Beim Ikonenmalen ist alles Gold, was glänzt

In der Petersgemeinde gibt es Kurse für diese Kunst. Antike Mumienporträts dienten wahrscheinlich einst als Vorbild.
Frankfurt -Ihr erstes großes Los hat Anke Wessel als 17-Jährige gezogen: „Meinen damals gewonnenen Ikonenkalender gab ich an eine Frau weiter, deren Herz daran hing und die mich in die Heiligenbilder einführte“, erinnert sie sich. Jetzt am Kurs „Ikonen malen“ in der Sankt Petersgemeinde teilnehmen zu können, sei für sie wie das zweite Los und ein Geschenk: Freude, Spaß und Hingabe, die man für künstlerisches Schaffen braucht, ergänzt um eine religiöse, christliche Komponente.
Husten ist streng verboten
Und doch ist das Malen einer Christusikone auch eine ernste Sache: Ruhe, Geduld und Konzentration mit viel Fingerspitzengefühl gehören dazu. Vor allem beim Vergolden des Untergrunds. Wer die zehn Teilnehmerinnen im Gemeindehaus in der Jahnstraße beobachtet, hat das Gefühl, hier sind Lachen, lautes Reden und Husten ebenso tabu wie hektische Bewegungen. Meditative Stille aus ganz praktischem Grund, erklärt Pfarrer Andreas Hoffmann: „Das hauchdünne und kostbare Gold würde sonst durch den ganzen Raum fliegen.“
Soll es aber nicht. Denn der goldene Hintergrund verkörpert das göttliche Licht. Und so will er auch behandelt werden. Immer wieder lassen sich die Teilnehmerinnen von Hoffmann helfen, wenn es darum geht, die zarten Blättchen auf dem Vergolderkissen mit dem speziellen Vergoldermesser zu schneiden und mit Spiritus und destilliertem Wasser auf dem rötlichen Untergrund aus Tonschlicker aufzutragen. „Ich glaube, da sind immer noch Risse drin“, sagt Ellen de Visser. Wie Anke Wessel und Andrea Stempel hat sie bereits Erfahrung im Malen, doch das hier ist millimetergenaues Handwerk: Wer nicht im richtigen Moment den richtigen Handgriff beherrscht, um die Goldplättchen glatt und flächig aufzutragen, muss später noch nachschneiden und nachlegen.
Wahrscheinlich von ägyptischen Mumienporträts inspiriert
„Zwei der Teilnehmerinnen haben mich überredet, den Kurs erstmals anzubieten“, erzählt Hoffmann. Er selbst hat außer Theologie auch freie Kunst studiert, widmet sich seit 1988 in Jerusalem der Ikonenmalerei, die er in moderne Formen übersetzt, und hat zusammen mit dem früheren Leiter Richard Zacharuk die Ikonenbegegnungen im Frankfurter Ikonenmuseum eingeführt.
Der Kurs beginnt mit einer historischen Einführung: Demnach sind die Ikonen, die anders als in der evangelischen oder katholischen in der orthodoxen Kirche auch verehrt werden, wahrscheinlich von ägyptischen Mumienporträts der Spätantike inspiriert.
Jede Teilnehmerin hat ihre persönliche Geschichte oder Erfahrung zu erzählen. „Für mich ist das Ikonenmalen untrennbar mit der Spiritualität verbunden, mit Christus zu leben“, betont Christa Quitter. Für den Kurs wurde die Skizze einer klassischen griechischen Christusikone mit Pauspapier auf ein Holzbrett mit Kreidegrund übertragen. Nach dem Vergolden beginnt schrittweise das Ausmalen mit Farben aus Eitempera und Pigmenten, bevor zum Schutz der Ikone ein Firnis aus Öl aufgetragen wird.
Jeder Schritt eine Herausforderung
„Das Gesicht wird in einem Ockerton mit Weiß für die erleuchteten Stellen gehalten, der Bart in einem braunen Umbraton“, erklärt Hoffmann. Für das Gewand mit Faltenwurf sind Grün und Rot vorgesehen, auch der Heiligenschein wird mit Rot nachgezeichnet. Früher wurde in der Ikonenmalerei etwa kostbares Purpur genommen, heute sind künstliche Pigmente üblich.
Mancher Schritt mag für den ersten Kurs etwas vereinfacht sein, andere Techniken wie das Vergolden jedoch bleiben diffizile Feinarbeit. Auch wenn der Pfarrer immer wieder hilft: Der Weg bis zur eigenen Christusikone bleibt eine Herausforderung. „Und wir werden wohl doch noch den ein oder anderen zusätzlichen Abend brauchen“, stellt Hoffmann fest. Aber alleine auf Perfektion kommt es am Ende auch nicht an.
So wird auch Ellen de Visser Mut zum ein oder anderen Riss in ihrer Vergoldung zeigen, der das fertige Werk auch etwas älter wirken lassen könnte. Und für diejenigen, die das Antlitz Jesu nur mit viel Geduld und Mühe schaffen können, hat Pfarrer Hoffmann noch folgende Bibelstelle parat: „Selig ist, wer sich nicht ärgert an mir!“ (Lukas 7, 23)