Branddirektor Reinhard Ries geht in den Ruhestand: ein Rückblick

Reinhard Ries war 25 Jahre lang Leiter der Feuerwehr. Seit dieser Woche ist er im Ruhestand – und freut sich darauf, mal in Ruhe ein paar Krimis lesen zu können.
Sein spektakulärster Einsatz? Sicher zählt dazu der Chemie-Unfall vom Rosenmontag 1993. Reinhard Ries, damals mit 36 Jahren recht jung für die große Aufgabe, war gerade seit drei Wochen Frankfurts Feuerwehrchef, als gelber Regen über Schwanheim, Goldstein und Griesheim niederging. Zehn Tonnen Chemikalien waren bei der Hoechst AG entwichen, auch das krebserregende o-Nitroanisol. Die Firma spielte die Gefahr herunter. Für den neuen Branddirektor hieß es richtig reagieren. Entgegen der Hoechst AG warnte Ries vor der Gefahr und ordnete an, den gelben Stoff von Straßen, Dächern, Autos flächendeckend abzuwaschen und zu entsorgen. Und er entschied sich gegen eine Evakuierung der betroffenen Stadtteile – auch das erwies sich als richtig.
Hohe Standards
Das Ereignis war nur der Auftakt zu einer ganzen Serie von Zwischenfällen bei den Chemiewerken in Höchst und Griesheim. Ries muss schmunzeln, wenn er daran denkt, wie oft er dort im Einsatz war. Einmal hatte die Firmenleitung, um zu demonstrieren, dass gar nichts Schlimmes passiert sei, eine Pressekonferenz im Werk anberaumt. Zu Gast war auch Joschka Fischer, Hessens Umweltminister. „Da machte es im selben Gebäude noch mal ,rumms‘ und die Gäste der Pressekonferenz mussten schnell raus.“
Als Branddirektor war Ries Leiter des Brandschutzes, des Katastrophenschutzes, des Rettungsdiensts und der Flugrettung mit 2500 Einsatzkräften. Seine Expertise machte ihn zum international gefragten Experten. Er leitete auch Einsätze im Ausland, etwa beim Erdbeben in der Türkei 1999, als er mit 200 Feuerwehrleuten eine brennende Ölraffinerie löschte. Zudem lehrte Ries als Dozent an der FH Frankfurt, an der Hochschule Darmstadt und an der TU Darmstadt
Auch als Einsatzleiter erlangte er schnell den Ruf eines Chefs, der selbst dahin geht, wo’s brennt und für die Bevölkerung da ist. In Griesheim beim gelben Regen schlief er sogar im Einsatzwagen. Die Leute zu schützen, bevor etwas passiert, das trieb ihn an. Der strenge Frankfurter Brandschutz, eines seiner Steckenpferde, wurde oft als zu hart kritisiert – nach weltweit bewegenden Unglücken heute eher gelobt.
So war nicht erst nach dem verheerenden Hochhausbrand im Grenfell Tower im vergangenen Jahr in London die Fassadendämmung aus Polystyrol wieder in aller Munde. In Deutschland ist sie an Hochhäusern ab 22 Metern Höhe ohnehin nicht erlaubt. Aber auch an niedrigeren Gebäuden geht Gefahr von ihr aus, wie sich im Mai 2012 bei einem Brand an einem Neubau in der Adickesallee zeigte. Die Fassade brannte wie eine Fackel in Windeseile ab. „Wir haben daraufhin bei der Bundesbauministerkonferenz gefordert, dass in jeder Etage eine Brandriegel Pflicht wird, so dass das Feuer nicht auf die ganze Fassade übergreifen kann“, berichtet Ries. Er ist nicht gegen den Dämmstoff – nur gegen die Methode, mit der er oft verbaut wird.
Besser aufgestellt
Nach den extremen Hochwassern in den Jahren 2003 – Rekordpegel: 5,19 Meter – und 2011 machte er sich zusammen mit seinem Vater Gedanken darüber, wie man das im Notfall viel zu aufwendige Sandsäcke-System verbessern kann. Der Vater, ein Tüftler und Techniker, erfand die „Aquariwa“-Kunststoffplatten, die sich zu Zylindern aufbauen. Das System lässt sich schneller aufbauen und besser verstauen. Neueste Einsatzmöglichkeit: als Poller zum Sichern von Festen. Ries ist mit der Zeit im Amt durch die Routine ruhiger geworden. „Wir haben aber auch ein besseres Team.“ Die Feuerwehr sei heute viel besser aufgestellt als vor 25 Jahren: „Wir hatten zu wenige Führungskräfte. Das ist jetzt behoben, wir agieren sehr souverän und routiniert. Auf dieses Vermächtnis bin ich schon stolz.“
Reinhard Ries wurde 1956 in Schenklengsfeld in Osthessen geboren – und früh schon war buchstäblich das Feuer in ihm entfacht worden. Als 14-Jähriger gründete er die Jugendfeuerwehr in seinem Heimatort. Später studiert er Architektur in Darmstadt, schloss als Diplom-Ingenieur ab, wurde Brandreferendar beim Regierungspräsidium Darmstadt. Von 1988 bis 1993 arbeitete er bei der Berufsfeuerwehr München.
Sein letzter großer Frankfurter Einsatz, bei dem er nachts aus dem Bett gerufen wurde, um vor Ort zu koordinieren, war der Brand einer großen Lagerhalle in Seckbach, in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar war das.
Von nun an wird das Einsatztelefon nicht mehr klingeln. „Ich bin gespannt, wie sich das anfühlen wird“, sagt Reinhard Ries und lacht. „Jetzt kann ich endlich in Ruhe einen Krimi lesen, ohne gestört zu werden.“