Binding-Aus: Das Ende einer Frankfurter (Bier-)Ära

Mit dem von der Radeberger Gruppe verkündeten Aus für Binding geht eine lange Brauerei-Geschichte zu Ende. 150 Menschen verlieren ihren Job.
Frankfurt -Die Nachricht traf die Frankfurter am Donnerstag völlig unvorbereitet. Die Radeberger Gruppe verkündete das Aus für den traditionsreichen Standort der Binding Brauerei am Sachsenhäuser Berg. 2023, nach 153 Jahren, ist Schluss mit der Produktion.
Zum 1. August 1870 hatte Conrad Binding (1846-1933) die kleine Brauerei Ehrenfried Glock am Garküchenplatz in der Altstadt übernommen. Dabei begann die Brauer-Karriere für Conrad Binding schon 1862. Gegen den Rat seines Vaters, der ihm ein Jura-Studium nahelegte, begann der junge Mann eine Brauerlehre in Sachsenhausen.
Frankfurter Bier: 1870 machte sich Binding selbstständig
Wie es damals üblich war, erlebte Conrad Binding seine Wanderjahre als Bierbrauergeselle in Süddeutschland, Österreich und Frankreich. Im Jahr 1869 kehrte er nach in seine Heimatstadt zurück, um sich 1870 selbstständig zu machen.
Nur ganze elf Jahre blieb der aufstrebende Unternehmer in den engen Gassen der Altstadt, um dann auf der anderen Seite des Mains in Sachsenhausen eine Bierfabrik aufzubauen. Moderne Produktion und Übernahmen kleinerer regionaler Konkurrenten bleiben über Jahrzehnte die Konstanten in der Firmengeschichte. Der Bruder Carl Binding (1854-1925) steigt mit in die Firma ein; aus dem Einmannunternehmen wird die „Binding’sche Brauereigesellschaft“ 1884.
Die erste Flaschenbierabfüllung geht 1905 in den Betrieb. In die braunen Glasflaschen ist der Brauereiname eingeprägt, die Sortenbezeichnung befindet sich auf einem Halsetikett - ebenso das Markenzeichen, der Adler, und der Hinweis „Brauerei-Füllung“. Drei Jahre später wird ein Sandsteinrelief Conrad Bindings als Vertreter der Bierbrauerzunft am Südbau des neuen Rathauses in der Bethmannstraße angebracht, das auch heute noch zu sehen ist.
Frankfurt: Binding und Schöfferhof fusionieren 1921
Nach dem Ersten Weltkrieg fusionieren 1921 die Binding-Brauerei, die Hofbierbrauerei Schöfferhof in Mainz und die Frankfurter Bürgerbrauerei zur „Schöfferhof-Binding-Bürgerbräu AG“. Gleichzeitig wird auch die Brauerei Johann Jakob Jung in der Darmstädter Landstraße übernommen. Weitere größere Brauhäuser folgen.
Anlässlich seines 85. Geburtstags wird 1931 eine Straße in Sachsenhausen nach Conrad Binding benannt. Kurz vor Vollendung seines 87. Geburtstages verstirbt der Braumeister am 17. Dezember 1933 in seiner Heimatstadt. Er wird im Familiengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.
Der Zweite Weltkrieg verschont dann auch die Brauerei nicht. Bei den schweren Luftangriffen auf die Stadt wird die Brauerei auf dem Sachsenhäuser Berg 1944 schwer beschädigt. Die Folgejahre geht es dann wieder aufwärts. Seit 1953 der Oetker-Konzern das Ruder übernommen hat, folgten zahlreiche weitere Übernahmen in Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Niedersachsen.
Frankfurter Brauereimarkt: Clausthaler bildete ökonomisches Rückgrat des Hauses Binding
Als weitsichtig erweist sich vor mehr als 40 Jahren die Etablierung von „Clausthaler“ als nationale Marke für alkoholfreies Bier. Anfangs belächelt, sind die alkoholfreien Biere in Zeiten sinkenden Konsums längst zu Hoffnungsträgern der Brauwirtschaft geworden. Zusammen mit der ebenfalls bundesweit vertriebenen Weizenbier-Marke Schöfferhofer bildet Clausthaler das ökonomische Rückgrat des Hauses Binding, das sich allerdings bei exakten Zahlen zu Absatz, Umsatz und Gewinn der einzelnen Marken extrem zurückhält.
Ein weiterer großer Einschnitt im Frankfurter Brauereimarkt folgt 2001 mit der Übernahme der Henninger Brauerei. Die beruft sich auf eine weitaus längere Tradition: Die Keimzelle war 1655, als Eberhard Stein sein Brauhaus gründete. 1869 tritt Heinrich Christian Henninger in die Brauerei Stein ein. Aus der kleinen Traditionsbrauerei wird ein modernes Brauunternehmen, das 1875 in Sachsenhausen eine neue Braustätte bezieht.
Henninger-Turm wird zum Frankfurter Wahrzeichen
Der 160 Meter hohe Henninger-Turm, der 1961 als Silo für die Lagerung von 16 000 Tonnen Braugerste eingeweiht wird, avancierte zum Wahrzeichen der Stadt und Symbol der traditionsreichen Henninger-Brauerei. Aber auch dieser ist mittlerweile wieder Geschichte. Zumindest erhält Henninger 2017 mit der Neueröffnung der Gastronomie „Henninger am Turm“ einen Brauereiausschank in Frankfurt im neuen Henninger-Turm
In ihrer Heimatstadt Frankfurt und der Region spielen Binding und Henninger aber längst nicht mehr die dominierende Rolle von einst, werden aber weiterhin als „Frankfurter Original“ beworben. Damit dürfte dann spätestens 2023 auch Schluss sein.
Binding in Frankfurt: Rund 150 Menschen verlieren ihren Job
Am Sachsenhäuser Berg sind bisher noch rund 500 Menschen in Hessens größter Brauerei beschäftigt. 150 von ihnen sind in der Produktion tätig, verlieren also künftig ihren Job oder müssen an andere Standorte wechseln. Dabei profitiert der Standort in Sachsenhausen von seiner zentralen Lage: Seit vielen Jahren werden von hier die Brauereien der Oetker-Gruppe zentral gesteuert, seit 2002 firmiert das Unternehmen nicht mehr als Binding, sondern als Radeberger Gruppe. Dazu gehören bekannte Biermarken wie Jever, Berliner Kindl, Tucher oder Stuttgarter Hofbräu.
Nun hat aber die Corona-Pandemie bei Radeberger zu herben Umsatzeinbußen geführt. Man habe Überkapazitäten, die abgebaut werden müssten. Das Aus für Binding in Frankfurt. (Sören Rabe)