Das lange Warten der Frankfurter auf Ladestationen für E-Autos

Die Zahl der E-Autos in Frankfurt nimmt zu, die Zahl der Ladesäulen nicht. Das liegt vor allem an der Bürokratie.
Frankfurt -Für Bernd Neumann ist es eine Enttäuschung: "Warum hat der Energieversorger Mainova hier keine Ladesäule errichtet? Die Straße war wegen neuer Straßenbeleuchtung aufgerissen." Der Bedarf sei da, sagt der Dachdeckermeister aus Oberrad, der auch Vorsitzender des örtlichen Gewerbevereins ist. "Meine Nachbarn haben bereits Elektroautos und können nicht laden." Er selbst plant, für seinen Betrieb einen E-Transporter anzuschaffen - und wird auf dem Betriebsgelände eine Wallbox einrichten.
Ansgar Roese, Prokurist bei der städtischen Wirtschaftsförderung und Abteilungsleiter Stadtentwicklung, Standortpolitik, Immobilien, Logistik & Mobilität, räumt ein, dass es nicht ganz einfach sei, alle Kriterien für eine Ladestation zu erfüllen. "Da reden viele Ämter mit." Doch er ist sicher: "Die Zahl der Ladestationen wird schnell steigen." Privatleuten wie Neumann könne man nur empfehlen, ihre Vorschläge privaten Anbietern zu unterbreiten. "Sie rechnen dann aus, wie wirtschaftlich das sein wird", so Roese.
Frankfurt: mehr als 1000 Lademöglichkeiten bis Ende 2022
Unternehmen wie "Qwello" wollen Ladesäulen in Frankfurt errichten. "Wenn wir von einem geeigneten Standort erfahren, schauen wir uns das an", sagt Martin Kinne von der Geschäftsführung. Er sei auf Tipps aus der Bevölkerung angewiesen, gerade auch in den Stadtteilen. "Was wir machen, ist für die Stadt kostenlos. Wir brauchen nur den Parkplatz." Bis zu vier Autos könnten an einer Ladestation aufgeladen werden. Rund 600 Anträge hat sein Unternehmen in Frankfurt gestellt. Er ist sicher: Bis Ende 2022 gibt es in Frankfurt mehr als 1000 Lademöglichkeiten seines Unternehmens im öffentlichen Raum.
Ansgar Roese sagt: "Wir haben 2019 ein Konzept für Elektromobilität erstellt mit drei Szenarien für 2030." Das erste Szenario - 7,5 Prozent Elektrofahrzeuge - sei bereits heute realisiert. Das zweite Szenario gehe von 12,5 Prozent aus, das dritte von 17,5 Prozent bis 2030. Hybridfahrzeuge seien inbegriffen. "Ich glaube, wir werden das dritte Szenario übertreffen", so Roese, und dementsprechend seien Ladesäulen auszubauen. Mindestens 900 Ladesäulen im öffentlichen Raum seien bei 17,5 Prozent E-Mobilität erforderlich. "Wir haben schon jetzt mehr als 1000 Anträge, die wir abarbeiten", sagt Roese. "Es werden nicht alle verwirklicht, aber viele." Derzeit gibt es seiner Kenntnis nach rund 110 Ladestationen im öffentlichen Raum.
Frankfurt: 12 Unterschriften für eine Ladestation
Der Installation einer Ladestation müssen verschiedene Ämter zustimmen, vom Straßenbau- bis zum Denkmalamt. Es muss bekannt sein, wo andere Beteiligte - Telekom, Energieversorger - Kabel im Untergrund liegen haben, auch die Netzspannung muss ausreichen. Kinne bestätigt: "Wir brauchen zwölf Unterschriften für eine Ladestation." Alles ist sehr umständlich - und für Kommunen teils noch Neuland. Sven Birgmeier, Sprecher der Mainova, bestätigt das. Es seien viele interne und externe Anforderungen zu erfüllen, bevor eine Lade-Lösung im öffentlichen Raum umgesetzt werden kann. Dazu zählen etwa Flächenverfügbarkeit, gute Sichtbarkeit, eine möglichst hohe Auslastung, nutzerfreundliche Zugänge und Einhaltung des Immissionsschutzes.
Es gebe grundsätzlich zwei Möglichkeiten: laden im öffentlichen Raum oder laden im eigenen Mietshaus oder am Arbeitsplatz. Für die letztgenannten - also nicht öffentlichen - Ladesäulen haben die Mainova und Dussmann im Sommer 2020 das bundesweit tätige Gemeinschaftsunternehmen "Chargemaker" gegründet, das Ladesäulen in Mehrfamilienhäusern und Unternehmen installiert. Bislang wurden fast 800 Ladepunkte im öffentlichen, halb öffentlichen oder privaten Bereich installiert beziehungsweise beauftragt - zunehmend auch in Mehrfamilienhäusern. Rund 120 davon sind in Frankfurt und Umgebung öffentlich oder halb öffentlich zugänglich.
Für Frankfurter Bestandsgebäude wirds kompliziert und teuer
Dabei können, so Birgmeier, bei Bestandsgebäuden die Kosten für die Ladeinfrastruktur hoch werden, besonders wegen der Hausinstallation, die vom Eigentümer häufig ertüchtigt werden müsse. "Bei Neubauten wird Elektromobilität dagegen häufig bereits vom Eigentümer oder Bauherren bei der Planung mitgedacht" - auch weil Mieter und Wohnungseigentümer zunehmend eine Wallbox am eigenen Stellplatz erwarteten. Die Immobilieneigentümer reagierten darauf. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau könne die Errichtung der Wallbox fördern.
Alle diese Ladepunkte werden mit maximal 22 Kilowatt betrieben. Ab 50 Kilowatt erst spricht man von einer Schnellladestation. Davon betreibt die Mainova AG derzeit in Frankfurt noch keine, sie hat jedoch bereits einige Standorte identifiziert, um Schnellladepunkte in Gleichstrom-Technik anzubieten. Gleichstrom kann mit bis zu 150 Kilowatt fließen. "Am und im Frankfurter Stromnetz der Netzdienste Rhein-Main wird der Ausbau von Ladeinfrastruktur nicht scheitern", betont Birgmeier. Gerade Schnellladestationen benötigen eine stärkere Stromversorgung als ein normaler Hausanschluss. In Höchst ist die Süwag-Netztochter Syna aktiv. Auch im Westen gibt es noch keine öffentlichen Schnelllader, aber vier öffentlich zugängliche Ladestationen mit 22 Kilowatt.
All das findet Dachdeckermeister Neumann unzureichend: "Es muss doch schneller gehen, Lademöglichkeiten müssen mitgeplant werden, wenn eine Straße aus anderen Gründen aufgerissen wird." Der Bedarf wachse schnell, da müssten die Kommunen flexibler sein. In der De-Neufville-Straße war das nicht so. Neumanns Anstrengungen waren vergebens.