„Tin Lizzi“: Das ist Frankfurts wohl verrücktestes Auto

Bruno Handwerk aus Frankfurt-Niederrad besitzt eine 110 Jahre alte "Tin Lizzie Speedster Modell T". Der Oldtimer wird von seinem Besitzer gehegt und gepflegt.
Frankfurt – Bruno Handwerk hat einen ganz besonderen Spleen. Der Frankfurt-Niederräder hegt und pflegt eine 110 Jahre alte Blechliesel, die wie ein Löwe dröhnt. Um einzusteigen, braucht es etwas Akrobatik. Die Bordeaux-farbigen harten Sessel sind nur über ein schwarzes metallenes Blech mit Gold glänzendem Messing-Auftritt zu erreichen.
Im Weg dabei ist ein dunkles Holzlenkrad mit Messingstreben, das an einer knallgelben Metallstange in der Nähe der Pedale befestigt ist, auf der wiederum eine runde Glasscheibe als Mini-Windschutzscheibe befestigt ist. Bruno Handwerk gleitet sanft auf den Fahrersitz seiner „Tin Lizzie“ und lacht. „Man gewöhnt sich schnell daran“, sagt der Mann, der viel zu lange Beine für den Ford aus dem Jahr 1912 hat. Seine Knie sind in Brusthöhe, wenn er sitzt.
Oldtimer aus den USA in Frankfurt: Wie es damals nach Deutschland kam, weiß niemand
Handwerk ist ebenso ein Unikat wie sein gelbes Cabrio-Schätzchen mit den knallroten Felgen. Seit 40 Jahren ist er stolzer Besitzer der „wohl ältesten Blechliesel in Hessen“. Nur fünf Wagen in dieser „Rennversion“ seien überhaupt gebaut worden.
Oldtimer sind nicht leicht zu ersetzen. Umso trauriger ist es, wenn bei einem Brand in einer Oldtimerwerkstatt die Wagen beschädigt oder zerstört werden, so wie in Frankfurt.
Die Wände in Handwerks kleinem Büro und in der Halle, in der der Oldtimer steht, sind voller Plaketten, Pokale und Preise, die er beim Tuckern mit der Tin Lizzie in ganz Deutschland eingeheimst hat. „Als ich sie gekauft habe, war ihr Zustand suboptimal“, erzählt er. Der Oldtimer-Fan hat das 20-PS-Gefährt, das am 1. Juli 1912 zugelassen wurde, in seinen Originalglanz zurückgebracht. Nur einer der beiden Scheinwerfer ist ein Nachbau, der Rest original. Wie der Wagen aus den USA nach Deutschland gekommen ist, weiß er nicht. Bekannt ist nur der Name seines Erstbesitzers Phil Giltner, weil sein Name auf einer roten Plakette am Heck des langen Wagens unter der Modellbezeichnung steht.
110 Jahre alter Oldtimer in Frankfurt: Geblinkt wird mit den Armen
Geblinkt wird mit den Armen, weil es keinen Blinker gibt. Der Ford T war hinter dem VW-Käfer das meistgebaute Auto der Welt und ab 1914 am Fließband gefertigt. Das Schmuckstück von Handwerk wurde noch komplett per Hand gebaut. „Wertarbeit“, nennt es der Mann, der ein Goldkettchen mit Nugget trägt, und streicht liebevoll über das Holzlenkrad. Wie viele Kilometer die Blechliesel drauf hat, weiß er nicht, da es keine Armatur gibt.
Ohne Beifahrer geht nichts mit dem Wagen mit seinen edlen Messingteilen über schmalen hohen Rädern in Schwarzweiß auf knallroten Felgen und ebenso rotem Fahrgestell. „Wegen des Blinkens“, erklärt er. Jede Schraube, jedes Detail ist auf Hochglanz poliert. „Der muss einfach gut aussehen“, stellt er fest und reibt noch einmal mit einem weichen Tuch über einen der langen, fast eckigen, schwarzen Kotflügel.
Besitzer des Oldtimers aus Frankfurt: Er ist Auto-Rennen in ganz Deutschland gefahren
Maximal 55 Stundenkilometer schnell ist er. „Schneller wäre auch ungemütlich, weil es keine Federung gibt“, so Handwerk. Es gibt kaum ein Oldtimer-Rennen auf dem Haarstark, „der irgendwas mit Autos“ gemacht hat, nicht mit seinem Schätzchen unterwegs war. Ob internationale Adenauer Oldtimer Rallyes und Classics, ob Wiesbaden, Nürburgring, Weinstraße, Nibelungenfahrten oder in Hamburg. Er hat so viele Pokale und Urkunden über und neben ausrangierten Flugzeugsitzen stehen, dass sie nicht mehr zählbar sind. „Und das sind bei Weitem nicht alle“, sagt er stolz. Alles glänzt genauso wie das Auto, das sicherlich viel erzählen würde, wenn es könnte. Stattdessen brüllt es fast, wenn der Motor mit der Kurbel angelassen wird. In der Halle klingt es wie ein Löwe.
Auch dieses Jahr will Handwerk wieder viele Touren fahren. „Das Wetter ist gut und solange es nicht regnet, ist alles möglich“, sagt er und tippt auf seinen Kopf. „Der muss bedeckt werden, sonst gibt es einen Sonnenbrand“, meint er lachend. Gegen Fliegen hilft eine Brille. Die Windschutzscheibe ist winzig, rund und nur am Lenker der Fahrerseite und hält kaum Insekten ab. Handwerks Stimme wird leise. Er schmunzelt. „Beim Lächeln muss man aufpassen, dass sich keine Fliege zwischen den Zähnen verfängt. Das sieht hässlich aus.“ (Sabine Schramek)