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Baubranche bleibt bei Investitionen zögerlich

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Im Gallus auf dem ehemaligen Avaya-Gelände wird gebaut. Bei neuen Projekten sind allerdings viele Investoren angesichts der jüngsten Krisen und schwieriger Rahmenbedingungen zögerlich. FOTO: rainer rüffer
Im Gallus auf dem ehemaligen Avaya-Gelände wird gebaut. Bei neuen Projekten sind allerdings viele Investoren angesichts der jüngsten Krisen und schwieriger Rahmenbedingungen zögerlich. © rainer rüffer

Zu wenige neue Wohnungen und Büros entstehen

Frankfurt -Auf weiter steigende Mieten für Wohnungen und Büros müssen sich die Frankfurter einstellen. Zwar entspannt sich die Lage auf dem Bau, Investoren aber zögern. Die Stadt hätte es in der Hand, das schnell zu ändern, sagt Thomas Reimann, Vizepräsident des Verbands baugewerblicher Unternehmer Hessen (VbU) und Inhaber des Bauunternehmens Alea AG aus Frankfurt. Sie müsse „Investoren dazu bringen, wieder Wohnungen zu bauen“.

Beim Neubau von Wohnungen und Büros steuert die Mainmetropole trotz unverändert starker Nachfrage auf eine Flaute zu. Die basiert vor allem auf Zurückhaltung von Bauherren. Frank Junker zum Beispiel, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG. Er hatte als einer der Ersten schon Ende August in dieser Zeitung angekündigt, aktuelle Projekte setze man zwar fort, etwa am Rebstock und an der Sandelmühle. Noch nicht Begonnenes wie den Römerhof werde man nur fertig planen, aber den Bau noch nicht beauftragen, da die Baupreise zu hoch seien: „Neue Projekte sind so nicht mehr finanzierbar - oder es kommen Mieten heraus, die mit 20 Euro aufwärts jenseits von Gut und Böse sind“, sagte Junker.

Auf der anderen Seite, bei den Baufirmen, versteht man die Probleme der Investoren. Die Corona-Sorgen seien zwar überwunden, aber „mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine ist die Angst in den Markt gekommen“, erklärt Unternehmer Reimann. Es habe ja „gigantische Preissprünge“ bei Baumaterial und Energie gegeben - was die Baukosten 2022 um 25 Prozent hochgetrieben habe.

Aber: „Die Märkte beruhigen sich“, ist seine Beobachtung. Lieferprobleme gebe es beim Rohbau nicht mehr, der Stahlpreis etwa sei vom Spitzenpreis um 1850 Euro je Tonne während des Angriffs aufs Asow-Stahlwerk zurück auf dem Vorkriegsniveau bei etwas mehr als 900 Euro. Ebenso seien die Energiekosten wieder fast auf Normalniveau, die Inflation lasse nach. „Wir sehen Licht am Ende des Horizonts.“

Das lässt alle aufatmen, die bei laufenden Projekten nicht den Stopp-Knopf drücken können wie dem 1,4 Milliarden Euro teuren „Four Frankfurt“. Vier Hochhäuser als neues Herz des Bankenviertels baut der Frankfurter Investor Groß & Partner seit 2020. „Aktuell arbeiten wir viel, sind kreativ und schöpfen unser spezifisches Bau-Knowhow durch unsere Tochterunternehmen voll aus“, sagt Finanzgeschäftsführer Nikolaus Bieber. Rohbau, Baulogistik, Baustellentechnik erledigen hauseigene Töchter selbst. „Wir sind durch unser stabiles Netzwerk und die vorausschauende Planung so gut aufgestellt, dass unsere Baustellen nach wie vor im Zeitplan laufen.“

Bei noch nicht angefangenen Projekten wie etwa dem begrünten Bürohochhaus Nion im Europaviertel macht sich Groß & Partner wenig Sorgen. „Langfristig betrachtet beginnen die Randbedingungen des aktuellen Marktes schon wieder positiv zu werden“, sagt Bieber. So optimistisch ist er aber vorwiegend deshalb, da diese Großprojekte ausdrücklich nachhaltig geplant seien. Das sei „extrem nachgefragt“ bei Investoren, während die steigenden Zinsen nur „gewisse Auswirkungen“ hätten. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, „muss es auch zu einer Anpassung der Renditen kommen“, räumt der Finanzchef ein.

Wenn aber sogar die Nachfrage da ist, warum laufen Neuprojekte nicht wieder an, obwohl sich die Marktlage beruhigt? „Die Angst ist noch im Markt“, erläutert Thomas Reimann. Besonders beim Innenausbau - etwa Elektro oder Fenster - vertrauten viele Baufirmen der Normalisierung noch nicht. Kein Wunder: Sie müssen Angebote für Gewerke abgeben, die erst in einem Jahr umgesetzt werden. Eine so langfristige Kalkulation sei bisher wirklich noch ein Wagnis, sagt Reimann. Es werde eine Zeit lang dauern, bis genug Vertrauen da sei. Folgen aber erstmal keine neuen Projekte, drohe eine Flaute auf dem Bau - und mit ihr auch ein Abwandern von Fachkräften, wenn denen Arbeit fehle. Frankfurt könne sich eine solche Flaute aber besonders wenig leisten, warnt Thomas Reimann. Schließlich seien Zuzugsdruck und Wohnungsknappheit hier besonders gravierend. Die Lösung? Fördermittel seien nicht nötig, sagt der Bauunternehmer. Besser beseitige die Politik Hemmnisse, digitalisiere zum Beispiel Baubehörden tatsächlich anstatt das immer nur in Sonntagsreden anzukündigen. Sie müsse aber darüber hinaus auch mehr Deponiekapazität für Erdaushub bieten statt nur Deponien zu schließen, was lange, teure, klimaschädliche Transporte verursache.

Die Stadtpolitik konkret könne helfen, indem sie mehr Bauland ausweise, zum Beispiel die Günthersburghöfe und den Nordweststadtteil schnell realisiere. Und sie müsse Vorgaben reduzieren, die Investoren abschreckten.

„Ein Moratorium für den Baulandbeschluss wäre ein Riesenschritt und ein wichtiges Signal“, ist Bauunternehmer Reimann überzeugt. „Die Politik muss die Angst aus dem Markt bekommen.“

Dennis Pfeiffer-Goldmann

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