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„Das ist Klimaschutz mit der Brechstange“

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Von: Thomas J. Schmidt

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Frankfurter Hausbesitzer und Handwerker protestieren gegen Wärmepumpen-Pläne: Wenn die alte Heizung den Geist aufgibt, droht der verpflichtende Einbau einer Pumpe.

Die Hausbesitzer in Frankfurt sind nervös. Ihnen droht nach wie vor die Verpflichtung, im neuen Jahr eine Wärmepumpe einzusetzen, wenn die alte Heizungsanlage den Geist aufgibt. Egal, wie viel es kostet. Egal, wie teuer die Investitionen in Wärmedämmung bei einem alten Haus werden. Egal, wie viel Strom nachher benötigt wird. Egal, was dieser Strom kosten wird.

„Wir fahren nicht im Nebel, wir fahren blind“, sagt Peter Paul Thoma, Obermeister der Innung Sanitär Heizung Klima. Es könne sein, dass in den vergangenen zehn Jahren zu wenig passiert ist, aber das könne man nicht in wenigen Jahren wettmachen und dabei den dritten vor dem ersten Schritt machen. Zunächst müsse man die Häuser dämmen, um den Wärmebedarf zu reduzieren. Dann könne man über die Wärmepumpe nachdenken.

Younes Frank Ehrhardt, Geschäftsführer des Landesverbands von Haus und Grund, glaubt nicht, dass das Gesetz kommt wie angekündigt. „Das Gesetzgebungsverfahren läuft, und wir werden angehört. Das Gesetz kann nicht umgesetzt werden.“ Rechtlich wie praktisch gebe es Hindernisse, etwa im Denkmalschutz. In einem Altbau eine zwei Tonnen schwere Wärmepumpe zu installieren, deren Wärme dann nicht verteilt werden könnte, Entmietungen, weil Fußbodenheizungen eingesetzt werden müssten: Ehrhardt nennt das „Klimaschutz mit der Brechstange“.

In Bestandsgebäuden unmöglich

Bei der städtischen ABG Holding sind neue und gut isolierte Gebäude schon auf Fernwärme oder die Wärmepumpe umgestellt. Das Problem mit dem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung sieht Geschäftsführer Frank Junker darin, dass man die Wärmepumpe in Bestandsgebäuden nicht einbauen kann. In den meisten Fällen braucht man für sie wegen der niedrigen Vorlauftemperatur eine Flächenheizung, also Boden- oder Wandheizung. „Wie soll das gehen? Sollen wir ein Mietshaus mit 24 Wohnungen umbauen und vorher die Mieter umsiedeln, wenn bei einer der Wohnungen die Gasetagenheizung kaputt geht? Wie stellen die sich das vor?“, fragt Junker. Hinzu kommt: In den ABG-Siedlungen sind zwar 10 000 der 54 000 Wohnungen ans Fernwärmenetz angeschlossen, doch 34 000 sind mit Gasetagenheizungen ausgestattet. 10 000 Wohnungen haben eine Gaszentralheizung oder hängen an einem Nahwärmenetz, so in der Hellerhofsiedlung oder am Bornheimer Hang. „Wenn Gasheizungen verboten werden, dann wird ja auch dieser zentrale Gaskessel verboten, und die ganze Siedlung sitzt im Kalten. So wird das nicht gehen“, sagt Junker.

Wärmepumpen pressen, vereinfacht gesagt, Luft zusammen und nutzen die dabei entstehende Wärme. Dabei kann - abhängig von der Außentemperatur - mehr als drei Mal so viel Wärmeenergie entstehen, wie zuvor elektrisch in der Pumpe verbraucht wurde. Thoma erläutert: „Es rechnet sich für die Umwelt ab einer Leistungszahl von drei oder größer.“ Für den Geldbeutel rechnet es sich jedoch nicht, da der Strom in Deutschland zu teuer ist. Hinzu kommt der Mangel an Wärmepumpen, der deren Preis hochtreibt. Olaf Scholz kündigte an, dass 500 000 Wärmepumpen pro Jahr eingebaut werden sollten. Doch alleine im vergangenen Jahr hat das deutsche Heizungsbauerhandwerk laut Zentralverband Sanitär Heizung Klima 980 000 Heizungen installiert, davon bereits 236 000 Wärmepumpen. Rechnerisch fehlt also 2024 jede zweite Wärmepumpe, 480 000 insgesamt. Hinzu kommt: Während eine Gas- oder Ölheizung 30 Jahre und länger in Betrieb sein kann, gibt der Bundesverband Wärmepumpe die Lebenserwartung einer Wärmepumpe mit lediglich 15 bis 20 Jahren an. Die Investition - 8000 bis 16 000 Euro bei einem Einfamilienhaus - muss also dann erneut getätigt werden. Ein weiteres Problem: der Strombedarf. Die Bundesnetzagentur plant bereits Szenarien, in denen der Strom für Wärmepumpen und E-Autos gedrosselt werden soll.

Jürgen Conzelmann, der Vorsitzende von Haus und Grund Frankfurt, sieht noch andere Auswirkungen: „Die Bautätigkeit ist wie ein Bienenstock, Hier errichtet jemand eine Wohnung, dort jemand anders ein Mietshaus. Das ist nicht koordiniert, aber es funktioniert. Jeder trägt dazu bei, dass Wohnungen entstehen.“ Derzeit sei jedoch alles zum Erliegen gekommen. „Niemand investiert mehr. Alle sind verunsichert, keiner weiß, was noch kommen wird.“ Der Fehler liege in der sektoralen Betrachtung: Wenn Wohnungen, Straßenverkehr und Energieerzeugung gleichermaßen den Kohlendioxidausstoß reduzieren müssten, übersehe man, dass Bestandsgebäude nicht mit Autos oder Stromgeneratoren vergleichbar seien. „Ein Haus steht 100 Jahre. Das kann man nicht in wenigen Wochen oder Monaten umbauen.“ Wärmeisolierung bei denkmalgeschützten Häusern sei oft gar nicht möglich.

Ehrhardt vom Landesverband fürchtet gar, dass viele Hausbesitzer, die sich oft ein Leben lang gekrümmt haben, um das Häuschen abzubezahlen und im Alter mietfrei leben zu können, jetzt gezwungen werden, das Haus zu verkaufen. „Die Investitionskosten für eine Wärmesanierung und eine Wärmepumpe rechnen sich nicht mehr“, sagt er, „die Bank gibt keine Kredite mehr, die Handwerker fehlen.“ Er sieht einen Preisverfall für Immobilien kommen.

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