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„Dass wir eine Frau lebend retten konnten, hat uns gepusht“

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Rettungshundeführer der Schnelleinsatzeinheit Bergung Ausland des THW besprechen ihre nächste Suche. FOTO: THW/Katharina Garrecht
Rettungshundeführer der Schnelleinsatzeinheit Bergung Ausland des THW besprechen ihre nächste Suche. © THW

Der Frankfurter THW-Helfer Patrick Pietzsch begleitete die „Phase des Rettens“ in Kirikhan in der türkischen Provinz Hatay.

Frankfurt -„Ich denke, dass ich mit solchem Elend und Leid, das einem im Einsatz begegnet, relativ gut umgehen kann“, sagt Patrick Pietzsch nach seiner Rückkehr aus dem türkischen Erdbebengebiet. Der 36-Jährige war lange im Rettungsdienst und in der Notaufnahme eines Krankenhauses tätig und hat im beruflichen Alltag häufig mit schweren Verletzungen und auch dem Tod zu tun. Darüber hinaus engagiert er sich seit über 20 Jahren ehrenamtlich beim THW, inzwischen als Gruppenführer Bergung des 2. Technischen Zuges im Ortsverband Frankfurt. Bereits 2010 unterstützte er nach dem schweren Erdbeben in Haiti und später beim Aufbau von Projekten mit Katastrophenschutzorganisationen in Tunesien und Jordanien.

Frankfurter Helfer üben jeden Monat

Viel Sachverstand und seine ruhige, besonnene Art kommen ihm bei seiner Tätigkeit für das SEEBA (Schnelle Einsatz Einheit Bergung Ausland)-Team des THW zugute. Erst seit einem knappen Jahr ist er einer von 230 Einsatzkräften, die sich monatlich zum speziellen Training treffen. „Meistens nutzen wir dafür das Gelände für Such- und Rettungsausbildung in Wesel am Niederrhein und üben dort neben dem Handwerklichen auch viele administrative und koordinative Themen, denn im Einsatz müssen wir uns in dem internationalen Gefüge sicher bewegen können.“

Vor zwei Wochen ging es für ihn gemeinsam mit 40 Kollegen und neun Kolleginnen sowie vier Rettungshunden in die Türkei, nach Kirikhan in der Provinz Hatay. „Die Stadt, in der normalerweise knapp 120 000 Einwohner leben, war nahezu ausgelöscht und dem Erdboden gleichgemacht“, beschreibt Pietzsch, „und wenn man mit gerade mal 50 Leuten diesem gewaltigen Ausmaß quasi ohnmächtig gegenübersteht, dann hinterlässt das tiefen Eindruck. Man fragt sich, wie man überhaupt dieser Lage Herr werden soll - in der kurzen Zeit, die einem zur Verfügung steht.“ Denn nach den sogenannten „100 goldenen Stunden“ nimmt die Wahrscheinlichkeit, noch Lebende retten zu können, rapide ab, auch wenn es Ausnahmen gibt; so wurden zuletzt sogar noch nach 240 Stunden Verschüttete lebend aus den Trümmern gezogen.

Über Aufenthalt entscheidet das Land

Auf zehn Tage Aufenthalt hatte sich das SEEBA-Team vorbereitet, also entsprechend viel Verpflegung mitgebracht, um komplett autark zu sein. Die Hilfsorganisationen können allerdings nicht selbst entscheiden, wie lange sie bleiben, erklärt der Frankfurter: „Wir sind ja letztlich auf Bitten eines souveränen Staats im Land, und ohne dessen Hilfeersuchen können wir vor Ort gar nicht tätig werden. Wenn es dann eben heißt, ,die Phase des Rettens ist vorbei‘, müssen wir das akzeptieren.“

Pietzsch war zuständig für die Personal- und Schichtplanung und führte An- und Abwesenheitslisten. Denn rund um die Uhr war jeweils ein Team im Schadensgebiet tätig, während das andere pausierte. Kommuniziert wurde über Funkgeräte, denn die Infrastruktur für Mobilfunk und Internet war ebenfalls schwer beschädigt. Im gemeinsamen Camp mit weiteren Hilfsorganisationen aus Deutschland und der Türkei wurden Erfahrungen ausgetauscht und eng zusammengearbeitet.

Stärkste Belastung: Das Ausmaß der Zerstörung

Gefragt nach der größten Belastung für ihn persönlich, muss der 36-Jährige nicht lange nachdenken: „Wenn man vorher nur Bilder einzelner eingestürzter Häuser gesehen hat, aber dann sieht, in welchem flächenmäßigen Ausmaß das Ereignis tatsächlich zugeschlagen hat, ist das wirklich der stärkste Eindruck, der bleibt.“

Ein großer Einschnitt war sicherlich auch, als wir hörten, dass die 40-Jährige, die wir aus den Trümmern ziehen konnten, später im Krankenhaus gestorben ist. Aber dass wir dann später eine weitere Frau lebend retten konnten, hat uns wieder gepusht.“

Die tiefe Dankbarkeit der Bevölkerung wird ihm ebenfalls in Erinnerung bleiben: „Bei unserer Abreise am Flughafen kamen die Leute auf uns zu und drückten uns Schokolade in die Hand, und auch der Empfang, den uns die türkische Community in Köln bei unserer Rückkehr bereitete, war sehr bewegend.“ Überwältigende Bilder und Gefühle, die alle erstmal verarbeiten müssen. So stand direkt das Einsatznachsorgeteam des THW parat, das dafür Sorge trägt, dass die psychosozialen Nachwirkungen solcher Einsätze möglichst gering bleiben, beziehungsweise gut abgefedert werden. Pietzsch ist schon wieder im „Alltagstrott“ angekommen. Für einen nächsten Einsatz steht er parat: „Ich wäre sofort wieder mit dabei!“

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