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Das Haus der Demokratie ist längst noch nicht eingerichtet

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Die Paulskirche soll saniert, ein „Haus der Demokratie“ gebaut werden. FOTO: michael schick
Die Paulskirche soll saniert, ein „Haus der Demokratie“ gebaut werden. © Monika Müller

Oppositionschef wirft der Römer-Koalition Alleingang vor

Frankfurt -Der CDU-Fraktionschef Nils Kößler hat der Koalition beim Thema Paulskirche vorgeworfen, den gemeinsamen Weg für den wichtigsten Erinnerungsort der Demokratie in Deutschland zu gefährden. Anlass dafür ist, dass in der Debatte das Gutachten ,Demokratiezentrum Paulskirche‘ des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) dominiere, das von OB Peter Feldmann (SPD) am Stadtparlament vorbei in Auftrag gegeben worden sei. „Dass der partei- und fraktionsübergreifende Konsens in unserer Stadt damit aufgeweicht wird, schwächt die Frankfurter Einflussmöglichkeiten auf dieses wichtige Projekt“, kritisiert Kößler.

2019 und 2020 hatte die damalige Römer-Koalition aus CDU, Grünen und SPD nicht nur entschieden, die Paulskirche in ihrer Form von 1949 zu sanieren. Die Stadtregierung hatte auch die Eckpunkte für das „Haus der Demokratie“ mit klaren inhaltlichen Vorgaben beschlossen. Ziel, so Kößler, sei es gewesen, in dem „Haus der Demokratie“ die museale Präsentation der Geschichte der deutschen Freiheitsbewegungen von 1815 bis 1989 mit historisch-politischer Bildungsarbeit zu verbinden. „Das vom OB unabgestimmt beauftragte Gutachten nimmt neue Gewichtungen vor und vertritt inhaltlich eine eigene Agenda der Demokratie.“ Vor allem trete darin „die Geschichte der deutschen Freiheitsbewegungen im europäischen Kontext, der Revolution, des deutschen Parlamentarismus und der Grundrechte in den Hintergrund.“ Ähnliches gelte für die kürzlich vom OB gestartete Bürgerbefragung „Dein Haus der Demokratie“. „Aus der ursprünglich geplanten Aufwertung droht eine Verzwergung unserer Demokratiegeschichte zu werden. Das wäre das Gegenteil dessen, was wir im Parlament beschlossen haben. Eine solche Kehrtwende wird von der CDU nicht mitgetragen“, so Kößler.

In einem Antrag, über den heute Abend in der Stadtverordnetenversammlung beraten wird, fordert die CDU deshalb den Magistrat auf, über die vom OB veranlasste Bürgerbefragung zum „Haus der Demokratie“ zu berichten. Zudem soll zügig ein mit Haushaltsmitteln unterlegter verbindlicher Zeitplan für die Restaurierung der Paulskirche und die nächsten Planungsschritte eines Hauses der Demokratie zur Entscheidung vorgelegt werden. „Die Stadtverordnetenversammlung muss in der Debatte um die Zukunft des Erinnerungsortes Paulskirche die Initiative zurückgewinnen“, so der CDU-Chef.

Konsens ist nicht in Gefahr

FDP-Fraktionschef Yanki Pürsün weist die Kritik Kößlers an der Koalition zurück: „Wir werden nichts mittragen, was an der Stadtverordnetenversammlung vorbeigeht.“ Auch Uwe Paulsen, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, sieht den parteiübergreifenden Konsens für Paulskirche und „Haus der Demokratie“ nicht in Gefahr: „Die Beschlüsse von 2019 und 2020 sind nach wie vor für uns bindend.“ Dass die Diskussion vom Gutachten bestimmt sei, findet er nicht. Die „wunderbare“ Ausstellung im Historischen Museum, die Reihe im Institut für Stadtgeschichte und das Programm, das Tourismuschef Thomas Feda fürs Paulskirchenjubiläum 2023 aufgelegt habe, zeige, „dass wir in der Debatte in der richtigen Richtung sind“. Britta Wollkopf, kulturpolitische Sprecherin von Volt, fühlt sich angemessen einbezogen: „Dass ein Gutachten erstellt wurde, leitet sich aus dem Beschluss von 2019 ab. Da sehe ich keinen Widerspruch.“ Das Gleiche gelte für die Bürgerbefragung. Nach wie vor gelte, dass „wir dieses wichtige Thema weiter fraktionsübergreifend behandeln wollen“.

Das betont auch SPD-Chefin Ursula Busch: „Wir haben das Thema in einem Schulterschluss aller demokratischen Parteien im Römer angegangen - und so sollte es auch bleiben.“ Die Kritik Kößlers hält sie für nicht berechtigt. Schließlich habe auch die CDU der M173 zugestimmt, in der es um die Feierlichkeiten zum Paulskirchenjubiläum, aber auch um das Haus der Demokratie geht. Darin wird das Dezernat I beauftragt, die Planungen für das Haus der Demokratie organisatorisch vorzubereiten.

Das bestätigt OB-Sprecher Olaf Schiel. Eine Bürgerbeteiligung benötige wissenschaftlich fundierte Grundlagen, die die Studie der HSFK liefere. Im Übrigen sei die Studie Vertretern der damaligen Regierungsparteien vorgestellt worden. Auch der Zeitplan sei dabei erläutert worden und dass die Studie Grundlage der Bürgerbeteiligung werde. Schließlich sei Letztere Teil des Abschlussberichts der Expertenkommission. „Dieser ist ausdrücklich eine Empfehlung. Auf dieser Grundlage ist es dann an Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, hieraus politische Beschlüsse abzuleiten.“

„Das ändert nichts daran, dass die Studie vom OB an der damaligen Koalition vorbei in Auftrag gegeben wurde. Die Parteien der Koalition wurden damit vor vollendete Tatsachen gestellt“, so Kößler. Nicht nur für die CDU sei es damals wichtig gewesen, dass das im Beschluss genannte Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Bonn) und das Deutsche Historische Museum (Berlin) das Gutachten erstellten. „Hierüber hat sich der OB hinweggesetzt. Wir haben damals erklärt, dass dieses Gutachten der HSFK keine Grundlage für die Weiterarbeit sein kann.“, sagt der CDU-Chef. Auch das Angebot einer Vorstellung für die CDU habe die CDU abgelehnt, weil sie dort keine Grundlage für ein Haus der Demokratie sah. Es verschiebe die Schwerpunkte, definiere die Säulen neu und bringe andere Inhalte ein. „So entsteht ein neuer Bauplan für ein ,Haus der Demokratie‘, der aus Sicht der CDU keine tragfähige Grundlage für eine Erinnerungsstätte an diesem besonderen Ort der deutschen Geschichte bildet“, sagt Kößler .

Die Antwort des Magistrats auf den Antrag „Zukunft der Frankfurter Paulskirche“ aus dem Jahr 2019 liegt laut Parlis, dem parlamentarischen Informationssystem der Stadt, indes noch immer nicht vor. Deshalb hat der Haupt- und Finanzausschuss erst am Dienstag wieder einmal eine Vier-Wochen-Frist zur Beantwortung gesetzt. sim

Der Kommentar

Die CDU probt den Zwergenaufstand

in „Haus der Demokratie“ in Frankfurt sollte nur ein Thema beherbergen: die Paulskirche in all ihren Facetten. Das Konzept für ein multimediales, mehrsprachiges Haus muss die Demokratiebewegungen vom 19. Jahrhundert bis heute beinhalten. Ebenso wie die Nationalversammlung und die Verfassungsgeschichte von 1849 an, die Menschen, die darin Geschichte geschrieben haben, dazu natürlich die Paulskirche mit ihrer Baugeschichte und als Denkmal. Natürlich sollte das „Haus der Demokratie“ mit Diskussionen, Symposien und Wettbewerben die Streitkultur fördern. Eine Stätte zum Leben und zum Erleben, zum Erfahren und zum Mitgestalten. Da war sich die alte Römer-Koalition einig und es ist sich die neue Römer-Koalition einig. Einschließlich der größten Oppositionspartei, der CDU.

Es ist richtig, dass die CDU an den parlamentarischen Konsens erinnert, der bereits 2019 erreicht, 2020 konkretisiert wurde und der genau das beinhaltet. Doch der Vorwurf, die jetzige Stadtregierung gefährde den gemeinsamen Weg für den wichtigsten Erinnerungsort der Demokratie in Deutschland, ist schlichtweg falsch. Denn diese hält weiter fest am Schulterschluss der demokratischen Parteien, die diesen Antrag damals beschlossen haben. Die Pressemitteilung vom Mittwoch ist deshalb ein Zwergenaufstand. Der aber immerhin erhört wurde.

Kritik verdient - auch an dieser Stelle mal wieder - vor allem der Magistrat, der sich nach fast vier Jahren nach eben jenem Antrag der damaligen Römer-Koalition nicht geäußert hat. Auch für die Verwaltungsbehörde, deren oberster Chef der OB ist, gilt: Wo Parlamentarismus erzählt werden soll, müssen die Parlamentarier angemessen einbezogen werden. Nicht nur bei diesem Thema. Simone Wagenhaus

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