Vermieter schikaniert Bewohner

Die Frankfurter Stabsstelle Mieterschutz in Frankfurt spricht von einem besonders dreisten Fall von Entmietung. Viele der Mieter in dem Haus in der Eschersheimer Landstraße sind sehbehindert.
Haustür entfernt, Briefkästen und Klingelanlage abmontiert: Für die Mieter des Mehrfamilienhauses Eschersheimer Landstraße 80 ist damit ein neuer Höhepunkt in einer offenbar seit Monaten anhaltenden Auseinandersetzung mit ihrer Vermieterin erreicht. „Ein besonders dreister Fall von Entmietung“, kommentiert Kai Schönbach, Leiter der städtischen Stabsstelle Mieterschutz, die Vorgänge. „Die Stadt wird alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen, um solch verantwortungslosen Vermietern Einhalt zu gebieten.“ In dem Haus mit 16 Wohneinheiten wohnen derzeit noch acht Mietparteien.
Haustür ausgebaut
Die aktuelle Eigentümerin des Mehrfamilienhauses ist die EL80 GmbH mit Sitz in Aschaffenburg. Sie hatte es Ende vergangenen Jahres von einem Privatinvestor erworben. An jenen hatte der Blinden- und Sehbehindertenbund Hessen die Immobilie vor rund sechs Jahren verkauft. „Wegen umfassender Renovierungsbedürftigkeit“, wie Vorstandsmitglied Karl Matthias Schäfer erklärt. „Wir hätten rund 1,2 Millionen in das Haus investieren müssen. Das konnte der Verein nicht stemmen.“ Schäfer betont, dass es sich um „ein ganz normales Wohnhaus“ handelt und nicht, wie bisweilen kolportiert, um ein Wohnheim für blinde Menschen. Freilich habe der Verein, der bis zum Verkauf im Erdgeschoss des Hauses seine Geschäftsräume hatte, bevorzugt an Mitglieder vermietet. So haben bis heute Sehbehinderte und schwerbehinderte Menschen dort ihr Zuhause.
Für rund 1,6 Millionen Euro wechselte das Haus laut Auskunft Schäfers seinerzeit den Eigentümer. Der Blinden-Bund gab seine Geschäftsräume im Erdgeschoss des Hauses auf und zog in die Börsenstraße. Der neue Eigentümer, ein Privatinvestor, ließ das Erdgeschoss zu Wohnungen umbauen. Renoviert wurde nicht. Im vergangenen Jahr erwarb die EL80 GmbH das Haus.
Rabiates Klopfen
Unmittelbar nach dem Verkauf kündigte die neue Eigentümerin sämtlichen Mietern, die sich daraufhin an die Stabsstelle Mieterschutz wandten. Nach Einschätzung der Fachleute der Stabsstelle waren die Kündigungen fehlerhaft, somit rechtlich nicht durchsetzbar. Trotzdem brach für die Mieter eine ungemütliche Zeit an. Sie wurden, so berichtet es ein Betroffener, mit rabiatem Klopfen an die Wohnungstür und unmissverständlichen Aufforderungen bedrängt, ihren Wohnraum zu kündigen. Mal, weil angeblich der Abriss des Hauses bevorstand, mal, weil die Kernsanierung geplant sei. „Man bot uns an, beim Umzug behilflich zu sein“, so ein Mieter. „Aber was nützt das, wenn man keinen vergleichbaren Wohnraum in Frankfurt findet.“
Schikanen, um Mieter zum Auszug zu bewegen, sind der Stabsstelle Mieterschutz nicht unbekannt. Zumeist werde damit die Entmietung, also die Verdrängung der ansässigen Mieter, bezweckt, um die Immobilie teurer zu vermieten und den gesetzlichen Mieterschutz zu umgehen, weiß deren Leiter Kai Schönbach aus langer Erfahrung, oder gar die Immobilie umzubauen zu Eigentumswohnungen und diese gewinnbringend zu veräußern.
Die Stabsstelle Mieterschutz hat jetzt die Bauaufsicht und die Wohnungsaufsicht eingeschaltet. Die Wohnungsaufsicht kann die Beseitigung der Mängel im Rahmen der Ersatzvornahme zwangsweise durchsetzen, wenn der Vermieter dies weiterhin unterlässt. Seitens der beim Amt für Wohnungswesen ansässigen Wohnungsaufsicht wird vor allem die Einleitung eines Verfahrens nach Paragraf 6 Wirtschaftsstrafgesetz geprüft. Dort ist das Schikanieren von Mietern durch bauliche Veränderung und um diese zur Aufgabe der Wohnung zu bewegen unter Geldbuße gestellt.
Die Geschäfte der Firma EL80 GmbH mit Sitz in Aschaffenburg, im Juli 2021 ins Handelsregister eingetragen, führt Isa Utay. Der umtriebige Unternehmer aus Großostheim unterhält eine Reihe von Firmen. Neben dem Geschäftszweck der Aufstellung von Automaten vorwiegend mit dem Zweck der Entwicklung, des Erwerbs und der Veräußerung von Immobilien. In Bad Nauheim bewarb er sich um die Bebauung des Geländes der Zahnfabrik mit drei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 54 Eigentumswohnungen. Ein Deal in Gießen erweckte öffentliche Beachtung, als er im Wege der Zwangsversteigerung bemerkenswert günstig eine als Bordell genutzte ehemalige Fabrikanten-Villa erwarb.
Kein Kommentar
Die EL80 GmbH in Aschaffenburg indessen tritt kaum in öffentliche Erscheinung. Eine Internetpräsenz unterhält sie nicht. Wählt man die Festnetznummer, meldet sich Christina Utay, Prokuristin der Azar Immobilien GmbH, als deren Geschäftsführer Mathias Utay eingetragen ist. Über die Vorgänge im Haus Eschersheimer Landstraße 80 will niemand reden. „Wir geben keinen Kommentar ab“, so Christina Utay auf Nachfrage. Auch sie ist eng eingebunden in das familiäre Firmengeflecht. Seit Ende vergangenen Jahres ist sie auch Geschäftsführerin des Familienprojekts Utay Foundation gGmbH. Die gemeinnützige GmbH empfiehlt sich als „gemeinnützige Stiftung“. Slogan: „Wir helfen dort, wo die Not am größten ist.“
Am späten Montagnachmittag wurde im Wohnhaus Eschersheimer Landstraße eine provisorische Tür, wie man sie auf Baustellen findet, montiert. Ob diese bau- und brandschutztechnischen Anforderungen entspricht, sollen nun die städtischen Fachbehörden prüfen.