Carpaccio, Cappuccino und ein Gast aus Kanada

Geschäftsleute aus der ganzen Welt treffen sich einmal im Monat beim Italiener am Frankfurter Flughafen
Klare Sache: Wer sich vernetzt, gewinnt. Doch wie weit ist man bereit dafür zu gehen? „Shulamit Martens ist extra 7000 Kilometer aus Kanada gekommen!“, begrüßt Kay Lied, Gründer des Netzwerks Frankfurt, den am weitesten gereisten Gast zum Monatstreffen im Restaurant „The Italian“. Fotograf Matthias Jung hält den Moment ihres Auftritts für die weltweite Community fest. Er wohnt dagegen nur einen Katzensprung entfernt und ist damit einer der wenigen Einwohnern im Stadtteil Flughafen. Insgesamt sind es nur 300.
Fast 100 Teilnehmer
Doch hinter den dicht isolierten Fensterscheiben in Gateway Gardens ist an diesem Tag nur das Stimmengewirr von 97 Teilnehmern es Treffens zu hören, die sich bei leckerem italienischem Büfett locker zu neuen Gesprächsrunden oder festen Stammtischen gruppieren - erst persönlich vor Ort, später online über Stadt und Land, sogar bis nach Übersee. Sie alle profitieren von der Nähe des Flughafens und den immer neuen Bürohäusern, die auf dem Gelände der früheren US-Militärsiedlung eröffnet werden und neue Berufstätige und deren Geschäftskundschaft anziehen.
Dabei erfährt man auch von weniger bekannten Berufen und Geschäftsfeldern: „Wisst ihr eigentlich, was ein Ghost Negotiator ist?“, fragt Lied in die Runde und stellt Foard Forghani vor. Der Iraner ist Kommunikationsberater, schaltet sich bei kniffligen Verhandlungen unter schwierigen Bedingungen ein.
Von Macht und Motiven
Was man dazu braucht? „Ein Studium in Verhandlungsmanagement, vor allem viel Psychologie, um Motive und Machtverhältnisse richtig einzuschätzen“, erklärt er. Erste interessante Kontakte will er im Nachgang vertiefen.
Doch es geht nicht nur um Business, sondern auch um Events und Freizeit. Etwa um die musikalische Kundgebung „Frieden-Freiheit-Demokratie“ des Musikers und Entertainers Richie Peters anlässlich 175 Jahre Paulskirchenparlament am 28. Mai um 14 Uhr am Opernplatz.
Vera Vrijburg aus Haarlem, die einen Hofladen in Mainz-Hechtsheim führt, wirbt mit niederländischem Gouda für ein Tasting, auch von einer geplanten Wanderung auf den Spuren der US-Militärsiedlung ist die Rede.
„Wir suchen nach einem guten Ausgleich zwischen Geschäft und Spaß“, sagt Lied, der das monatliche Treffen Mitte des vergangenen Jahres erstmals ins „The Italian“ geholt hat. Seit Jahresbeginn treffen sich die Netzwerker im ausgebauten Nebenraum, für alle Seiten eine Win-Win-Situation: „Viele Beschäftigte und Geschäftspartner kommen auch aus den umliegenden Firmen, wir haben rund 1300 Gäste jeden Tag“, freut sich Lokalinhaber Moritz Schiesser.
Netzwerk aufgebaut
„Als Kind hat mir schon meine Großmutter gesagt: Wenn du anderen Menschen hilfst, erfolgreich zu sein, dann bist du selbst auch erfolgreich“, erinnert sich Lied. Seine Ausbildung und ersten Berufsjahre absolvierte er bei der Hoechst AG, entdeckte das Netzwerken, wurde zum Ambassador (Botschafter) von XING Frankfurt. Er lernte Andreas Heuberger kennen, der seit 1998 in Höchst und später Bockenheim wöchentlich donnerstags zum Rhein-Main-Network und zur Mainhattan-Runde lud.
Nach der Corona-Krise beschloss man, sich jeden dritten Mittwoch im Netzwerk Frankfurt in Gateway Gardens zusammenzuschließen. „Die Leute wollen sich wieder verstärkt treffen, aber ein Monatsrhythmus mit entsprechend größerer Teilnehmerzahl ist derzeit effektiver“, findet Heuberger.
Persönliche Gespräche
Die Treffen von Netzwerk Frankfurt sind grundsätzlich offen, eine Anmeldung mit einem Teilnehmerbeitrag von 19, 99 Euro ist jedoch erforderlich.
Für Shulamit Martens jedenfalls hat sich der weite Weg gelohnt: „Ich stamme ja aus dem Schwarzwald und konnte das mit einer Deutschlandreise verbinden. Ich bin geflasht von den vielen Kontaktmöglichkeiten“, stellt sie fest.
Im direkten persönlichen Gespräch erkenne man oft besser, wie man als Partner geschäftlich und persönlich zusammenpasse.
„Die direkte Begegnung mit Blickkontakt lässt sich virtuell doch nicht ersetzen“, stimmt auch Fotografin Antonia Gödecke zu.
Und doch surren und klicken an diesem Tag permanent die Handys, während über digitalen Netzausbau, Kundenbindung mit Rabatten und Bitcoins debattiert wird. Schlaue Leute vernetzen sich, auch mit und über die künstliche Intelligenz.