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Frankfurter Riederwaldtunnel: „Die Idee ist alt, der Bedarf aber brandaktuell“

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Sandro Vincenzi (57) ist seit April kommissarischer Leiter der Außenstelle Frankfurt der Niederlassung West der Autobahn GmbH des Bundes. Sie ist dem Bundesverkehrsministerium unterstellt und kümmert sich seit Anfang vorigen Jahres um Bau, Betrieb, Erhaltung, Planung und Verwaltung der Autobahnen in Deutschland. Zuvor hatten die Landesstraßenbehörden diese Aufgaben im Auftrag des Bundes erledigt, hierzulande also Hessen Mobil. Vincenzi leitet die Außenstelle Wiesbaden seit Mitte 2020. Er studierte an der Technischen Universität in Kaiserslautern Bauingenieurwesen, kam bereits zum Referendariat zur hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung. Dort war er ab 1996 in verschiedenen Bereichen tätig, erst als Sachgebietsleiter für Straße und Radwege sowie Bau Amt Marburg, danach im Landesamt in Wiesbaden für Planung, später Projektmanager und Vize-Amtsleiter in Dillenburg mit Zuständigkeit für die A45. 2010 wechselte Vincenzi ins hessische Verkehrsministerium und war für Planfeststellungen zuständig, ab 2017 dann für de A66-Lückenschluss und den Riederwaldtunnel. FOTO: Enrico Sauda
Sandro Vincenzi (57) ist seit April kommissarischer Leiter der Außenstelle Frankfurt der Niederlassung West der Autobahn GmbH des Bundes. Sie ist dem Bundesverkehrsministerium unterstellt und kümmert sich seit Anfang vorigen Jahres um Bau, Betrieb, Erhaltung, Planung und Verwaltung der Autobahnen in Deutschland. Zuvor hatten die Landesstraßenbehörden diese Aufgaben im Auftrag des Bundes erledigt, hierzulande also Hessen Mobil. Vincenzi leitet die Außenstelle Wiesbaden seit Mitte 2020. Er studierte an der Technischen Universität in Kaiserslautern Bauingenieurwesen, kam bereits zum Referendariat zur hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung. Dort war er ab 1996 in verschiedenen Bereichen tätig, erst als Sachgebietsleiter für Straße und Radwege sowie Bau Amt Marburg, danach im Landesamt in Wiesbaden für Planung, später Projektmanager und Vize-Amtsleiter in Dillenburg mit Zuständigkeit für die A45. 2010 wechselte Vincenzi ins hessische Verkehrsministerium und war für Planfeststellungen zuständig, ab 2017 dann für de A66-Lückenschluss und den Riederwaldtunnel. © Enrico Sauda

Sandro Vincenzi von der Autobahn GmbH spricht im Interview über den Lückenschluss der A66 durch Frankfurt, den Heldbockkäfer und wildgewordene Grüne.

Herbeigesehnt von vielen, bekämpft von anderen: Der Lückenschluss der A66 samt Riederwaldtunnel im Osten der Stadt ist eines der größten Infrastrukturprojekte in Frankfurt. Über den Stand der Bauarbeiten spricht Außenstellenleiter Sandro Vincenzi von der Autobahn GmbH des Bundes mit Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann.

Wie sind Sie in diesem Jahr mit den Bauarbeiten für den Riederwaldtunnel vorangekommen?

Gut! Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben aber immer noch viele vorbereitende Maßnahmen vor der Brust.

Wann starten die Hauptbauarbeiten?

Bis es wirklich mit dem Tunnel losgeht, sind es noch ein paar Jahre. Im Vorfeld müssen wir noch die U-Bahn-Strecke umlegen und den Ringverkehr am Erlenbruch einrichten, um das Baufeld freizubekommen. Das sind die nächsten großen Bausteine.

Warum müssen dann jetzt schon Bäume am Rand des Fechenheimer Waldes gefällt werden?

Wir fällen immer erst, wenn wir die Fläche wirklich brauchen. Deswegen konnten wir das Fällen auch um ein Jahr herauszögern. Jetzt brauchen wir den Bereich aber, um unsere Baustraßen und die Logistik aufzubauen. Wir müssen eine Brücke bauen und Dammschüttungen machen. Das benötigt einfach etwas Zeit.

Warum müssen Baustraßen durch den Wald verlaufen?

Damit wir später bauen können, ohne Anwohner und innerstädtischen Verkehr zu belasten. Unser Ziel ist es, dass die Lastwagen mit den großen Massentransporten aus den Bauflächen direkt auf die A66 und auf die A661 fahren.

Zu wann sind die Rodung und die Räumung des Protest-Camps vorgesehen?

Dazu können wir aktuell noch keine Aussage machen, da wir immer noch in Vorbereitungen sind. Wir haben unser Zeitfenster, dass wir ab November bis Ende Februar fällen dürfen. Das haben wir immer noch vor.

Wie aufwendig ist im Wald der Umgang mit dem Heldbockkäfer?

Es ist nicht aufwendiger, als wir sonst mit Tierarten umgehen. Schon 2015 erfolgten Untersuchungen für alle Altholz liebenden Arten, also Käfer. Damals waren die aber noch nicht da. Da der Käfer jetzt da ist, mussten wir uns dem jetzt stellen.

Liegen die Ergebnisse des Gutachters inzwischen vor?

In Entwürfen ja, aber es läuft noch die Endabstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde. Wir gehen davon aus, dass wir das bis Ende des Jahres hinkriegen. Bei praktisch allen Projekten im städtischen Umfeld in Frankfurt ist dieser Käfer seit Jahrzehnten ein Thema, aber nirgendwo hat er ein Projekt verzögert oder verhindert. Den Schutz der Tierarten bekommt man fachlich in den Griff.

Vor Ort gibt es immer wieder Kritik, dass Anwohner nicht gut informiert würden. Warum?

Alle Bemühungen von uns waren immer, den Menschen klar zu machen: Wir sind da, informiert euch! Für Gespräche sind wir immer offen. Wir waren jahrelang mit einem Informationszentrum an der Borsigallee präsent. Dort gab es Sprechzeiten, das wurde aber fast nie wahrgenommen.

Woran liegt das?

Die Bürger sind entweder für oder gegen das Projekt. Wer dagegen ist, kommt auf die Bürgerversammlungen, wo wir mit unserem Fachwissen die Bürger informieren wollen. Initiativen nutzen aber dieses Podium für sich. Da gibt es dann oft Tumulte, und am Ende gelangen die Informationen nicht zu den Adressaten.

Wie reagieren Sie darauf?

Wir haben in diesem Jahr die Anwohner mit Wurfzetteln in ihren Briefkästen persönlich eingeladen zu zwei Terminen vor Ort. Es kamen aber nur fünf bis zehn Leute. Das ist frustrierend. Man könnte aber auch vermuten, dass das Gros der Bevölkerung für das Projekt ist und auch keinen weiteren Informationsbedarf hat.

Wie wollen Sie in Zukunft weiter informieren?

Sobald wir mit dem Tunnelbau beginnen, werden wir wieder ein Info-Center vor Ort haben. Auch Baustellenführungen wollen wir wieder anbieten. Wir sind transparent und wollen zeigen, was wir tun. Wir bauen das ja nicht als Selbstzweck. Wir bauen das für die Bevölkerung, für die Allgemeinheit, für die Nutznießer im Rhein-Main-Gebiet.

Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung aus der Politik?

Seit Jahren wissen alle, was wir bauen. Es wäre schön, wenn die Politiker, die sich zuletzt negativ geäußert haben, erkennen, dass wir das für die Allgemeinheit tun. Da würde ich mir mehr Unterstützung wünschen, wenn ich an die Stadt Frankfurt denke. Wir arbeiten partnerschaftlich zusammen, das möchten wir weiter so pflegen. Das hat in diesem Jahr einen kleinen Riss bekommen. Wir haben das geklärt und sind wieder gemeinsam auf dem richtigen Weg. Man darf nicht nachlassen in der Zusammenarbeit.

Warum stört Sie dieser Widerstand - konkret aus den Reihen der Grünen?

Politiker sind dem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet. Dann muss man auch Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren. Das ist ja auch im Koalitionsvertrag der Frankfurter Koalitionäre so niedergelegt. Aber wenn sich dort nun der eine oder andere nicht mehr dafür interessiert und ausbüxt, dann ist das nicht dem Projekt förderlich und es hilft auch nicht der Bevölkerung.

Was stört Sie konkret daran?

Es ist nicht stringent, wenn Frankfurt auf Wachstum setzt und große Institutionen wie zum Beispiel die EZB bekommt, was Pendlerströme indiziert, und sich die Stadt auf der anderen Seite gegen das Schließen einer Versorgungslücke im Osten der Stadt stellt. Aus allen anderen Richtungen ist der Anschluss ans Autobahnnetz gegeben. Da muss man auch ans Umland denken. Es geht zum Beispiel um den Dachdecker, der mit seinem Wagen mit dem Arbeitsmaterial darin seine Arbeitsstelle erreichen muss. Für solche Transporte sind Bahn, Bus oder Lastenrad keine Alternative. Dafür sind auch weiter leistungsfähige Straßen notwendig.

Aber warum ausgerechnet dieses Autobahnstück?

Ich verstehe, dass es im Kontext des Klimawandels schwierig ist, sich ganz offen zu einem so großen Infrastrukturprojekt zu bekennen. Es geht hier um eine wichtige, aber kleine Ergänzung im Autobahnnetz. Es geht darum, dass der Verkehr flüssiger und sicherer und mit weniger Umweltbelastung fließt. Der Riederwald ist seit Jahrzehnten überstaut. Das wird mit dem Riederwaldtunnel beendet, und das nutzt den Anwohnern wie auch den Pendlern. Dieser Nutzen ist unabhängig davon da, mit welcher Art von Antrieb die Fahrzeuge fahren.

Warum muss ein so altes Projekt wie der Riederwaldtunnel noch gebaut werden?

Das werfen uns die Gegner ja immer wieder vor. Die Idee des Lückenschlusses ist alt, ja, aber der Bedarf ist mit 20 000 Fahrzeugen am Tag durch den Riederwald brandaktuell. Und die Umsetzung ist modern und entspricht dem neusten fachlichen Anspruch. Neue Gesetze, technische Möglichkeit und Rechtssprechungen sind eingeflossen. Deshalb ist auch dieser Planungsprozess so lang. Am Anfang war eine Hochstraße geplant, dann ein Trog, nun wird es ein Tunnel. Das zeigt, dass die Planung nicht stur läuft.

Verstehen Sie, wieso dennoch Gegner die Autobahn-GmbH angreifen?

Wir sind die Umsetzer, nicht die Initiatoren dieses Projekts. Wir sind im Auftrag der Politik des Bundes unterwegs. Die Autobahn-GmbH ist unpolitisch. Wenn es zum Beispiel bei der Räumung Eskalationen gibt, dann kommt das nicht von uns. Wir wollen dort etwas ausführen.

Welche Unterstützung kann die Stadt bieten, um Eskalationen zu verhindern?

Indem sie sich klar positioniert: Ja, auch wir sind für das Projekt. Wer dagegen ist, muss sich vor Augen halten, dass zehntausende Pendler und Lkw seit Jahrzehnten tagtäglich durch den Riederwald in die Stadt rein- und rausfahren. Die Anwohner flehen die Lösung herbei, melden sich aber nicht laut zu Wort. Laut sind nur die, die dagegen sind. Würden wir aufhören zu bauen, würden wir die Anwohner im Stich lassen.

Zum A66-Lückenschluss gehört auch der A661-Endausbau. Wie weit sind Sie da?

Die A661 wird nicht ausgebaut, sondern vervollständigt. Dabei geht es vor allem um Verkehrssicherheitsaspekte und darum, dass die Straße leistungsfähig genug ist, wenn die A66 angeschlossen wird. Wir sind nun im Planänderungsverfahren. Ganz wichtig: Dort kommt endlich der Lärmschutz für den Bornheimer Hang, der seit Jahrzehnten fehlt. Es wird unter anderem aktive Lärmschutzwände geben und leisen, offenporigen Asphalt.

Viele Anwohner befürchten dennoch mehr Lärm.

Das Gegenteil ist der Fall! Mit dem Bau der westlichen Fahrbahn können wir endlich den Lärmschutz dort errichten. Dadurch wird es deutlich leiser für die Anwohner, obwohl der Verkehr auf der A661 steigen wird.

Wieso wird der Verkehr mehr?

Weil die Metropolregion lebt und wächst. Mit mehr Einwohnern und mehr Wirtschaftskraft steigt die Mobilität. In einer Region mit so starken Pendlerströmen müssen sie alle Verkehrsarten bedienen: Bahnen und Busse, Radwege und auch Straßen. Alles ist wichtig, alles wird gebraucht.

Die Stadt wünscht sich eine Einhausung über die fertige A661 zwischen Friedberger und Seckbacher Landstraße. Wie ist da der Stand?

Wir arbeiten Hand in Hand mit der Stadt und stimmen uns ab in den Planungen. Das Zeitziel ist: Mit Verkehrsfreigabe der A66 und des Tunnels Riederwald soll die A661, wie im laufenden Planänderungsverfahren beantragt, fertiggestellt sein mit dem Lärmschutz und allem, damit beides zusammen funktioniert. Noch haben wir den Zeitpuffer, damit die Gremien der Stadt entscheiden können, ob sie über das gesetzliche Maß hinausgehend für Lärmschutz eine Einhausung finanzieren wollen. Es ist alles fest eingetaktet.

Wie entwickeln sich die Kosten für die A66?

Natürlich werden die Kosten höher sein als bisher erwartet. Das ist der gesamtwirtschaftlichen Lage geschuldet. Der Baupreisindex geht nach oben wegen der Corona-Pandemie und wegen des Kriegs in der Ukraine. Es steigen Kosten zum Beispiel für Rohstoffe wie Stahl und für Energie. Es gibt aber keine großen projektinternen Kostensteigerungen - außer zum Beispiel für den Umgang mit Heldbockkäfer. Aber das ist von der Summe her vernachlässigbar.

Wann gibt’s die neue Kostenschätzung?

Im Lauf des nächsten Jahres.

Ab wann fahren die Autos durch den Tunnel statt durch den Riederwald?

Ab 2031. Das ist unser Ziel.

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