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Betreten auf eigene Gefahr: Die Risiken im Stadtwald steigen

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Von: Thomas J. Schmidt

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Nur noch 2,4 Prozent der Bäume sind gesund, Astbrüche sind für Förster oft nicht vorhersehbar. Ein Spaziergang im Frankfurter Stadtwald kann gefährlich werden.

Frankfurt – Dürre, heftige Stürme, kranke Bäume - wie sicher ist es überhaupt noch, im Stadtwald spazieren zu gehen? Im Oktober war eine Frau von einem herabfallenden Ast erschlagen worden. „Es gab schon immer Risiken im Wald, die man eingehen musste, wenn man den Wald betreten hat“, sagt die Leiterin des Stadtforstes, Tina Baumann. Etwa, dass eine Wurzelfäule einen scheinbar gesunden Baum zum Umkippen bringt. Aber: Die Risiken steigen, weil der Wald krank ist.

„Es gibt neuerdings ein Phänomen, den Grünastbruch. Da ist ein grüner Ast mit Blättern, der plötzlich bricht“, sagt Tina Baumann. Auch hier gibt es keine Möglichkeit der Vorhersage. Wer sich im Wald aufhält, tut es auf eigene Gefahr, die Stadt hat entlang der Waldwege keine Verkehrssicherungspflicht. Anders ist es entlang öffentlicher Straßen und Bahnlinien. Dort muss das Forstamt erkennbare Risiken ausmerzen. Nur: Wurzelfäule und Grünastbruch sind eben nicht erkennbar.

Trockene Tage haben Frankfurter Stadtwald stark gebeutelt

Dass es den Bäumen im Stadtwald schlecht geht, ist bekannt. Tina Baumann geht denn auch davon aus, dass sich der Wald in den nächsten Jahren massiv verändern wird. Sie zeigt auf drei kahle Bäume, abgestorbene Buchen. „Sie haben sogar die Rinde verloren“, sagt Baumann. Normalerweise würfen Bäume im Sommer Laub ab, wenn sie krank oder geschädigt sind. Geschädigt zum Beispiel durch die Trockenheit der vergangenen Jahre. Dann seien die Kronen im Sommer ausgedünnt. Diese ausgedünnten Kronen sind die Basis für den Waldzustandsbericht.

Tina Baumann, Leiterin des Stadtforsts, hofft auf die Anpassungsfähigkeit der Natur..
Tina Baumann, Leiterin des Stadtforsts, hofft auf die Anpassungsfähigkeit der Natur.. © Michael Faust

Das Ergebnis des jüngsten Berichtes ist schockierend: 75,5 Prozent aller Bäume sind über alle Baumarten hinweg mittelschwer bis stark geschädigt. Die stark geschädigten - 34,6 Prozent - werden wohl in den kommenden Jahren absterben. Das ist jeder dritte Baum im Stadtwald.

So wie die drei Buchen unweit des Stadtwaldhauses. „Wir haben im Stadtforst vor allem Buchen, Eichen und Kiefern“, sagt Baumann. Dabei werde die Buche langfristig wohl aus dem Wald verschwinden. Sie ist am hitzeempfindlichsten - ähnlich wie die Fichte.

Ein Drittel der Bäume stirbt in naher Zukunft ab

Stark geschädigte Bäume haben im Sommer 61 bis 100 Prozent aller Blätter oder Nadeln verloren. Mittelstark geschädigte weisen einen Blattverlust („Kronenverlichtung“) von 26 bis 60 Prozent auf, leicht geschädigte von 11 bis 25 Prozent und gesunde Bäume von maximal zehn Prozent. Diese - die gesunden Bäume - machen zurzeit nur 2,4 Prozent aller Bäume aus.

„Wir müssen schon jetzt sehen, wie der Wald in Zukunft aussehen könnte. Mit einheimischen und zugewanderten Bäumen“, sagt Tina Baumann. Das Hauptproblem sei die Trockenheit. Trockenresistente Arten sind unter den einheimischen Bäumen etwa die Winterlinde und die Esskastanie („kam mit den Römern“), Fremdhölzer sind Libanon-Zeder, Schwarzkiefer und Douglasie. „Diese Bäume kommen gut mit der Trockenheit zurecht“ - und die Frankfurter werden sich vielleicht daran gewöhnen müssen, beim Spaziergang auf Libanon-Zedern zu treffen statt auf Buchen.

Bäume können wieder genesen, wenn Wetter sich normalisiert

Allerdings, sagt Baumann, gebe es auch im Wald immer Überraschungen. Manchmal erholten sich geschädigte Bäume, und manche blühten im Hitze- und Trockenstress fast auf. „Die Evolution ist am Wirken. Wir sehen gerade die Epigenetik. Manche Eichen produzieren prächtige Eicheln.“ Die werden aufgesammelt, um sie an anderer Stelle im Wald auszusäen. Vielleicht also erholt sich auch die gefährdete Buche.

Was Tina Baumann nicht sagen kann: Wie wird der Wald in zehn Jahren aussehen? Eine Kristallkugel habe sie nicht - aber den Optimismus, dass die Natur sich anpasse an das veränderte Klima. Die Förster helfen durch gezielte Baumwahl. Baumann betont: „Wenn von den Bäumen im Stadtwald lediglich 2,4 Prozent nicht geschädigt sind, so heißt das nicht, dass nur 2,4 Prozent überleben werden.“ Vielmehr können sich geschädigte Bäume auch wieder erholen. „Es kommt darauf an, wie feucht die kommenden Jahre werden.“ Grundproblem sei die Trockenheit seit 2018, doch Bäume haben die Fähigkeit zu genesen, wenn das Wetter sich normalisiere. Die Frage ist nur, ob dies geschieht. (Thomas J. Schmidt)

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