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Behinderte mit "E-Scooter" dürfen nicht mitfahren

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Von: Thomas J. Schmidt

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Johanna Maubach ist überaus betrübt: Sie darf mit ihrem Scooter nicht in die S-Bahn hinein.
Johanna Maubach ist überaus betrübt: Sie darf mit ihrem Scooter nicht in die S-Bahn hinein. © Salome Roessler

Behinderte, die statt eines Elektro-Rollstuhls einen "E-Scooter" nutzen, also Elektrofahrzeuge mit einer Lenkachse, erleben an Frankfurter Bahnsteigen eine unangenehme Überraschung: Sie müssen draußen bleiben!

Johanna Maubach (62) hat Multiple Sklerose (MS). Die erste Diagnose kam vor 26 Jahren, seit zehn Jahren ist die ehemalige Lehrerin auf den elektrischen Rollstuhl angewiesen. Auf der Straße jedoch ist die Rentnerin lieber mit einem Elektro-Scooter unterwegs. Er hat drei Räder und statt des Joysticks einen Lenker. „Meine Einkaufstasche behalte ich so im Blick“, sagt Maubach, „anders als wenn sie hinten am Rollstuhl hängt.“

Seit einigen Monaten wird die Mobilität der Rödelheimerin eingeschränkt. „Ich wollte mit dem Bus zum Arzt in die Nordweststadt fahren“, berichtet sie, „doch der Fahrer wollte mich nicht mitnehmen.“ Der Grund: Ihr Elektro-Scooter. Sven Hirschler, Sprecher des Rhein-Main-Verkehrsverbunds, sagt: „E-Scooter dürfen gemäß den Beförderungsbedingungen nicht transportiert werden.“ Dies betreffe Busse und Straßenbahnen ebenso wie U- und S-Bahnen.

Gefährte kippen leicht

Winfried Schmitz, Sprecher der Nahverkehrsgesellschaft Traffiq, die zum RMV gehört, bestätigt das. Und erläutert: „Wir befördern Fahrräder, Rollstühle, Elektrorollstühle und Kinderwagen. Doch Elektro-Scooter sind relativ neu, es werden immer mehr, und wir können nicht entscheiden, welche Fahrer nun wirklich behindert sind.“ Bei Rollstühlen sei dies eindeutiger. „Das Verbot begründet sich daraus, dass die Elektro-Scooter schmaler sind als Rollstühle und einen höheren Schwerpunkt haben.“ Sie kippten leichter um und könnten dadurch andere Fahrgäste gefährden.

Das ist jedoch umstritten. Es gibt, wie so oft, Gutachten und Gegengutachten. Eine Sprecherin der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bedauert: „Im Herbst 2014 kam es zu den ersten bekannten Fällen, dass Verkehrsunternehmen die Beförderung der E-Scooter verweigerten.“ Dies empfiehlt jedoch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf der Grundlage eines Gutachtens, wonach eine Gefährdung durch rutschende oder umkippende Scooter nicht ausgeschlossen werden könne. Dabei sei allerdings unklar, ob irgendwann einmal jemand durch einen umkippenden Elektro-Scooter in Bus oder Bahn geschädigt worden ist.

Noch kein Gesetz in Sicht

Es mangele an einer bundesweit einheitlichen, gesetzlichen Regelung, sagt die DMSG-Sprecherin. Bislang halte es jede Verkehrsgesellschaft so, wie sie es wolle, folge der Empfehlung ihres Bundesverbands – oder auch nicht. , damit der Bundestag sich mit dem Problem befasst. Am Montag läuft die Zeichnungsfrist aus.

Ehe Gerichte in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Urteile fällen, wäre eine einheitliche Regelung besser, findet Schmitz: „Dann hört der Eiertanz auf.“ Hirschler betont: „Es muss seitens der Scooter-Hersteller eine Zertifizierung geben.“ Bislang baue jeder, wie er wolle. Schmitz ergänzt, dass die Hersteller eine Haftung bei der Beförderung mit E-Scootern in Bussen und Bahnen ausschlössen.

Derzeit häufen sich im Alltag von Johanna Maubach die Probleme: „Überwiegend fahre ich mit der Bahn von Rödelheim in die Stadt. Meist klappt das, helfen mir die Fahrer und überbrücken den Spalt zwischen dem Zug und dem Bahnsteig.“ Diese Hilfe brauchen auch Rollstuhlfahrer. Aber: „Ich wurde auch schon an Bahnsteigen stehen gelassen, letztens etwa am Südbahnhof.“ Die erste S-Bahn fährt ein, der Fahrer sieht die behinderte Frau, kommt nicht heraus, um zu helfen. Bei der nächsten Bahn passiert dasselbe. Erst in den dritten Zug konnte sie rollen. Sie ist von der unwürdigen Situation genervt: „Ich bin eingeschränkt genug. Warum werden mir jetzt noch Steine in den Weg gelegt, wenn ich auf S-Bahnen angewiesen bin?“. Eine Stunde habe es gedauert, bis sie endlich in einen Zug hineinkam. „Zum Glück gibt es immer wieder hilfsbereite Zugführer, die mich doch mitnehmen.“

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