Überraschende kulinarische Genüsse aus Bockenheim

Ein gemeinsames Restaurant wollten Justin Steberl und Fernando Schmidt schon 2020 eröffnen. Die Corona-Pandemie durchkreuzte ihre Pläne allerdings...
Der Karotten-Cappuccino war eine absolute Wucht. Zuerst schmeckte er nach reifen Möhren, dann entfachte der Ingwer ein kleines Feuer auf der Zunge, bevor der Miso-Schaum seine hintergründige Würze entfaltete. Das Amuse Bouche ist ein treffliches Beispiel für die ambitionierte Gemüseküche, die den Gästen des Tonka manch kulinarische Überraschung beschert. Auf diesen Namen tauften Justin Steberl und Fernando Schmidt ihr erstes eigenes Lokal, das sie seit etwas mehr als zwei Wochen in Bockenheim betreiben.
Und dabei stellen sie sich sehr gut an, obwohl sie nicht über entsprechende Ausbildungen verfügen. Steberl ist gelernter Informatiker, doch weil ihm der Bürojob auf Dauer nicht zusagte, hängte er ein BWL-Studium dran. Schmidt ging ebenfalls zur Uni, da er sich für Soziologie und Philosophie interessierte. Allerdings entschied er sich wieder dagegen, „weil ich lieber kochen wollte“, sagt der 26-Jährige.
Steberl (29) arbeitete neben dem Studium im Arche Nova , einem persischen Restaurant im Ökohaus. Und das bedeutete eine große Umstellung für ihn: „Ich hatte bis dahin noch nie mit Kunden zu tun. Doch in der Gastronomie besteht direkter Kontakt. Außerdem bekommt man, wenn man ein Gericht serviert, auch gleich Feedback.“ Das sei das Gegenteil von seiner früheren Tätigkeit gewesen und habe ihm sehr gut gefallen, weshalb er Vollzeit eingestiegen sei.
Anders als zu vermuten, haben sich beide nicht über die Gastronomie, sondern gemeinsame Bekannte kennengelernt. Weil sie denselben Sport mögen, sie klettern und bouldern häufig, entstand schnell eine enge Freundschaft. „Wir kochen auch gerne zusammen“, erzählt Steberl. „Wobei ich eher schnippele, während Fernando am Herd steht.“
Ein gemeinsames Restaurant wollten er und Schmidt schon 2020 eröffnen. Die Corona-Pandemie durchkreuzte ihre Pläne allerdings. In den Räumen des früheren Heck Meck können sie ihre Vision vom eigenen Lokal nun endlich umsetzen. Dass es ein veganes Konzept sein soll, stand für die Kompagnons von Anfang an fest. „Fernando verzichtet seit fast 15 Jahren auf tierische Produkte, und ich ernähre mich zu 98 Prozent vegan“, so Steberl.
Ihre moderne Gemüseküche kollidiert ein bisschen mit dem rustikalen Gastraum - was sie aber nicht stört: „Zwar haben wir den Wänden einen frischen Anstrich verpasst und die Holzelemente poliert. Doch wir finden es schön, dass das Lokal noch seinen ursprünglichen Charakter hat“, sagt Schmidt. „Wir mögen gemütliche Gastro-Betriebe, in denen man nach dem Essen noch sitzen und ein oder zwei Biere oder Weine trinken kann, ohne super viel Geld in die Hand zu nehmen.“ Letztere kosten pro Glas von 6,50 bis 8,50 Euro, sind bio und vegan und stammen aus Rheinhessen und der Pfalz. Wer Leichteres bevorzugt, findet einen Quitten Spritz auf Basis eines heimischen Likörs. „Ich versuche, Fernandos regionalen Anspruch an der Theke widerzuspiegeln“, erklärt Steberl.
Die für die Gemüseküche verarbeiteten Lebensmittel kommen laut Chefkoch von Lore Bäuschers Hofladen an der Leipziger Straße. Dass es keinen pflanzlichen Fleischersatz gebe, sei eine Sache des Handwerks, so Schmidt. Er wolle kein veganes Steak verkaufen, sondern alles selbst zubereiten. Auch den Apfelessig, den er zum Würzen verwende. Und das wirklich gute Sauerteigbrot (feste Kruste, dichte Krume) mit aufgeschlagener Sanddornmargarine (5 Euro).
Obendrein bietet die kleine, acht Gerichte umfassende Speisekarte, die alle zwei Monate wechseln soll, Spargel-Orangen-Salat samt Pinienkernen und Perlzwiebeln, abgeschmeckt mit Orangen-Dressing (12 Euro). Die frisch-fruchtige Mischung zeigt Schmidts Faible für knackig gegartes Gemüse. Während die Kombination aus eingelegten Radieschen, Rettich und Walnusspüree (10 Euro) beweist, dass er mit den Produkten kreativ umzugehen versteht. Bei den Hauptspeisen macht sich das ebenfalls bemerkbar, etwa dem außen leicht krossen Romanesco auf Haselnuss-Hummus samt Miso und gerösteten Haselnüssen für zusätzlichen Biss (17 Euro).
Durch Gerichte wie diese hat das Tonka unter den Nachbarn schon Freunde gewonnen. „Zunächst fanden es viele Gäste schade, dass das Heck Meck nach über 30 Jahren zugemacht hat“, weiß Schmidt. Doch inzwischen freuten sie sich darüber, dass es weitergehe. „Wir sind sehr glücklich, überwiegend positives Feedback zu erhalten“, ergänzt Steberl. „Das gibt uns Kraft und Energie. Genauso wie Michaela Schaar, die frühere Betreiberin, die viel Werbung für uns macht.“
Tonka
Bockenheim, Friesengasse 19. Tel. 01 52-59 86 42 35, tonka.restaurant, Mi-Sa 12-15 + 18-24 Uhr, So-Di Ruhetage, Sitzplätze: 36 innen/30 außen, Küchenrichtung: vegan.