Corona-Lockdown trifft Frankfurt unvorbereitet – vor allem zwei Branchen sind sauer

Fast alle in Frankfurt trifft der zweite Lockdown unvorbereitet – obwohl er sich schon länger angebahnt hat. Zwei Branchen sind besonders sauer.
- Der zweite Corona-Lockdown betrifft viele Menschen in Frankfurt.
- Frankfurter Schulen verfolgen einen uneinheitlichen Kurs.
- Vor allem Einzelhändler und Friseure in Frankfurt ärgern sich.
Frankfurt – Für viele fühlt es sich an wie ein Countdown. Noch zwei Tage, noch ein Tag... Wohin die Reise geht, weiß niemand. Unvorbereitet trifft der Lockdown ab Mittwoch (16.12.2020) die meisten, mit denen man spricht - obwohl er sich abgezeichnet hat. Also was heißt das genau, unvorbereitet sein?
Die Schulen werden jetzt doch Präsenz- und Fernunterricht irgendwie stemmen müssen. Ob die drei Tage bis zu den am Freitag beginnenden Weihnachtsferien als Test für langfristige Einschnitte taugen, darf bezweifelt werden. Schließlich bleibt es Eltern überlassen, ob sie ihre Kinder zu Hause lassen oder nicht. Und manche Schule geht - trotz klarer Aufhebung der Präsenzpflicht - eigene Wege: Die einen schicken die Kinder morgen schon in die Ferien, in einer anderen Schule pocht die Leiterin sehr wohl auf Präsenz.
Frankfurter Bildungsdezernentin Weber vor Lockdown: „Wir werden vorbereitet sein“
Zwei Extrembeispiele, aber auch Ausdruck davon, dass in einer maximal verwirrten Gesellschaft subjektives Empfinden leitet. Genau deshalb, sagen andere, brauche es strikte Regeln. Der Stadtschülerrat begrüßt das Aussetzen der Präsenzpflicht und hofft, dass sich alle Akteure des Schulsystems alsbald zusammensetzen und leistungsfähige Konzepte für die Krise entwerfen. Wechselunterricht sieht Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) nur als letztes Mittel an, ausschließen kann sie nicht, dass er im Januar das letzte Mittel sein wird. Gezielt nach Wegen suchen, wie man jene Kinder und Jugendliche betreuen kann, für die Wechselunterricht problematisch wäre: Auch darin sieht Weber deshalb jetzt Priorität und gibt ein großes Versprechen ab: "Wir werden vorbereitet sein."
Frankfurter Banken haben Heimarbeitspläne für Corona-Lockdown
Von Homeschooling zu Homeoffice: Für die Banken der Stadt wie auch bundesweit ändert sich durch den harten Lockdown erst einmal wenig. Alles, was nicht am Kunden passiert, passiere von zu Hause aus. Seit Beginn der Pandemie laufe das recht reibungslos, sagt Oliver Popp von der Frankfurter Geschäftsstelle des Deutschen Bankangestellten-Verbandes (DBV). Für die Geldhäuser ist die Pandemie sehr wohl ein zukunftsweisendes Experiment: für Heimarbeit im großen Stil. Entsprechende Pläne liegen in allen Vorstandsetagen; weniger Bürofläche erspart der Branche Kosten, mehr als eine Milliarde Euro im Jahr, wird geschätzt.
Die meisten Angestellten sähen auch die Vorteile für sich - vorausgesetzt, die Arbeitsbedingungen stimmten. Denn da laufe in der Pandemie natürlich noch einiges nicht rund, sagt Angestellten-Vertreter Popp. Arbeitssicherheit, Ausstattung, Gesundheitsschutz: Entsprechende Betriebsvereinbarungen seien in Eile geboren und unausgegoren. So mancher Banker hocke auf dem Küchenstuhl vorm Laptop. Auf Dauer, klar, gehe das nicht. Probleme mit der Sicherheit der sensiblen Daten gebe es bislang aber nicht. "Das lief erstaunlich gut", sagt Popp - trotz total veralteter Systeme.
Frankfurter Einzelhändler und Friseure ärgern sich über Lockdown wegen Corona
Als veraltet ist auch das System innerstädtischer Einzelhandel verschrien. Einmal im Jahr erlebt er eine Renaissance, wohl weil die Kunden besinnlich und nostalgisch gestimmt sind, da findet Amazon im Herzen vieler plötzlich keinen Platz mehr. Jetzt würgt der Lockdown das Weihnachtsgeschäft ab. "Die Händler akzeptieren es kopfschüttelnd", sagt Verbandsvorstand Joachim Stoll, "aber die Leute fühlen sich ungerecht behandelt." Denn wo seien die Beweise, dass in den Geschäften das Virus grassiert?, fragt sich Stoll.
Das fragt sich auch Gerda Pescht, Obermeisterin der Friseur- und Kosmetik-Innung. Während manche Einzelhändler in der Krise ihre Waren auch online anzubieten und auszuliefern begonnen haben, hilft das Internet bei der Kopfarbeit mit Schere nicht weiter. Manche haben gestern und werden heute im Akkord arbeiten, um noch etwas vom klassischen Weihnachtsschwung in den Friseursalons mitzunehmen. Hilfsgeld soll's geben, sagt Gerda Pescht, immerhin. Ob es genügen wird, auch private Kosten zu decken, vermag sie nicht zu beurteilen.
Die Ungewissheit treibt alle um in diesen Tagen. Und eine große Frage: Was, wenn auch der harte Lockdown das Virus nicht ausbremst? Sie rechne nun mit allem, sagt Gerda Pescht. "Wir hatten uns bis letzte Woche sicher gefühlt. Es hat sich ja bisher bei uns niemand angesteckt." (Mark-Joachim Obert)