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Frankfurter Clubgeschichte
Bijan Blum, der erste Resident-DJ im ehemaligen Dorian Gray
- vonAlexander Antonakisschließen
Promis, nackte Haut und lange Partynächte: Im legendären Frankfurter Club Dorian Gray wurde einst ausschweifend gefeiert. Von Anfang an dabei und mittendrin im Disco-Rausch war DJ Bijan Blum, der einige Jahre den Sound der Diskothek im Flughafen vorgab.
Es ist der 28. November 1978, 24 Uhr. Das Dorian Gray feiert seine spektakuläre Eröffnung für geladene Gäste. Es wimmelt nur so vor Prominenten und Szenevolk. Alle sind dem Disco-Fieber verfallen. Die Stimmung ist euphorisch.
DJ Bijan Blum legt auf dem großen Floor nach der Lasershow die erste Platte auf: "You Make Me Feel" von Gay-Ikone Sylvester dröhnt über das mächtige Sound-System auf die Tanzfläche.
Blanker Hedonismus in Form von wilden Tanzgelagen und ausgefallenen, knappen Outfits bestimmen das frivole und schweißtreibende Party-Spektakel. Sex liegt in der Luft. An Morgen denkt keiner.
Blum, ebenfalls vom Disco-Sound infiziert, ist der erste Resident-DJ in der Kult-Diskothek im Frankfurter Flughafen. Er ist jung, talentiert und charismatisch. Bis in die 1980er Jahre hinein wird er im "Gray" die feiernden Massen mit seinen Sets zum Tanzen bringen.
Doch Ende der 1980er Jahre verschwindet er plötzlich aus Frankfurts Party-Landschaft. Irgendwann macht dann sogar das Gerücht die Runde, er sei tot.
Der vergessene Held der frühen Frankfurter Clubszene
Einige DJs, die heute weltberühmt sind, schauen Blum in den Anfangstagen über die Schulter und lernen von ihm. Doch ihn hat man nahezu vergessen. Denn über das im Jahr 2000 geschlossene Gray existieren viele Geschichten. Blums Name kommt darin aber kaum vor.
In der Regel tauchen darin Leute wie der 1993 tödlich verunglückte Torsten Fenslau, DJ Dag, Talla 2XLC und Frankfurts Techno-König Sven Väth auf. DJs, die sich in der Diskothek Mitte der 1980er und in den 1990er Jahren einen Namen machen und mit dem Dorian Gray in Verbindung gebracht werden.
Allerdings werden die Weichen für viele Jahre Dorian Gray zwischen 1978 und 1985 gestellt. "Und jeder DJ, der später dort auflegte, partizipierte davon", sagt Blum. Das zu erwähnen, ist ihm besonders wichtig.
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Blum ist mittlerweile Anfang 60 und wohnhaft in Mannheim. Seine dunkle Haarpracht von einst ist einer Glatze gewichen. Ausgewaschene Jeans und ein lässig aufgeknöpftes Hemd bestimmen sein Outfit. Er wirkt sympathisch und erzählt gerne - vor allem über die Zeiten, die er früher im Dorian Gray erlebt hat.
Doch von dem einstigen Partyleben in Frankfurt ist heute nicht mehr viel übrig. Blum geht einer geregelten Arbeit in der Hausverwaltung nach. Er hat nicht wie andere seiner Kollegen die große Karriere hingelegt. Aber dennoch ist er mit dem was er macht glücklich, wie er sagt. Und so ganz ohne die Musik geht er ohnehin nicht durchs Leben.
Blums frühe DJ-Zeit
Blum wächst in Köln auf, drückt die Schulbank mit Erwin Bach (Ehemann von Tina Turner) und der in Frankfurt geborenen Hochspringerin Ulrike Nasse-Meyfarth. Nach der Schule macht er eine Ausbildung zum Textilkaufmann und arbeitet zunächst in diesem Beruf.
Doch auch die Musik fasziniert ihn – und zwar seit seiner Kindheit. Die Anlage seiner Eltern läuft auf Dauerbetrieb und er beginnt schon früh damit Schallplatten zu kaufen. "Dieses Musik-Gen hatte ich schon immer im Blut", sagt Blum. Bereits Anfang der 1970er Jahre fängt er an als DJ zu arbeiten.
Damals ist das professionelle Mixen von Musik mit Schallplatten in Diskotheken und Clubs allerdings ein noch äußerst ungewöhnlicher Job. DJs gibt es noch nicht wie Sand am Meer. David Guetta und andere gutbezahlte Weltstars werden erst viel später die Regler in die Hand nehmen und die Bühnen der Welt erobern.
„Mit 16 habe ich in Kölns ältester Studentendiskothek „Das Ding" angefangen. An der Tür hat seinerzeit der ehemalige Sportmoderator Wolf-Dieter Poschmann gestanden. Dann habe ich im 'Piccionaia' aufgelegt, damals einer der besten Clubs der Stadt.", sagt Blum.
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Dann zieht es ihn nach Düsseldorf. Dort legt er bei der Neueröffnung vom seinerzeit angesagten „Malesh" auf und wird Resident-DJ. „Ich hatte als Kölner übrigens nie Probleme mit Düsseldorf“, erzählt Blum lachend.
Im „Malesh“ entdecken ihn schließlich die beiden Dorian-Gray-Gründer Gerd Schüler und Michael Presinger. Die beiden Clubmacher finden für ihr Projekt vor allem vom New Yorker Studio 54 Inspiration. Monate vor der Eröffnung ziehen sie außerdem systematisch durch Deutschland, um sich in diversen Diskotheken DJs anzuhören und Ideen für ihren Flughafen-Feiertempel zu sammeln.
Eines nachts stehen Gerd Schüler und Michael Presinger zusammen mit Tom Esselborn, dem Besitzer des "Tiffany" in Mannheim, plötzlich neben Blums DJ-Pult. Sie sind absolut begeistert von seinem technischen Können und Musikgeschmack und bieten ihm einen Job im Gray an. Zunächst lehnt er jedoch ab. Aus Loyalität gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber. Doch es kommt anders.
"Flucht" nach Frankfurt
Kurz darauf bekommt Blum, der sich ebenfalls bestens im Boxen und Karate versteht, in einer Düsseldorfer Szenekneipe Stress mit einem Polizisten in Zivil. Erst geht es ziemlich heftig verbal zur Sache. Am Ende knockt Blum den Beamten im Laufe des Tresen-Streits vom Hocker. Jetzt wird ihm der Boden im Rheinland zu heiß. Es riecht gewaltig nach Ärger. Doch ein Ausweg ist in Sicht.
Denn wenige Wochen später stehen Schüler und Presinger erneut bei Blum neben dem DJ-Pult. Ihre Hartnäckigkeit kommt wie gerufen. Den widrigen Umständen geschuldet und das Gesetz im Nacken, willigt Blum schließlich in das Angebot der „Gray“-Besitzer ein und zieht in die Mainmetropole.
Seine erste Bleibe in Frankfurt ist im Übrigen ein geschichtsträchtiges Domizil: Die ehemalige Wohnung der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt in der Stiftstraße.
Ein Leben am DJ-Pult
In Frankfurt fühlt sich Blum in seiner neuen Rolle als Entertainer auf Anhieb wohl. Auf dem großen Gray-Floor spielt er die „Hämmer“, wie er sagt. Die angesagtesten Scheiben eben. Import-Schallplatten aus den USA, die in Frankfurt seinerzeit gar nicht oder nur sehr schwer erhältlich sind. „Dafür bin ich extra nach Amsterdam und Paris gefahren und nach London geflogen", erinnert sich Blum.
Tanzflächenfüller wie "Le Freak" von Chic, "Dancer" von Gino Soccio oder Instant Funks "I Got My Mind Up", das auf dem legendären Disco-Label "Salsoul Records" zuhause ist, sind nur ein paar seiner Lieblingsstücke, die er oft auflegt.
Er lässt in der Regel von 21 Uhr abends bis morgens um 8 Uhr Platten kreisen – und das in den ersten drei Monaten des Gray-Bestehens an sieben Tagen in der Woche. Ein wahnsinniges Pensum. „Du verdienst also heutzutage dein Geld als DJ wesentlich leichter, als wir seinerzeit“, sagt er.
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Vor allem die ausgeklügelte Sound-Anlage der Diskothek hat es Blum angetan. Nicht ohne Grund gilt das Dorian Gray seinerzeit als einer der modernsten Clubs der Welt. Mit verantwortlich dafür ist , einer der US-amerikanischen Klang-Designer schlechthin.Richard Long sorgt mit seinem umfassenden Wissen in den späten 1970er Jahren ebenso maßgeblich für den Erfolg der weltbekannten New Yorker Diskotheken Studio 54 und Paradise Garage.
Nach und nach kommen Kollegen wie Ulli Brenner und Michael Münzing (Snap!) als Unterstützung ins Boot, die in den Folgejahren ebenfalls regelmäßig im Gray Platten auflegen. Dadurch kann sich der arbeitswütige Blum immerhin zwei Tage die Woche freischaufeln. Die nutzt er vorwiegend zum Platten kaufen. Zum Leidwesen seiner damaligen Freundin.
Neben den lokalen DJs, die regelmäßig im Gray spielen, werden auch bald zunehmend Gast-DJs von außerhalb eingeladen. „In der Zeit, als ich die Neueröffnung im 'Aladdins' in Aschaffenburg übernahm und dort sechs Monate arbeitete, kam Peter Römer aus dem Hamburger „Trinity' als Ersatz für mich ins Dorian Gray. Der beste Mixer, der damals im Gray gestanden hatte“, schwärmt Blum von seinem Kollegen.
"Eine riesige Party" aber zu viele Baustellen
Blum feiert in den 1980ern mit der High Society und verdient für die damalige Zeit ziemlich viel Geld. "Mein Leben war damals einfach eine riesige Party. Ständig lernte ich Leute kennen und es wurde ausschweifend gefeiert", sagt Blum.
Er ist seinerzeit aber nicht nur als DJ erfolgreich. Unter anderem kann man Blum auch als Laiendarsteller auf der Leinwand sehen. Er steht mit Karl Dall, Helmut Fischer, Patrick Bach und Uschi Glas vor der Kamera und ist in Filmen wie „Mamma Mia - Nur keine Panik“ und „Drei und eine halbe Portion“ zu sehen. Eine Zeit, auf die Blum sehr gerne zurückblickt.
Und immer wieder die Musik. Neben seiner DJ-Tätigkeit sitzt Blum zwischen all seinen Jobs regelmäßig im Studio und nimmt Mixe für Plattenfirmen wie Ariola auf. Wie zum Beispiel die Non-Stop-Compilation "Super Disco Nights" von 1986, die damals dank der vielen bekannten Hits Platz 4. der deutschen LP-Charts erreicht.
Mitte der 1980er Jahre geht er dann sogar kurzzeitig unter die Clubmacher. Als Mitbetreiber und DJ des Frankfurter Untergrund-Clubs "Die Weise" feiert er einige Monate in der Innenstadt wilde Nächte. Der Laden gilt seinerzeit als Pendant zu dem "Dschungel" in Berlin, weil dort ebenfalls Musik läuft, die außergewöhnlich ist. Doch nach Diskrepanzen mit seinem damaligen Partner geht er wieder zurück ins Dorian Gray.
Doch nicht genug: Der adrette Blum ist Mitte der 1980er Jahre außerdem ein ziemlich gefragtes Model und jettet abwechselnd zwischen Deutschland, Paris und Mailand hin und her. Sehr viele Baustellen auf einmal. „Was mir damals gefehlt hat, war ein Manager. Einer, der die Fäden zieht“, sagt Blum.
1986 ist dann Schluss im Dorian Gray. Er zieht ins Ausland – vor allem der Model-Jobs wegen. Außerdem ist es nach dem langjährigen DJ-Marathon an der Zeit für ihn, die Akkus aufzuladen und sich anderweitig zu orientieren.
Im Mai 1989 arbeitet Blum dann für mehrere Monate in Paris im "Le Palace" als DJ. 1990 kommt er nochmal für kurze Zeit nach Frankfurt. Dann zieht sich der Deutsch-Iraner plötzlich komplett aus dem Frankfurter Party-Geschehen zurück. Die Gründe dafür sollen aber seine Privatsache bleiben.
Nach seinem "Frexit" legt er weiterhin in Clubs wie dem "Tiffany" in Mannheim und auf anderen Partys außerhalb Frankfurts auf. Aber, was die Mainmetropole angeht: Aus den Augen, aus dem Sinn. Der Kontakt bricht ab. Alte Weggefährten denken sogar bald, er sei gestorben.
Überraschendes Comeback
Doch Totgeglaubte leben bekanntlich länger. 2011 meldet er sich bei Facebook an und geht somit wieder an die Öffentlichkeit. Viele der einstigen Bekannten und Freunde erfahren dadurch überhaupt erst, dass es ihn noch gibt.
Er schart alte wie auch neue Weggefährten um sich herum, spielt wieder auf „größeren“ Partys. Bei der Dorian-Gray-2.0-Bühne im Rahmen des "World Club Dome" legt er dreimal hintereinander als Special Guest auf, spielt unter anderem in der Darmstädter Centralstation oder im Frankfurter Yachtklub. Die Leidenschaft für die Musik hat er nicht verloren.
Am 30. November spielt Blum im Rahmen des 40-jährigen Geburtstags des Dorian Gray im Wiesbadener Alpha 3.