut. Bei der Kommunalwahl 2021 erwies sich Feldmann infolgedessen für die SPD nicht als hilfreich. Seine Partei verlor 6,8 Prozent der Stimmen - so viel wie keine andere Partei.
Die Awo-Affäre lastete schwer auf der SPD. Denn nicht nur Feldmann war darin verstrickt, sondern auch andere Genossinnen, wenn auch in Nebenrollen. Die Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen war beispielsweise jahrelang ehrenamtliche Revisorin bei der Awo Frankfurt, im Dezember 2019 legte sie ihr Amt nieder, bei der Bundestagswahl 2021 wurde Nissen nicht mehr nominiert. Verstrickt in die Awo-Affäre war auch Myrella Dorn, die - obwohl im besten Juso-Alter - zur Kommunalwahl nicht mehr antrat. SPD-Chef Mike Josef hatte alle Hände voll zu tun, die Kandidatenliste für 2021 mit von der Affäre möglichst unbelasteten Bewerbern zu bestücken.
Nicht in die Schusslinie öffentlicher Kritik geriet Ursula Busch, SPD-Fraktionschefin im Römer. Dabei war Busch jahrelang die rechte Hand der Wiesbadener Awo-Chefin Hannelore Richter. Dem Vernehmen nach hat Busch in einer emotionalen Sitzung vor der versammelten SPD-Fraktion beteuert, von den Machenschaften Richters nichts gewusst zu haben. Wenn das stimmt, ist ihre arglose Ahnungslosigkeit gleichwohl keine gute Empfehlung für das Amt der Fraktionschefin.
Fraktion hinter sich gebracht
Busch ist es in der Zeit der schwelenden Awo-Affäre aber gelungen, die Fraktion hinter sich zu scharen. Das ist eine beachtliche Leistung, denn der OB wehrte sich mit Händen und Füssen gegen einen Rücktritt und wollte auch seine Abwahl verhindern. Mehrmals war er in der Fraktion, in der er noch immer Fans hatte. Als das Stadtparlament mit der notwendigen Mehrheit die Abwahl Feldmanns beschloss, mussten beispielsweise zwei Mitglieder der SPD-Fraktion plötzlich auf die Toilette.
Die schwierigste Rolle in der Affäre hatte Parteichef Josef zu meistern. Er hat in der sich jahrelang hinziehenden Affäre, die erst mit Feldmanns Abwahl am 6. November endete, vieles richtig gemacht. Josef durfte nicht den Eindruck erwecken, der Königsmörder zu sein, konnte aber auch nicht aus falsch verstandener Solidarität mit Feldmann in Kumpanei abdriften. Diesen Spagat hat Josef bravourös hingekriegt. Bei einem Sonderparteitag im Juli 2022 wurde mit nur wenigen Gegenstimmen eine Resolution verabschiedet, die Feldmann zum Rücktritt aufforderte. Behauptungen Feldmanns, die dieser in der Öffentlichkeit streut, Josef hätte es auf das Oberbürgermeisteramt abgesehen, entbehren jeder Grundlage. Zwar hat sich Josef als OB-Kandidat seiner Partei zur Verfügung gestellt. Bei seiner Bewerbung ist ihm jedoch sein inzwischen wegen Vorteilsnahme verurteilter Vorgänger sicherlich keine Hilfe. Während die Partei Josef folgte, ist das von der Fraktion nicht zu sagen. Josef hätte als Planungsdezernent die Multifunktionshalle gerne am Kaiserlei errichtet, die Fraktion plädierte für den Flughafen und setzte sich damit durch. Nun wurde das Stadion als gemeinsame Lösung gefunden. Vor dem Hintergrund der die SPD-Fraktion belastenden Awo-Affäre sind politische Inhalte auf der Strecke geblieben. Zwar trennt Josef strikt die Parteiarbeit von seinem Amt als Planungsdezernent, doch kamen aus seinem Ressort in den Jahren der Awo-Affäre kaum Impulse.
Auch die Fraktion hat sich auf Initiativen des Oberbürgermeisters verlassen wie die Mietpreisbremse bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding. Ansonsten ist inhaltlich nicht viel zu vermelden. Ein Etat-Antrag sah für Stadtbewohner ein kostenloses RMV-Jahresticket für alle Autofahrer vor, die ihr Fahrzeug abmeldeten. Dafür waren 500 000 Euro vorgesehen. Was aus dieser Initiative geworden ist, verliert sich im Dunkel der Magistratsverwaltung. Thomas Remlein