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Corona in Frankfurt: Mindestabstand im Nahverkehr einhalten ist nahezu unmöglich

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Von: Dennis Pfeiffer-Goldmann

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Anderthalb Meter Mindestabstand einhalten? Das ist jetzt unmöglich im Nahverkehr: So voll wie hier in der U7 zwischen Leipziger Straße und Bockenheimer Warte ist es am Morgen beispielsweise auch in der U4 von Bornheim in die Innenstadt.
Anderthalb Meter Mindestabstand einhalten? Das ist jetzt unmöglich im Nahverkehr: So voll wie hier in der U7 zwischen Leipziger Straße und Bockenheimer Warte ist es am Morgen beispielsweise auch in der U4 von Bornheim in die Innenstadt. © Pfeiffer-Goldmann

Der Fahrplan von Bahnen und Bussen ist in der Coronakrise eingeschränkt. Die Fahrgäste sind deswegen teils eng gedrängt - Mindestabstand ist hier Fehlanzeige.

Frankfurt - Als Kornelia Dreiling um Viertel nach acht am Montagmorgen an der Konstablerwache aus der Straßenbahn 18 steigt, ist sie stocksauer. Knapp 30 weitere Fahrgäste steigen dort mit ihr aus, etwa zehn bleiben sitzen. "Man kann den Sicherheitsabstand nicht mehr einhalten", sagt Dreiling. "Ich finde das unmöglich."

Die Bad Vilbelerin ist auf den Nahverkehr angewiesen, um morgens zur Arbeit in einer Zahnarztpraxis zu gelangen. Sie sorgt für die Schmerztherapie bei Notfallpatienten. Anders als zuletzt ist es Montagmorgen jedoch voll geworden in der Elektrischen. Die offizielle Aufforderung, wegen der Corona-Pandemie im öffentlichen Raum stets mindestens anderthalb Meter Abstand zu halten - für Kornelia Dreiling ist es jetzt unmöglich, das umzusetzen.

Frankfurt hat das Angebot an U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen mit dem Montag drastisch gekürzt auf einen "erweiterten Sonntagsfahrplan". Nun fahren viele U- und Straßenbahnen am Morgen in der Stoßzeit nur noch halb so oft, teils noch seltener - nur alle 30 Minuten. Die Bahnen fahren zwar in den wochentags maximal üblichen Längen, doch es ist zu voll: Oft können die Fahrgäste den Mindestabstand nicht einhalten, teils drängeln sie sich wie zu normalen Zeiten.

Corona in Frankfurt: 70 Fahrgäste je Zug in der Straßenbahnlinie 11

So sind morgens zwischen sieben und halb neun bis zu 40 Fahrgäste pro Wagen unterwegs in der U4 und der U7. In der Straßenbahnlinie 16 lassen sich von Oberrad kommend 50, 60 Fahrgäste im Zug zählen. Auf der Linie 11 im Gallus sind es gleich in mehreren Zügen sogar um die 70 Fahrgäste - bei bloß 62 Sitzplätzen. Auf der Mainzer Landstraße sieht der Fahrplan nicht einmal einen Takt vor, oft kommt mehr als zehn Minuten lang keine Tram. Folgen: Die Menschen müssen dicht an dicht sitzen. Sie müssen stehen und sich festhalten, obwohl vom Berühren von Flächen zwecks Virenschutz' doch so dringend abgeraten wird.

In Oberrad drängen am Morgen die Fahrgäste in eine der wenigen Straßenbahnen der Linie 16. Noch voller ist es auf der Linie 11.
In Oberrad drängen am Morgen die Fahrgäste in eine der wenigen Straßenbahnen der Linie 16. Noch voller ist es auf der Linie 11. © Sauda

Besonders ärgerlich erscheint die Situation dann am Abend: Nach 20 Uhr rollen teils völlig leere U-Bahnen durch die Stadt - aber im 10-Minuten-Takt, also ein Drittel häufiger als in der Rush-Hour am Morgen. Wieso wurde ein so erheblich unpassender Fahrplan gestrickt? Normalerweise werde ein neuer Fahrplan binnen eines Dreivierteljahres entwickelt, sagt Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD). "Jetzt geschieht das in wenigen Tagen, da kommt es auch zu Umsetzungsproblemen."

Wegen zunehmender Personalknappheit aufgrund von Corona habe die Verkehrsgesellschaft VGF keine andere Wahl, als das Angebot zu reduzieren. "Uns fehlen die Erfahrungen mit so etwas", erklärt der Dezernent. "Daher können wir nur über Nachbesserungen reagieren."

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Die sind nun nötig, räumt Oesterling ein, als er am Mittag die Ergebnisse von Zählungen und Beobachtungen kennt, die die VGF sowie die städtische Nahverkehrsorganisation Traffiq am Montagmorgen gemacht haben. "In Teilen des Netzes gab es eine Überlastung in der Berufsspitze", räumt der Stadtrat ein. So seien Fahrten auf der A-Strecke der U-Bahn zwischen Heddernheim und Innenstadt überlastet, ebenso die U7, dazu die Straßenbahnstrecken entlang der Mainzer Landstraße und vom Hauptbahnhof zur Uniklinik.

Diese Probleme sollen sofort gelöst werden. Dafür würden vom heutigen Dienstag an U1, U2 und U7 mit vier statt nur drei Wagen fahren, kündigt der Dezernent an. Die Straßenbahnlinie 21 via Mainzer Landstraße und Uniklinik rolle morgens alle 15 statt nur alle 30 Minuten. Möglich werde dies, indem die Personalreserve aufgelöst werde.

Corona in Frankfurt: „Wenn unterwegs, dann mit Abstand.“

Ob das genügt? "Ich schließe weitere Schritte zum Nachsteuern nicht aus", sagt Oesterling. Die Enge am Montag hat bei vielen Fahrgästen erstaunte Blicke, Schimpfen, Kopfschütteln hervorgerufen. So wie bei Kornelia Dreiling. Nicht nur die zu stark gefüllte Tram nervt sie. Weil der 30er-Bus nicht mehr zur Konstablerwache durchfährt, verlängert sich auch noch ihr Weg auf die Arbeit von einer auf anderthalb Stunden. Auf dem großen Infoscreen im U-Bahnhof Konstablerwache werden im Minutentakt Aufforderung eingeblendet: "Wenn unterwegs, dann mit Abstand." 

In Frankfurt: Ein Streit um den Corona-Mindestabstand ist völlig eskaliert. Ein Mann wird so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Das Straßenbahnnetz in Frankfurt soll ausgebaut werden. Dafür sollen zunächst zwei alte Strecken reaktiviert werden.

Von Dennis Pfeiffer-Goldmann

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