"Baulandbeschluss ist nicht praxistauglich"

IHK-Präsident Ulrich Caspar fordert mehr Anstrengungen für den Wohnungsbau in der Stadt.
Vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels hat IHK-Präsident Ulrich Caspar beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer in der VIP-Lounge des Frankfurter Waldstadions mehr Anstrengungen für den Wohnungsbau gefordert. Die Wohnungsfrage belaste zunehmend den Arbeitsmarkt. Wir fragten den IHK-Präsidenten nach den Auswirkungen des sogenannten Baulandbeschlusses, der seit 2020 in Kraft ist.
Nach dem Frankfurter Baulandbeschluss muss ein Investor bei einem Projekt 30 Prozent der Wohnungen als Sozialwohnungen errichten, 15 Prozent nach dem Konzeptverfahren für gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohnprojekte, 15 Prozent für frei finanzierten Mietwohnungsbau und ein Anteil von zehn Prozent für preisreduzierte Eigentumswohnungen. Das heißt, er kann nur 30 Prozent der Wohnungen auf dem freien Markt anbieten. Welchen Einfluss hat das auf das Geschäftsmodell von Projektentwicklern?
Die IHK Frankfurt hat im November 2020 und im Juni 2022 jeweils ein Meinungsbild von betroffenen Unternehmen zum sogenannten Baulandbeschluss eingeholt. Bei der letzten Umfrage haben rund 93 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen angegeben, ihre Projekte in Frankfurt seien aufgrund der Vorgaben des sogenannten Frankfurter Baulandbeschlusses nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar. 71 Prozent gaben an, die Vorgaben seien nicht praxistauglich, und 50 Prozent gaben an, die vorgegebene Quotenregelung sei bei anvisierten Projekten schlicht nicht umsetzbar.
Was ist die Reaktion der Unternehmen?
43 Prozent der Unternehmen kündigten an, Preiserhöhungen für die freifinanzierten Wohnungen vornehmen zu müssen. Das wiederum sorgt für einen Preisanstieg bei Eigentumswohnungen für Normalverdiener und erhöht die Mietspiegelmieten in Frankfurt.
Welche Auswirkungen hat der Baulandbeschluss auf die Investitionstätigkeit?
Rund 79 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sie ihre Investitionen künftig verstärkt in anderen Städten bzw. im Frankfurter Umland tätigen werden. 57 Prozent der Unternehmen gaben an, bei Projekten in Frankfurt eine Reduzierung der Anzahl der Wohneinheiten auf unterhalb des Schwellenwertes vorzunehmen, damit die Bestimmungen des Beschlusses nicht mehr greifen.
Investoren müssen zwei Drittel der planungsbedingten Bodenwertsteigerungen in die soziale Infrastruktur wie Kitas und öffentliche Grünflächen stecken. Welchen Einfluss hat das auf die Geschäftstätigkeit von Projektentwicklern?
Grundsätzlich begrüßen wir eine aktive Baulandpolitik und Rahmenbedingungen, die bei unseren Mitgliedsunternehmen für Planungssicherheit sorgen. Leider haben sich die geopolitischen Voraussetzungen in den letzten Jahren, nicht zuletzt aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine, dramatisch geändert. Steigende Energie- und Rohstoffpreise, Materialengpässe aufgrund von Lieferkettenproblemen und der akute Fachkräftemangel haben zu explodierenden Baukosten geführt.
Wie beurteilt die Bauwirtschaft die gegenwärtige Situation?
Unsere jüngste Konjunkturumfrage für den IHK-Bezirk Frankfurt hat für die Bauwirtschaft einen dramatischen Einbruch der Geschäftserwartungen ergeben. Die Erwartungen für zukünftige Geschäfte sind aktuell sogar niedriger als zum Höhepunkt der Finanzkrise 2009.
Wie schätzen Sie aufgrund der Umfrage die weitere Entwicklung ein?
Gepaart mit den ohnehin schon hohen Preisen für Wohnbauland aufgrund der mangelnden Baulandausweisung in den vergangenen Dekaden sorgt diese Situation in Kombination mit den Vorgaben des sogenannten Baulandbeschlusses zu weiter steigenden Preisen auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt einerseits und zu einer sinkenden Baudynamik andererseits.
Interview: Thomas Remlein